Die Anwendung von Kälte in verschiedenen Formen gewinnt in der Sportmedizin sowohl in der Therapie als auch in Regeneration und Prävention immer mehr an Bedeutung (siehe auch Toussaint und Schmitz in dieser Ausgabe und die sogenannte Whole Body Cryotherapie bei Delayed Onset Muscle Soreness (Heiss et al., Sportverl Sportschad 2019;33:21–29)). Hier sei eine weitere Form moderner Kältetherapie vorgestellt, bei dem die Kühl-Kompressionsbandage Medivid CRYO (Medivid AG, St.Gallen, Schweiz) zum Einsatz kam (der Autor gibt keine Interessenskonflikte im Zusammenhang mit den in diesem Artikel präsentierten Inhalten an).
Die wesentlichen Inhaltsstoffe von Medivid Cryo sind denaturierter Alkohol (erzeugt Verdunstungskälte) und Campher (vermittelt durch Reizung von Nervenendigungen, die ansonsten Kälte registrieren, eine kühlende Wirkung).
Anamnese 45-jährige Hobbysportlerin, schweres Distorsionstrauma des linken Kniegelenks beim Skifahren am 28.02.2019.
Diagnosen (allesamt das linke Knie betreffend) Tibiakopf-Mehrfragmentfraktur, Mehrfragmentfraktur der Eminentia intercondylaris, knöcherner Ausriss des vorderen Kreuzbandes und Partialruptur des Ligamentum collaterale mediale.
Operation am 04.03.2019 Offene Gelenkflächenanhebung und Unterfütterung mittels Chronos-Keil und winkelstabile Doppelplattenosteosynthese; Refixation des vorderen Kreuzbandes. Operation komplikationslos.
Postoperativer Verlauf massive, sehr schmerzhafte postoperative Schwellung mit starker Beeinträchtigung der Beweglichkeit. Erstmalige Vorstellung beim Autor am 21.Tag post OP. Therapie bis zu diesem Zeitpunkt: Ruhe, Hochlagerung, manuelle Lymphdrainage, versuchsweise passive Physiotherapie und Kühlung (Eispacks).
Klinischer Befund am 21.Tag post OP ausgeprägtes Hämatom im Bereich der Kniekehle, geringer ventralseitig. Massive Schwellung des gesamten linken Beines, sowie des linken Mittel- und Vorfußes (Abb. 2A+B). Deutliche Schmerzen bei Bewegung (VAS 7–8); mittelgradige Schmerzen in Ruhe (VAS 3–4); Belastung nicht möglich; mit Gehstützen einige Meter mobil; Sensibilität und Motorik erhalten. Linkes Kniegelenk soweit beurteilbar stabil, Streckung / Beugung 0-20-30. Extension und Flexion des linken Fußes schmerzbedingt deutlich eingeschränkt.
Bisherige Schmerztherapie Arcoxia 90 1 x tgl.,Novaminsulfon 500mg 1-1-1-1und Hydromorphon 4 mg bis zu 4 x tgl.
Weiteres therapeutisches Vorgehen ab dem 21. Tag post OP Kombination aus radialer extrakorporaler Stoßwellentherapie (rESWT [1]) und komprimierenden Kühlverbänden (Medivid Cryo 2 x tgl. durch unsere Praxis, die Angehörigen oder den Physiotherapeuten und später sogar durch die Patientin selber), Physiotherapie, Bewegungsschiene und eigene Übungen. Aus einer Vielzahl von Behandlungen anderer Indikationen war uns bekannt, dass die Kombination von rESWT und Kälte-Kompression bei anderweitig therapierefraktären Fällen sehr oft zu einer raschen Abschwellung, einer schnellen Linderung der Schmerzen sowie einer besseren Gewebsregeneration führt. Beschreibungen für den kombinierten Einsatz von rESWT und Kälte-Kompression liegen in der Literatur aber bisher nicht vor.
Weiterer Verlauf ab dem 21. Tag post OP deutliche Abnahme der Schwellung ab dem 14. Tag post OP; rasche und kontinuierliche Schmerz- und Beweglichkeitsverbesserung. Insgesamt 6 Wochen Behandlung; dabei 9 x rESWT und ca. 60 x Kälte-Kompressionsverbände.
Befund am 02.05.2019 Fast vollständige Umfangsnormalisierung des betroffenen Beines (Abb. 2 C–E), deutlich weniger Schmerz (VAS in Ruhe 0–1, bei Bewegung 1–2), Morphin abgesetzt, NSAR nur noch bei Bedarf, Patientin ist glücklich aufgrund der Fortschritte in der Beweglichkeit (Beugung bis 110 Grad möglich, Streckung fast vollständig).
Fazit
Durch die Kombination aus rESWT und moderner, intensiver Kälte-Kompressionstherapie mit Medivid Cryo lässt sich auch bei einem derart ausgeprägten Befund nach schwerem Trauma und großer Operation ein sehr zufriedenstellendes Ergebnis im Hinblick auf Schmerzlinderung, Abschwellung, Verbesserung der Beweglichkeit und Mobilität erreichen.
[1] Swiss DolorClast (Electro Medical Systems; Nyon, Schweiz) mit EvoBlue Handstück und 36-mm Applikator; initial 5000 radiale extrakorporale Stoßwellen (rESWs) bei 20 Hz im Bereich der Kniekehle und der Patella (Arbeitsdruck 1,5 bis 2,8 bar je nach Schmerzhaftigkeit); anschließend 10000 rESWs als Lymphdrainage bei 20 Hz (Arbeitsdruck 1,2 bis 2,0 bar). Das Behandlungs-schema wurde bei den Folgebehandlungen (Behandlungsintervall: ca. alle 5 Tage) je nach Schmerz individuell angepasst.
Autoren
ist Facharzt für Allgemeinmedizin und Notfallmedizin in der Praxis Allgemeinmedizin Lechhausen & MedWorks – Privatärztliche Praxis, Augsburg. Er ist ehemaliger Mannschaftsarzt des Profiteams des FC Augsburg und wiss. Beirat der sportärztezeitung.