Postoperative Wundkomplikationen stellen noch immer eine Herausforderung für alle operativ tätigen Ärzte dar. Seit den 1990er Jahren wird in der Chirurgie die Vakuumtherapie zur Unterstützung der Wundheilung großflächig eingesetzt [1]. Im internationalen Sprachgebrauch wird die Vakuumtherapie als Negative Pressure Wound Therapy (NPWT) bezeichnet.
Der Einsatz der NPWT reicht von komplikationsträchtigen Wunden nach offenen Frakturen, über Wunden im Sternumbereich, komplexen schlecht heilenden Wunden bis hin zu geschlossenen Wunden [1 – 6]. Initial wurde die NPWT an offenen Wunden erfolgreich eingesetzt. Als prinzipielle Wirkmechanismen wurden eine Wundverkleinerung oder auch Makrodeformation, eine Mikrodeformation im Bereich der Wundgrund-Schaum-Kontaktstelle, die Entfernung von Wundsekreten aus dem Wundbereich und eine Stabilisierung des Wundareals angesehen [7]. Alle Mechanismen zusammen können zu einer deutlichen Verbesserung der Wundheilung führen und Wundheilungsstörungen deutlich reduzieren. Zahlreiche Publikationen untermauern die klinischen Erfahrungen hinsichtlich der Verbesserung der Wundheilung und des Wundverschlusses bei komplizierten Wunden. Bei infizierten Wunden wurde die Kombination von NPWT und der Instillation von Medikamenten über die Wundabdeckung mittels NPWT zur Erregerreduktion bereits Mitte der 1990er Jahren beschrieben [8]. Die Einsatzfähigkeit der NPWT wurde im Laufe der Zeit, seit 2005, auch auf die Anwendung über geschlossen Wunden erweitert (engl. closed incisional Negative Pressure Therapy, ciNPT). Die herkömmliche NPWT und die ciNPT wirken über eine Verbesserung der Durchblutung und Sauerstoffversorgung, eine Veränderung des post-kapillaren Venendrucks und der Blut-Flussgeschwindigkeit. Hierdurch und durch die Entlastung der Wundränder konnten erhebliche Vorteile in Übersichtsarbeiten bei der Anlage eines ciNPT-Verbandes dargestellt werden. So konnten eine Minderung der postoperativen Infektrate um 30 % und eine Verringerung der Wunddehiszenzhäufigkeit um 50 % erreicht werden [2 – 4, 9 – 14]. Die möglichen Einsatzgebiete der negativen Drucktherapie für offene und geschlossene Wunden umfassen heute Indikationen aus vielen operativen Fächern (alle chirurgische Gebiete, Dermatologie, Urologie). Weitere technische Entwicklungen (Miniaturisierung der Pumpensysteme, Möglichkeiten der remote control) werden vor allem eine Ausweitung der NPWT/ciNPT in der ambulanten Patientenversorgung (HomeCare) ermöglichen. Und veränderte Materialien sowie integrierte Biosensoren werden in der Zukunft sicherlich die Wundheilung noch weiter revolutionieren.
Die klinischen Erfahrungen und Erfolge der NPWT durch die Applikation von „Vakuum“ auf Wunden können möglicherweise in einem anderen Kontext in der Sportmedizin zur Unterstützung der Heilung von Verletzungen beitragen. Im erweiterten Sinne kann die Applikation von Vakuum durch eine intermittierende Vakuumtherapie ebenfalls zu einer Verbesserung der Durchblutung und Lymphabflusses führen und somit bei Verletzungen die Heilung positiv beeinflussen. Die Zusammenhänge müssen aber sicherlich in der Zukunft weiter wissenschaftlich evaluiert werden.
Literatur
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Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und leitet das Curathleticum Nürnberg. Außerdem war Dr. Brem von 2007-2021 Mannschaftsarzt des 1. FC Nürnberg (Fußball) und ist aktuell Vereinsarzt der Nürnberg Falcons BC (Basketball) sowie Mannschaftsarzt HCE (Bundesliga Handball) sowie wiss. Beirat der sportärztezeitung.