Das ITBS ist bei Laufsportarten die häufigste Ursache für lateralen Knieschmerz. Der Tractus iliotibialis ist eine breite Aponeurose am lateralen Oberschenkel. Er geht aus den Sehnenfasern des Musculus tensor fasciae latae, des Musculus gluteus maximus und der Faszie des Musculus gluteus medius hervor. Er hat seinen Ursprung an der Spina iliaca anterior superior und zieht über das Hüft- und Kniegelenk bis zum Condylus lateralis tibiae,
an das sogenannte Tuberculum Gerdy.
Der Musculus tensor fasciae latae wird zu den äußeren Hüftmuskeln gezählt. Er ist eine embryonale Abspaltung des Musculus gluteus medius. Die Innervation des Musculus tensor fasciae latae erfolgt durch den Nervus gluteus superior. Hauptsächlich spannt er die Fascia lata und den Tractus iliotibialis, weiterhin kann der Muskel im Hüftgelenk die Flexion, Abduktion und Innenrotation des Oberschenkels unterstützen. Bei gestrecktem Kniegelenk wirkt der Zug des Musculus tensor fasciae latae stabilisierend auf das Kniegelenk. Aufgrund seiner Lage oberhalb der Flexions- bzw. Extensionsachse ist er – trotz seines kleinen physiologischen Querschnitts – ein kräftiger Flexor im Hüftgelenk.
Pathologie & Symptomatik
Klassischerweise entsteht das ITBS ohne auslösendes Trauma durch Überlastung. Die Inzidenz wird mit 5 – 14 % angegeben. Als auslösend für die Beschwerden wurde in der Vergangenheit vor allem die vermehrte Reibung des distalen iliotibialen Bandes (ITB) über den seitlichen Vorsprung des Oberschenkelknochens (Epicondylus lateralis femoris) beim wiederholten Beugen und Strecken des Kniegelenks gesehen. Ergänzend geht man heute vom Impingement des ITB an dieser Stelle bei einer Kniebeugung von ca. 20 bis 30 Grad aus. Typisch sind stechende oder brennende Schmerzen an der Außenseite des Kniegelenks oder am Trochanter major. Die Schmerzen treten normalerweise unter Belastung erst nach einer gewissen Zeit oder Laufdistanz auf. Nach Ende der Belastung sistieren die Schmerzen in der Regel sofort, setzen aber wieder ein, wenn die Belastung erneut aufgenommen wird.
Diagnostik, Differenzialdiagnostik & Therapieansätze
Das Krankheitsbild kann von einem Arzt relativ leicht, auch ohne bildgebende Verfahren wie Kernspintomografie diagnostiziert werden. In weniger eindeutigen Fällen ist ITBS von Kniegelenksschäden mit ähnlicher Symptomatik abzugrenzen. Während der Therapie ist das Vermeiden der schmerzauslösenden Belastungen essenziell. Ist der Zustand so akut, dass die Schmerzen nicht nur beim Laufen, sondern auch anschließend beim Gehen auftreten, können NSAR oder Antiphlogistika so lange eingesetzt werden, bis die Schmerzen bei Alltagsbelastungen abgeklungen sind. Studien zeigen in der ersten Behandlungsphase gute Erfolge mit einer Kombination aus antiinflammatorischen und analgetischen Präparaten, während Querfriktionen offenbar kaum zusätzliche günstige Effekte haben. Physiotherapeutische Maßnahmen wie Querfriktionen, Eis (zur Schmerzlinderung) und/oder Wärme (zur Durchblutungsförderung) sind üblich. Dehnungen des ITB sowie der verschiedenen Anteile der Glutealmuskulatur wirken unterstützend.
Osteopathischer Ansatz
Die Osteopathie ist ein manuelles Untersuchungs- und Behandlungsverfahren für Bewegungsapparat, Organe und Gewebe im Körper. Der Osteopath untersucht und behandelt die Bewegungsmöglichkeit all dieser Systeme manuell und sucht nach Blockaden/Bewegungseinschränkungen, die mit den Beschwerden des Patienten zusammenhängen können. Der Körper wird durch die osteopthische Behandlung zur Selbstheilung angeregt. Zu diesem Zweck werden Blockaden und Bewegungseinschränkungen gelöst, die einer Genesung im Wege stehen. Ziel der osteopathischen Untersuchung ist es, die Ursachen für die aktuellen Beschwerden des Patienten zu finden, um diese Probleme dann ursächlich zu behandeln. Diese Zusammenhänge werden als Ursache-Folge-Kette bezeichnet. Für eine umfassende Bestandsaufnahme der natürlichen Funktionen zielt eine osteopathische Untersuchung auf drei Systeme ab:
Cranio-sakrales System
Im Bereich der Cranio-Sakralen Osteopathie werden die Mobilität und Elastizität des Craniums, des Sacrums und Coxygeus, der dazugehörigen Bindegewebshäute und des Rückenmarks sowie peripheren Nervensystems untersucht und behandelt.
