Der Deutschen Surf Nationalmannschaft ist das Unglaubliche gelungen. Mit Camilla Kemp und Tim Elter qualifizierten sich bei den World Surfing Games in Puerto Rico gleich zwei Surfer für die Olympischen Spiele 2024 in Paris. Als Austragungsort für die Wettkämpfe wurde Teahupoo an der Südküste Tahitis ausgewählt.
Vor einer spektakulären Kulisse ist hier eine der schnellsten und gefährlichsten Wellen der Welt zu finden. An manchen Stellen sind über dem scharfkantigen Riff nur etwa 50 cm Wasser, was bei einem Sturz und einer Wellengröße von bis zu sechs Metern mit erheblichen Verletzungen einhergehen kann. Die Monate nach der erfolgreichen Qualifikation unserer Sportler widmeten wir deshalb einem einzigen Ziel: die optimale Vorbereitung auf diese einzigartige Welle.
Vorbereitung & Betreuung
Die Qualifikation für die Olympischen Spiele beginnt zwei Jahre vor den Olympischen Spiele selbst und es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich zu qualifizieren. Für beide Geschlechter stehen jeweils 24 Startplätze zur Verfügung. Unser Kernteam für diesen Olympiazyklus bestand aus acht bis zehn Surfern, zwei Bundestrainern, einer Sportdirektorin, einer Physiotherapeutin und einem Arzt (Abb. 1). Im Vergleich zu anderen Sportarten handelt es sich hierbei also um ein sehr kleines Team, was jedoch auch darin begründet ist, dass Surfen erst zum zweiten Mal als Sportart Teil des olympischen Programms ist. Nachdem bei den ISA World Surfing Games 2023 und der Europameisterschaften 2023 leider keine Platzierung erreicht werden konnte, waren unsere Sportler Anfang diesen Jahres umso motivierter, ihre beste Leistung zu zeigen, um sich den Traum der Olympischen Spiele doch noch zu erfüllen, wie es ihrem Teamkamerad Leon Glatzer im Jahr 2021 gelungen war.
Um die Fähigkeiten für radikale Manöver zu verbessern, wurde extra ein Trainingslager in einem speziellen Wave-Pool in Texas sowie eine mehrwöchige Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in El Salvador vor Ort organisiert. Es zeigte sich jedoch auch, dass die zunehmende Belastung im Training und Wettkampf nicht spurlos an den Surfern vorbei ging. Von den acht Top-Athleten erlitten während der Qualifikationsperiode sechs Athleten Verletzungen. Da die Sportler der Surf-Nationalmannschaft fast ausschließlich im Ausland leben, haben wir als medizinisches Team beschlossen, dass jede Verletzung, die länger als drei Wochen Trainingsausfall zur Folge hat, in Deutschland behandelt werden muss. Hier konnten wir in den letzten Jahren über die Olympiastützpunkte einen optimalen Zugang zu bildgebender und klinischer Diagnostik sowie zur ärztlichen und physiotherapeutischen Behandlung etablieren. 50 % der Athleten litten zur gleichen Zeit unter mehreren Verletzungen. Mit etwa 70 % war der Rücken die am häufigsten von Verletzungen betroffene Körperregionen. Die medizinische Betreuung der deutschen Surfnationalmannschaft ist in den letzten Jahren deutlich professioneller und strukturierter geworden. Dennoch entwickeln wir immer wieder neue Betreuungskonzepte, um die Versorgung für unsere Athleten zu verbessern. Auch als Reaktion auf das erhöhte Verletzungsaufkommen, haben wir durch die Mitarbeit einer Athletiktrainerin das Kraft- und Ausdauertraining unserer Athleten außerhalb des Wassers deutlich gesteigert. Zusätzlich konnten wir durch die Einstellung von Marie Theres Ott als Osteopathin und Physiotherapeutin im Bereich der Prävention von Verletzungen eine deutlich verbesserte Betreuung unserer Athleten während der oft mehrtägigen Wettkämpfe und Trainingslager gewährleisten.
Die Vorbereitung unserer beiden Olympiastarter Tim Elter und Camilla Kemp (Abb. 2) auf die Bedingungen in Tahiti unterschied sich grundlegend von allen bisherigen Wettkampfvorbereitungen. Beide Athleten waren bis zu diesem Zeitpunkt die Welle in Teahupoo noch nie in ihrem Leben gesurft. Zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele bot die ISA (Internationale Surf Association) zwei Trainingslager für sämtliche Olympiateilnehmer an. Hier wurden insbesondere auch Sicherheitsaspekte und örtliche Besonderheiten dieser Welle mit den Sportlern und ihren Teams besprochen. Leider konnte ich persönlich nicht in Tahiti vor Ort sein, da ich zeitgleich vom DOSB (deutscher olympischen Sportbund) mit der Aufgabe betraut wurde, die medizinische Verantwortung für Kampfsportarten in Paris zu übernehmen. Zudem gelang es dem deutschen Surfverband nicht, für unsere Physiotherapeutin eine Akkreditierung für die olympischen Wettkampfstätte zu erhalten. Durch die intensive Arbeit mit unserem sportpsychologischen Team um Bundestrainer Martin Walz und Teampsychologin Dr. Brit Wilsdorf erhielten unsere beiden Athleten letztlich dennoch den größtmöglichen Support. Dennoch war es uns bei diesen Olympischen Spielen leider nicht vergönnt, uns auf die Medaillenränge zu surfen.
Fazit
Nichtsdestotrotz kann man das Fazit ziehen, dass die Erfahrungen, welche das gesamte Surfteam Deutschland auf dem Weg zu und bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris (bzw. Tahiti) machen durfte, uns allen gezeigt hat, dass es auch als deutscher Surfer oder als deutsche Surferin möglich ist, in der Weltspitze mitzumischen. Dies hat uns alle stärker für die kommenden Aufgaben gemacht hat. Wer weiß, vielleicht richten wir in ein paar Jahren die Olympischen Spiele in Deutschland aus und feiern den Olympiasieg auf der ersten künstlichen Welle Deutschlands in München.
Autoren
ist Assistenzarzt in der Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Notfallmedizin, Sportmedizin und dem IOC Zertifikat „Mental Health in Elite Sport“. Er arbeitet an den Kliniken der Stadt Köln im Klinikum Merheim und ist zusätzlich Leitender Verbandsarzt des Deutschen Judobundes, Verbandsarzt des Deutschen Wellenreitverbandes und Kooperationsarzt am Olympiastützpunkt Rheinland. Bei den Olympischen Spielen in Tokyo 2021 war der ehemalige Nationalmannschafts-Judoka und Olympia Starter 2012 (London) als Verbandsarzt für die deutschen Judoka und Surfer zuständig. Außerdem ist er wiss. Beirat der sportärztezeitung.
ist Fachärztin für Allgemeinmedizin mit Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. Sie ist als Kooperationspartnerin für den Deutschen Judobund und den Deutschen Wellenreitverband tätig.