Dr. med. Lorenz Huber, Dr. med. Johannes Weber, Prof. Dr. med. Werner Krutsch
Im Hochleistungssport gehören Verletzungen und Erkrankungen trotz intensiver Präventionsmaßnahmen zum Alltag. Gerade im Profifußball bedeuten sie nicht nur ein individuelles Schicksal für die betroffenen Spieler, sondern stellen auch sportlich wie wirtschaftlich bedeutsame Faktoren für die Vereine dar. Um die Belastungen besser zu verstehen und präventiv entgegenzuwirken, wurde am Universitätsklinikum Regensburg (UKR) ein einzigartiges Forschungsprojekt ins Leben gerufen: das Bundesligaregister für ausfallrelevante Verletzungen und Erkrankungen.
In Kooperation mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) und der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) hat die Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie am UKR unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. Volker Alt und Dr. Dominik Szymski ein bislang beispielloses Register für die 1. und 2. Fußball-Bundesliga aufgebaut. Seit dem Start der Saison 2022 / 23 werden darin sämtliche Verletzungen und Erkrankungen systematisch dokumentiert, die zu einem Ausfall im Trainings- oder Spielbetrieb führen. Die Idee dahinter entstand aus den Reihen der Mannschaftsärzte und hier vor allem auf der Initiative von Prof. Dr. Werner Krutsch, der als Mannschaftsarzt der 1. FC Nürnberg und als Mitglied der Kommission Fußballmedizin der DFL, entscheidenden Anteil an der Konzeption und Verwirklichung hatte.
Prävention durch Wissen
Das Ziel des Projekts ist klar definiert: Es geht um Prävention durch Wissen. Nur wer genau weiß, wann, wo und warum sich Spieler verletzen oder erkranken, kann gezielte Maßnahmen zur Vermeidung entwickeln. Die Datenbank erfasst nicht nur die Art der Verletzung oder Erkrankung, sondern auch deren Umstände, Diagnostik, Therapie und Informationen zu Vorverletzungen. Auch Rehabilitationsverläufe finden Eingang in die anonymisierte und datenschutzkonforme Erhebung. Durch diese longitudinale Datenerhebung und kontinuierliche Verfolgung der Spieler sollen auch saisonübergreifende Ereignisse und Verläufe beobachtet werden. Nach zwei Jahren Laufzeit liegen nun erste belastbare Zahlen vor: In den Spielzeiten 2022 / 23 und 2023 / 24 wurden über 1.800 verletzungs- oder krankheitsbedingte Ausfälle dokumentiert. In der aktuell noch laufenden Saison 2024 / 25 wurden rund weitere 850 Ausfälle registriert. Mit rund 75 % machen Verletzungen dabei den Großteil der Ausfallgründe aus. Die übrigen 25 % entfallen auf Erkrankungen wie Atemwegsinfekte oder Magen-Darm-Beschwerden. Besonders häufig treten Muskelverletzungen auf – sie verursachen in der Summe auch die meisten Ausfalltage. Noch gravierender in ihrer Auswirkung auf die Einsatzfähigkeit sind jedoch Knieverletzungen, die mit den längsten Rehabilitationszeiten einhergehen. Auch bei Kopfverletzungen zeigt die Analyse: Die medizinischen Leitlinien, etwa zum stufenweisen Wiedereinstieg nach einer Gehirnerschütterung, werden flächendeckend eingehalten und die durchschnittliche Zeit bis zur Rückkehr ins Lauftraining betrug 4,1 Tage, während im Mittel 6,7 Tage bis zum Mannschaftstraining und 10,1 Tage bis zum nächsten Spielgeschehen vergingen.
Aktive Einbindung der Mannschaftsärzte
Ein zentrales Merkmal des Registers ist die aktive Einbindung der Mannschaftsärzte und Physiotherapeuten der Bundesligisten. Sie liefern nicht nur die Daten, sondern beteiligen sich auch an der Gestaltung des Erhebungsprotokolls. Die Klubs selbst profitieren durch die Möglichkeit, individuelle Verletzungsmuster ihrer Spieler mit den anonymisierten Gesamtdaten aller beteiligten Teams zu vergleichen. Das ermöglicht maßgeschneiderte Präventionsmaßnahmen. Nur durch die Mitarbeit der Vereine und insbesondere der Physiotherapeuten und Mannschaftsärzte, welche in den jeweiligen Vereinen für die Dateneingabe zuständig sind, ist es möglich dieses Register zu führen. Durch das longitudinale Design des Registers – also die dauerhafte und fortlaufende Erfassung über viele Spielzeiten hinweg – entsteht ein wertvolles Werkzeug für die medizinische Begleitung im Profifußball. Ziel ist es, aus den Daten belastbare Rückschlüsse für Trainingssteuerung, Belastungsmanagement und medizinische Betreuung zu ziehen. In Zukunft könnte das Register auch für weitere wissenschaftliche Studien genutzt werden – etwa zur Risikobewertung bei spezifischen Verletzungstypen oder zur Evaluation von Präventionsprogrammen. Damit nimmt das Projekt eine Vorreiterrolle im internationalen Profisport ein und ist in seiner Form einzigartig im internationalen Vergleich. Seit der Saison 2023 / 24 wird zusätzlich ebenfalls am Universitätsklinikum Regensburg im Frauenfußball in Deutschland in ähnlicher Form das „Gesundheitsregister im Frauenfußball“ in der 1. und 2. Frauen-Bundesliga geführt. In Zukunft sind somit nicht nur Rückschlüsse in den jeweiligen Ligen, sondern auch geschlechterübergreifend möglich.
Fazit
Mit dem neuen Register setzt der deutsche Profifußball ein starkes Zeichen für die Gesundheit seiner Spieler. Durch die enge Verzahnung von Wissenschaft, Praxis und Ligaorganisation entsteht ein Projekt mit enormem Potenzial – für eine gesündere Zukunft auf dem Platz.
Autoren
ist wiss. Mitarbeiter und Assistenzarzt in der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Regensburg (Prof. Dr. Dr. V. Alt)
sowie Medizinischer Koordinator FIFA Medical Centre. Er ist Autor mehrerer Originalarbeiten zu Sportverletzungen sowie Ärztlicher Koordinator
des "Bundesligaregisters für ausfall-relevante Verletzungen und Erkrankungen" und des „Kreuzbandregister im Deutschen Sport“.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Unfallchirurgie, Notfallmedizin. Er ist Direktor der Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie/Universitätsklinikum Regensburg; FIFA Medical Centre of Excellence Regensburg. Seine klinischen Schwerpunkte liegen in der Behandlung von Frakturen und Verletzungen des Bewegungsapparates.