Parietales System
Im Bereich der Parietalen Osteopathie werden die Gelenke, Muskeln, Sehnen, Bänder und Faszien auf Bewegungseinschränkungen untersucht und behandelt. Störungen im Parietalen System können nicht nur die Statik und Mechanik des ganzen Körpers beeinträchtigen, sondern auch über gefäßbedingte und nervale Verbindungen innere Organe in ihrer Funktion einschränken.
Vizserales System
Im Bereich der Viszeralen Osteopathie werden die inneren Organe, ihre ligamentären Aufhängungen und Bindegewebshüllen sowie neurologische (vegetatives Nervensystem) und vaskuläre Versorgung auf Bewegungseinschränkungen hin untersucht und behandelt. Retraktionen, Adhäsionen oder Ptosen im Viszeralen System haben nicht nur einen negativen Einfluss auf die Funktionsfähigkeit der inneren Organe, sondern auch, durch mechanische, nervale und gefäßbedingte Verbindungen, auf das Cranio-Sakrale und auf das Parietale System.
Osteopthische Herangehensweise anhand eines Fallbeispiel
Basis für die Behandlung ist die Anamnese. Sie gibt Hinweise auf den aktuellen und allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten. Während des Befragens können bereits bestimmte Kontraindikationen (sogenannte RedFlags) für eine osteopathische Behandlung ausgeschlossen werden. Ein weiteres Ziel der Anamnese ist es, die Strukturen zu identifizieren, welche Beschwerden auslösen.
Ein 32-jähriger Fußballspieler leidet seit über drei Wochen an immer wiederkehrenden rechtsseitigen Schmerzen im Bereich der Knieaußenseite. Beim Joggen oft Beschwerdezunahme, gelegentlich sogar mit Kreuzschmerzen. Vorausgegangen war ein Supinationstrauma rechts beim Training vor etwa einem halben Jahr. Die Kernspintomographie durch den Orthopäden war unauffällig. Beschwerdezunahme beim geradeaus Joggen nach ca. 15 min, Verbesserung durch Stabilitätsübungen im Kraftraum.
- Medikamente: keine regelmäßigen Medikamente
- Sonstige Erkrankungen/Beschwerden: Bis auf wiederkehrende Verstopfungen sind die Organsysteme ohne Beschwerden
- Operationen/Verletzungen: Keine weiteren Traumata
- Lebens- und Ernährungsgewohnheiten: in der Freizeit Fitnesstraining und Joggen, 1,76 m groß, 82 kg schwer, keine Allergien bekannt, keine Genussgifte, ausgewogene Vollkosternährung, dabei viel Milchprodukte
Osteopathische Inspektion
Beckenverwringung rechts posterior, Knie und Fuß rechts in Varusstellung. Im Liegen aufgehobene Konkavität der Bauchdecke, vermehrte Wärmeabstrahlung über dem rechten Unterbauch und dem rechten lateralen Tibiaplateau. Während der Palpation gibt der Patient Druckschmerz im Bereich des rechten Unterbauches sowie am rechten Knie unterhalb des Gelenkspaltes in Höhe des proximalen Tibio-fibular Gelenks an. Es zeigt sich ein Chapman Punkt am rechten Oberschenkel proximal. Bei der aktiven Bewegungsuntersuchung wird auf Ausweichbewegungen und Bewegungseinschränkungen an der Wirbelsäule geachtet. Auffällig waren hier Deviationen in den oberen und unteren Wirbelsäulenbereichen.
Bei der dann folgenden, passiven Bewegungsuntersuchung beginnend mit dem Flexionstest im Stand wird die Läsionsseite (Vorlauf) über eine Ausweichbewegung der Spina iliaca posterior superior bestimmt. Es wurde ein Vorlauf rechts gefunden, der unter Inhibition keine signifikante Änderung zeigte. Der Vorlauftest im Sitzen dient zur Unterscheidung einer SIG oder einer ISG Problematik. Dieser war negativ. Beim Rücklauftest wird differenziert, ob eine Läsion Ilium anterior oder posterior vorliegt. Dabei kam auf der rechten Seite die Spina iliaca posterior superior im Seitenvergleich schlechter nach anterior, was auf ein Ilium posterior deutet. Flare Test negativ. Beim Downing Test lässt sich das rechte Bein verlängern, was für eine Restriktion des rechten Iliums in posterior spricht. Der folgende RedReflex Test kann einen ersten Hinweis auf eine segmentale Dysfunktion geben (trotz unterschiedlicher Durchführung und Interpretation des Red Reflex Tests in der vorhandenen Literatur, zeigt sich übereinstimmend ein Nutzen des Tests zur segmentalen Diagnostik von strukturellen und funktionellen Läsionen). Beim Auffinden von Wirbeldysfunktionen werden per Oszillationstest die Spinosi auf Beweglichkeit getestet. Bereiche mit gestörter Mobilität werden mit dem Seitneigungstest, Testung in Extension und Flexion auf monolytische Läsionen bzw. Gruppenläsionen überprüft. Es finden sich zwei monolytische Läsionen. T11 in FRS rechts und L3 in ERS rechts, des Weiteren liegt eine Gruppenläsion Th10-Th12 vor.
