Aufgrund stetig neuer Erkenntnisse befindet sich der Spitzensport in fortlaufender Entwicklung und verändert sich mit verschiedenen Trends und Neuerungen aus den Bereichen der digitalen Leistungsdiagnostik, Ernährung oder auch sportpsychologischen Aspekten. Parallel sind auch im Freizeitsport Gadgets wie Fitnesstracker mit Datenanalysefunktionen und moderne Trainingsmethoden Alltag geworden.
Das Interesse von Sportlern, sich möglichst umfassend und vielseitig mit ihrer eigenen Leistungsfähigkeit zu beschäftigen und dabei ständig zu optimieren, hat durch moderne Technik ein neues Level erreicht. Auch die Medizin kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Jedoch zeigen aktuelle Zahlen, dass gerade im Bereich Auge noch viel Potenzial ungenutzt bleibt. So hat eine aktuelle Studie 147 Profi-Fußballspieler zwei Jahre lang begleitet, um Daten über ihre Sehschärfe, ihren refraktiven Fehler und den Gebrauch von Sehhilfen zu erheben [1]. Das Ergebnis ist erschreckend. Nur jeder vierte Sportler, der eine korrekturbedürftige Fehlsichtigkeit hat, gleicht diese beim Sport aus. Auf alpinen Skipisten fährt nur knapp die Hälfte aller kurzsichtigen Sportler mit Korrektur, was nicht nur die sportliche Leistungsfähigkeit reduziert, sondern auch ein eklatantes Sicherheitsrisiko mit sich bringt [2]. Sehen erfordert die höchste Rechenleistung im Gehirn – dieser Vorgang ist vergleichbar mit der Nutzung eines Bildbearbeitungsprogramms, das am Computer ebenfalls die größte Auslastung verursacht. Ein Bild mit vielen Fehlern zu verarbeiten, fordert dabei vermehrt Ressourcen. Mentale Energie geht verloren, die der Sportler ansonsten zur mentalen Vorbereitung auf den Wettkampf oder während des Wettkampfes nutzen könnte. Um eine Vorstellung über die Wichtigkeit des Sehens im Sport zu bekommen, sollte man sich zunächst die Frage stellen, was es für Sehqualitäten und Funktionen gibt und welche für den jeweiligen Sport von Bedeutung sind.
Sehschärfe
Ein Auflösungsvermögen von 1,0, auch gerne 100 % genannt, ist als die Fähigkeit definiert, aus fünf Meter Entfernung zwei nebeneinander liegende Punkte im Abstand von 1,5mm wahrnehmen zu können. Viele Menschen profitieren von weitaus höheren Auflösungsvermögen und somit auch einem Informationsvorsprung. Im Falle einer besseren Sehfähigkeit mit einem Visus von 1,33 entspricht dies der Fähigkeit auf fünf Meter Abstand zwei Punkte unterscheiden zu können, für die sich ein 1,0 sichtiger Mensch auf 3,75 m nähern müsste. Diese Unterschiede können im Sport einen gewaltigen Unterschied machen, wie z. B. Tischtennisspieler Timo Boll in einem Interview mit dem Spiegel preisgibt. Er berichtet, dass ihm seine Sehschärfe von 280 % ermögliche, schon früh die Rotation des Balles anhand des aufgedruckten Stempels und damit den Spin zu erkennen. Diese Information ist essentiell, um einen passenden Bewegungsablauf für den Rückschlag zu starten. Ein Visus von 2,8 entspricht bei 5 m Entfernung einer Auflösung, die ein Normalsichtiger mit 1,0 erst bei 1,78 m im Stande ist zu sehen.
