Verletzungen sind im Fußball ein weit verbreitetes Problem. Das größte Problem stellen schwere Knieverletzungen dar, da sie regelmäßig auftreten und eine lange Ausfallzeit nach sich ziehen, was insbesondere im Leistungsfußball erhebliche Konsequenzen für Spieler und somit auch für den Erfolg eines Teams nach sich haben kann. Die Prävention dieser Verletzungen besitzt daher höchste Priorität und stellt eine wichtige Aufgabe für jeden Verein im Leistungsfußball dar.
Studienmethodik
Im Rahmen eines national ausgeschriebenen Studienprojektes (VBG) zur Implementierung von Präventionsstrategien für schwere Kniegelenksverletzungen im Leistungsfußball, wurden verschiedene Stufen der Verletzungsprävention in einem Verein durchgeführt, ausgewertet und miteinander verglichen. Von 14 potenziellen Maßnahmen eines multimodalen Präventionskonzepts wurden 8 Strategien im Projekt analysiert. Die epidemiologische Analyse von Verletzungsschwerpunkten und Risikofaktoren im Team, die Analyse von potenziellen Defiziten im aktuellen Training, die Implementierung von Trainingsübungen oder neuromotorischen Screening-Testungen, sowie zusätzlich auch die Durch-führung von Maßnahmen zur primären oder sekundären Prävention wurden erstmals in einem Gesamtprojekt und an einer Studienpopulation untersucht und miteinander verglichen. Erstmalig wurden in dieser Form verschiedene potenzielle Maßnahmen zur Verletzungsprävention bei schweren Kniegelenksverletzungen und deren Ergebnisse dargestellt und in ihrer Wichtigkeit aufgelistet. Die Maßnahmen wurden sowohl nach ihrer praktischen Durchführbarkeit im Fußballalltag bewertet, aber auch welche Kosten/Aufwand notwendig sind und welcher Nutzen/Effekt zur Reduktion von Kniegelenksverletzungen nachgewiesen werden kann.
Ergebnisse
62 Teams mit insgesamt 1527 Spielern aus dem bezahlten Leistungsfußball haben an dieser Studie teilgenommen. Das Ranking der wichtigsten Maßnahmen zur Prävention von schweren Kniegelenksverletzungen wird angeführt von der „Implementierung der aktiven Trainingsübungen“, die regelmäßig im Training und vom Trainer mit abwechselnden Alternativübungen durchgeführt werden sollen. Diese Maßnahme mit 5 Übungsmodulen (Dauer: 10 min) zeigt in dieser Studie hohe Effektivität (50 % Reduktion der schweren Kniegelenksverletzungen), beinhaltet kaum Mehrkosten für den Verein und zeigt eine gute Durchführbarkeit im Fußballalltag (Krutsch et al 2019, KSSTA). Ebenfalls positiv im Ranking gewertet ist die Analyse von Verletzungsschwerpunkten und die individuellen Risikofaktoren in einem Team (team-internes Verletzungsmonitoring mit detaillierter Analyse), welche zwar nicht immer zur Vorhersage von Verletzungen hergenommen werden können, aber wenig Aufwand bedeuten und guten Informationsgehalt über die Risiken in einem Team bieten (Loose et al 2019, KSSTA). Eine detaillierte und kritische Analyse der aktuell durchgeführten Präventionsmaßnahmen und Trainingsinhalte mit dem Vergleich zu der in der Literatur vorhandenen Evidenz zur Verletzungsprävention, zeigte in dieser Studie relevante Schwächen in der Durchführung von Übungen zur Rumpfstabilität sowie das Sprung- und Landeverhalten (Loose et al 2018, AOTS). Die kritische Auseinandersetzung mit eigenen aktuellen Maßnahmen ist ebenfalls gut praktikabel und deshalb auch vorrangig in der Auflistung gewertet. Aufwändigere Maßnahmen wie neuromotorische Screening-Tests zur Preseason, detaillierte Videoanalysen der eigenen Verletzungen oder auch die immer beliebter werdenden Return to competition-Tests nach Verletzungen zeigen bisher keine ausreichende Evidenz und Prädiktion für Verletzungen, auch in dieser Studie nicht, und werden aufgrund des höheren Aufwandes für die Vereine sowie die geringere Praktikabilität hinter den ersten genannten Maßnahmen gewertet. Weitere Präventionsbestrebungen wie ein psychologisches Screening von Spielern zu Saisonbeginn (Jansen et al 2019, BMJ Open Sport Exerc Med), zeigen aktuell auch noch keine ausreichende Prädiktion für Verletzungen und eine ungenügende praktische Umsetzung im Alltag, weshalb dies hier nachrangig gewertet wurde.
Fazit
Verletzungsprävention sollte ein integraler Bestandteil in der Saisonplanung und langfristigen Entwicklung eines Vereines im Leistungsfußball sein. Da in einem Verein unterschiedliche Personen handeln und ihre unterschiedlichen Verantwortlichkeiten haben, muss die Aufgabenverteilung der effektiven Strategien zur Verletzungsprävention von Beginn an geklärt sein und ein Konzept sowie eine verantwortliche Person fürs Gesamtkonzept vorhanden sein. Jegliche Form der Präventionsmaßnahmen sind begrüßenswert und insbesondere im Profifußball, wo finanzielle Mittel prinzipiell vorhanden sind, ist zu erwägen, alle prinzipiellen Präventionsmaßnahmen zur Reduzierung von Ausfallzeiten der Spieler in den praktischen Alltag auch einfließen zu lassen. Bei limitierten Ressourcen in Vereinen des unteren bezahlten Leistungsfußballs kann das Ranking in dieser Studie erstmals aufzeigen, dass die 3 wichtigsten Maßnahmen kostengünstig, praktikabel und evident sind, um bis zu 50 % der schweren Kniegelenksverletzungen vorzubeugen und somit die Verfügbarkeit der Spieler für Teams und Trainer zu verbessern, weshalb dieses Ranking ein guter Leitfaden zum Start von Präventionsbestrebungen sein kann.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Er ist Gesellschafter SportDocsFranken in Nürnberg sowie am Universitätsklinikum Regensburg tätig. Außerdem ist Professor Krutsch Mitglied der Medizinischen Kommission des DFB + Task Force Sportmedizin & Spielbetrieb DFB & DFL, Vereinsarzt 1. FC Nürnberg, Gründer des „Kreuzbandregister im Deutschen Fußball“ und wiss. Beirat der sportärztezeitung.