Weitere parietale Testung an der Läsionsseite (rechts), Hüftgelenk zeigt eine Außenrotationstellung mit einer Varusstellung im Knie- sowie Fußgelenk, die Fibula zeigt im proximalen TFG nach caudal, die Dorsalflexion im oberen Sprunggelenk ist eingeschränkt. Die Dorsalflexion (aktiv und passiv) provoziert Schmerz an der rechten Knieaußenseite. Neurologisch unauffälliger Befund. Provokationstest der Menisken im Kniegelenk ist negativ. Bei weiterer ossären und artikulären Kompression keine Auffälligkeiten. Bei dem visceralen Schnelltest werden per Palpation Organbereiche auf Schmerz und Widerstand getestet. In auffälligen Quadranten/Bereichen werden einzelne Organe spezifisch mit ihrer Umgebung getestet. Die rechte Seite im Abdomen weist Festigkeiten auf. Hier zeigten sich in der differenzierten Untersuchung eine Fixation im Bereich des Caecum mit Iliacus und ICK-Klappe, Mobilitätseinschränkungen der Niere nach kranial. Im Cranialen System wird bei dem Patienten per Schnelltest in Rückenlage nach den PAM Parametern getestet. Im axialen System fanden sich Hüftgelenk in AR; KG und Fuß in varus; prox. Fibula nach caudal, Schmerzen Dext (am TFG) + einschranänkung; Tonuserhöhung Ischiocurale Muskl. des rechten Musculus tensor fasciae latae sowie des Musculus gluteus medius.
Verdachtsdiagnose und Behandlungsstrategie
Die Behandlungsstrategie und -vorhaben ist, die Läsionen zu lösen und damit eine Verbesserung der Beschwerden zu erreichen. Zuerst werden die visceralen Läsionen behandelt zur Mobilitätsverbesserung der visceralen Gelenke: Niere, Caecum, IC-Klappe und Sphincter von Oddi mit ihrer Umgebung. Danach wird parietal weiter behandelt. Die monolytischen Läsion Th11 und L3 werden mit manipulativen Techniken und mit anschließender Mobilisation korrigiert. Mit dem Ziel, die somatische Dysfunktion zu beheben, die Verbesserung der O2/Co2 Versorgung und Mobilität der Brustwirbelsäule sowie Lendenwirbelsäule wiederherzustellen. Weiter wird eine Dekoaptation des TLÜ, die Detonisierung der Gluteal- und Ischiocuralmuskulatur, Mobilisierung des Iliums nach anterior forciert. Folgende Schritte sind die Mobilisation der Restriktionen in der Hüfte und des lateralen Kniegelenks in allen Ebenen und des Sprunggelenks. Besonderheit ist die Cranialisation des proximalen tibio-fibular Gelenks, um Zug vom IT-Band zu nehmen. Korrektur von Naviculare, Cuboid und Cuneiforme intermedium zur Verbesserung der Fuß-Statik. Craniosakrale Behandlung zur Stressreduktion, Einfluss auf den N. vagus zu nehmen und das Lösen der subokzipitalen Muskulatur. Nach vier Behandlungsterminen in einem Zeitraum über sechs Wochen war der Patient bei der Ausübung seiner Sportart schmerzfrei.
Diskussion & Fazit
Über die Beschreibung der osteopathischen Anamnese und Behandlungsweise in Abgrenzung zur klassisch schulmedizinischen Herangehensweise konnte gezeigt werden, dass ein ganzheitliches Körperverständnis im Sinne der drei osteopathischen Systeme zu einer dauerhaften Verbesserung dieses Krankheitsbild führen kann, wobei die Einnahme von Medikamenten und eine längerfristige Pause des Sports vermieden werden. In diesem beschriebenen Fallbeispiel hat eine ganzheitliche osteopathische Therapie positive Wirkung auf die besagte Symptomatik und eine Relation (UFK) zu einem Supinationstrauma aufgezeigt.
Autoren
ist Osteopath, Do., Physiotherapeut, Bsc und Heilpraktiker Physiotherapie. Er ist Leiter der medizinischen Abteilung Physiotherapie und Rehabilitation des VfL Bochum 1848. Seine bisherigen Stationen waren Borussia Dortmund Akademie, FC St. Pauli sowie Eintracht Frankfurt.