Hintergrund Vom Spielgegenstand, Hindernis oder Gegner ausgehend trifft das Licht am Auge auf die Hornhaut, welche das erste refraktiv wirksame Medium ist. Sie ist mit ca. 43 Dioptrien Brechkraft für 2 / 3 der Gesamtbrechkraft des Auges zuständig und bündelt die Lichtstrahlen. Auf dem Weg durch die vordere Augenkammer zur Pupille werden die Lichtstrahlen zunächst wieder umgerechnet mit ungefähr -3dpt Brechkraft zerstreut. Hinter der Pupille kommt es zur zweiten großen Lichtbrechung durch die Linse mit ca. 19 Dioptrien. Somit ergibt sich eine Brechkraft von ca. 59 dpt. Rund 24 mm nach Eintritt des Lichtstrahls durch die Hornhaut kommt das Licht an der Netzhaut an. Das perfekte scharfe Bild wird somit maßgeblich von Qualität, Klarheit und Stärke der brechenden Medien Hornhaut und Linse sowie der individuellen Augenlänge beeinflusst. Interessanter Fakt: Es besteht eine Korrelation zwischen zunehmender Augenlänge und verlängerter visueller Reaktionszeit. In einer geschlechts- und altersgepaarten Studie zeigt ein eher lang gebautes Auge eines kurzsichtigen Menschen (Myopie) signifikant eine höhere Reaktionszeit als das eines Normalsichtigen (Emmetropie) mit einer kürzeren Distanz zwischen Hornhaut und Retina [4].
Auflösung / Kontrastsehschärfe
Die Kontrastsehschärfe spielt im Sport gerade bei der Erkennung von kleinen Gegenständen wie Squashbällen, Pucks oder Ähnlichem eine wichtige Rolle. Die Auflösungsfähigkeit und Kontrastsehschärfe der Netzhaut wird durch das Zusammenspiel von ~ 6 Millionen Zapfen und ~ 120 Millionen Stäbchen generiert. Hier wird durch komplexe Verschaltung bereits in der Netzhaut der Grundstein für das wichtige Kontrastsehen im Sport gelegt. Es kommt zu einer Quervernetzung von verschiedenen Zelltypen, welche sogenannte rezeptive Felder zur Informationsbündelung bilden. Hier findet durch zwei Untereinheiten eine Signalverstärkung statt. Die eine reagiert auf helle Lichtreize im Zentrum des Feldes, die andere auf die Abnahme von ebendieser Leuchtdichte im Zentrum. Diese Unterscheidung ermöglicht die Wahrnehmung von Kontrasten. Gerade bei kontrastarmer Umgebung, wie beispielsweise auf der Skipiste, sind hier feine Kontrastunterschiede durch Erhebungen oder Eisplatten wichtig für den Sportler. Abhängig ist das Kontrastsehen von weiteren Faktoren wie Veränderungen der Linsen, des Sehnervens, Alter, aber auch der bereits genannten Sehschärfe. Spezielle Polfilterbrillen sollen dem Sportler hier eine Verbesserung der Kontraste bringen, was aber mangels gleichmäßiger Polarisation von Schneekristallen nicht unumstritten ist. Es kann hier sogar zu einem Informationsverlust kommen [2].
Räumliches Sehen (Stereosehen)
Auch wenn für Sportschützen ein starkes Auge zufriedenstellend sein kann, so sind die meisten Sportarten auf die Funktion zwei guter Augen für ein gutes räumliches Sehen angewiesen. Räumliches Sehen beschreibt die Fähigkeit Distanzen, die Beziehung zwischen Objekten sowie deren Bewegung im Raum richtig zu deuten. Durch den gleichzeitigen Seheindruck von beiden Augen kommt es durch die Fusion dieser Lichtreize zu einem stimmigen Gesamtbild. Wichtig ist hier die motorische Steuerung der Augenmuskeln, um eine Übereinkunft der beiden Bilder im Punkt des schärfsten Sehens, der Fovea, zu ermöglichen. Eine Schielstellung lässt in der Regel ebenfalls kein gutes räumliches Sehen zu und sollte daher schon früh in der Kindheit intensiv behandelt werden. Es kann sonst ebenfalls zu Doppelbildern, einer Konfusion unterschiedlicher Dinge, die an selber Stelle wahrgenommen werden oder sogar zur Unterdrückung des schwächeren Auges, Amblyopie genannt, führen. Eine sportlich erfolgreiche Laufbahn wäre somit schon früh erschwert. Mit dem Seheindruck von nur einem Auge sind lediglich einfache Größenvergleiche oder Beziehungen von Objekten durch Überschneidung von Bildinhalten oder Licht bzw. Schattenunterschiede möglich.
Gesichtsfeld / Peripheres Sehen
Der Mensch ist in der Lage, etwas mehr als 180° wahrzunehmen. Bereits durch einfache Blickwendung ohne den Kopf zu drehen, kommen nochmals 90° Sichtfeld hinzu. Dreht man den Kopf zusätzlich, kann der Mensch sein Umfeld in alle Richtungen überblicken. Gerade bei Sportarten, die Taktik, Abstimmung aber auch Übersicht über das Spielgeschehen erfordern, ist ein uneingeschränktes Gesichtsfeld von Bedeutung. Einschränkungen können bei Erkrankungen, wie dem Glaukom oder auch Durchblutungsstörungen, auftreten, allerdings auch ganz einfach durch das Tragen einer Brille. Auch die periphere Sehleistung der Netzhaut ist entscheidend, um zusammen mit Geräuschen der Umgebung früh eine Veränderung des Umfeldes zu registrieren und den Kopf zum Geschehen auszurichten.
Moderne Technik: Brille, Kontaktlinse, Laser
Eine Weiterentwicklung durch moderne Technik ist nicht nur im Sport, sondern auch im Bereich Auge und Sehleistung zu beobachten. Anteilig sind jedoch noch immer die historisch älteren refraktiven Hilfsmittel in der Gesellschaft viel vertreten. Bereits im 13. Jahrhundert wurde die Brille zunächst als reine Lesehilfe erfunden. Trotz der deutlichen Weiterentwicklung der damaligen Brille mit aktuell viel leichteren Kunststoffgläsern, ist diese für viele Sportler nicht die optimale Lösung. Bei Outdoor-Sportarten und sonnigem Wetter können Sportbrillen mit UV-Schutz und passender Tönung für die Lichtbedingungen eine gute Option sein. Eine Brille schränkt jedoch das Gesichtsfeld ein, sie kann verrutschen, beschlagen, verschmutzen oder verkratzen. Die Brille sollte perfekt sitzen, damit ein störendes Verschieben auf der Nase und Repositionierung während der Aktivität und damit verbundene Schwankungen der Sehleistung möglichst selten auftreten.Trotz der Schutzfunktion vor Insekten oder Staubpartikeln kann es gerade bei Kontaktsportarten bei einem Zusammenstoß oder Aufprall eines Spielgerätes zu einem erhöhten Risiko für Verletzungen des Auges und der Aufliegefläche im Bereich der Nase und Ohren kommen. Dies sind nur einige Gründe, warum wenige Sportler Interesse daran haben, mit ihrer Brille Sport zu treiben. Anfang des 20. Jahrhunderts führte die Entwicklung spezieller Kunststoffe zur ersten Zulassung einer Kontaktlinse durch die amerikanische FDA im Jahr 1977. Heute gelten Kontaktlinsen als gängige Alternative zur Sportbrille. Sie ermöglichen durch ihre rahmenlose Auflage auf dem Auge ein weitaus weniger eingeschränktes Gesichtsfeld. Auf eine Tönung und ein UV-Schutz wie bei einer Sportbrille muss jedoch verzichtet werden. Die Sauerstoffversorgung der Hornhaut erfolgt hauptsächlich über die Augenoberfläche aus der Umgebungsluft. Diese wird durch das Tragen von wenig sauerstoffdurchlässigen Kontaktlinsen vermindert. Problematisch wird dies, da die Hornhaut eigentlich schon bei moderatem Sport deutlich mehr Sauerstoff benötigt [5](wie eine Studie aus dem Jahre 2008 ergeben hat). Es kann bei regelmäßigem Tragen von Kontaktlinsen zu chronischen Beschwerden und zur Schädigung der Augenoberfläche kommen. Ein Verrutschen der Kontaktlinse während des Sports führt für Athleten zwangsweise dazu, die Aktivität zu unterbrechen, bis eine Repositionierung erfolgt ist oder bei Verlust gar eine neue passende Kontaktlinse besorgt und ersetzt ist. Gerade bei Sportarten wie Beachvolleyball kann Sand zwischen Kontaktlinse und Auge gelangen und eine akute Reizung mit massivem Tränenfluss verursachen. Die Sehfähigkeit wird dadurch stark eingeschränkt. Resümierend ist auch Sport mit Kontaktlinsen nicht sorgenfrei möglich und mit einem größeren Aufwand, was die Bereitstellung bzw. Reinigung im Falle von Monats / Jahreslinsen betrifft, verbunden, als bei der zuvor beschriebenen Sportbrille.
Seit Beginn der 1990er Jahre hat sich die Korrektur durch Laserinterventionen etabliert und wird heute mit der FEMTO-LASIK als das am besten untersuchteste und sicherste Verfahren in der Medizin angesehen. Die Korrektur der Fehlsichtigkeit mittels LASIK nimmt dem Sportler die beschriebenen Probleme durch Tragekomfort und Handling. Der Athlet kann sich komplett auf den Sport konzentrieren und hat stabile, perfekt auskorrigierte Sichtverhältnisse in jeder Bewegung. Das Gesichtsfeld ist uneingeschränkt. Nach dem Eingriff werden für einen Zeitraum von 2– 6 Monaten übergangsweise befeuchtende Augentropfen empfohlen. Danach ist keine besondere Pflege notwendig und der Fokus kann uneingeschränkt auf dem Sport liegen. Bei einer sehr hohen Fehlsichtigkeit von über -12dpt Kurzsichtigkeit bzw. +6dpt Weitsichtigkeit besteht darüber hinaus die Möglichkeit einer Versorgung durch die minimalinvasive Implantation einer flexiblen Linse (ICL) zwischen Iris und körpereigener Linse. Hierbei bleibt ebenfalls die Akkommodationsfähigkeit (Naheinstellungsfähigkeit) der körpereigenen Linse erhalten. Damit besteht altersentsprechend weiterhin die Fähigkeit, die Umwelt schnell wechselnd vergrößert (Makropsie) oder verkleinert (Mikropsie) wahrzunehmen, um in Fern und Nahbereich präzise agieren zu können.
Fazit
Bei einer aktuell noch hohen Rate an refraktiver Unterversorgung, sollten augenärztliche Screenings und regelmäßige Kontrollen eine größere Rolle spielen. Es gibt großes Potenzial an Optimierung, die letztendlich nicht nur für die sportliche Leistungsfähigkeit, sondern auch für den täglichen Lebensalltag eine Erleichterung mit sich bringen kann.
Literatur
[1] Clin Exp Optom. 2019 Jan;102(1):51–56. doi: 10.1111/cxo.12812. Epub 2018 Jul 28
[2] Aktuelle Kontaktologie Aktkontaktol April/Mai 2012 · 7. Jahrgang · 19. Heft Farbfilter und polarisierende Filter beim Schneesport
[3] Spiegel, 28.September 2018
[4] Saravanan M, Aravindan K. Comparison of visual reaction time in myopic subjects with emmetropic subjects. Natl J Physiol Pharm Pharmacol 2017;7(2):194–197
[5] Cardall, Martin (2008). Contact lenses and sport. PHD thesis, Aston University
Autoren
studierte in Aachen Medizin und wurde in Hamburg während seiner klinischen Weiterbildungszeit mit den Schwerpunkten Vorderkammer und Netzhautchirurgie ausgebildet. Er ist seit 2018 im sehkraft Augenzentrum Köln tätig und hat seinen Fokus auf Refraktive Laserchirurgie, Refraktiven Linsenaustausch und Kataraktoperationen sowie Vitreolyse-Laserbehandlungen im refraktiven Zentrum von Matthias Maus gelegt.