Häufig bezeichnen wir Patienten als grobmotorisch und unwillig und stecken ihre Beschwerden in den psychosomatischen Bereich. Doch ein genaueres Hinsehen zeigt, sie unterliegen häufig dem Problem der 1 Hz-Schwelle. Um Patienten besser verstehen und behandeln zu können, ist es wichtig, die 1 Hz-Schwelle genauer zu beleuchten und die Konsequenzen, die daraus entstehen in der Praxis umsetzen.
Sämtliche Schmerzreize unter 1 Hz werden nicht bis zum Cortex weitergeleitet, d.h. sie werden vom Patienten nicht bewusst wahrgenommen. Jedoch gelangen sie bis zur Formatio reticularis und in den Locus coeruleus, wo sie verarbeitet werden. Diese Bereiche sind für der Regulation der Stellreflexe zuständig und regulieren die Muskelkoordination bei Bewegungen. Dadurch haben die unbewussten Schmerzreize Einfluss auf sämtliche Bewegungen, die das betroffene Gelenk anbelangen. Die Konsequenz die sich daraus ergibt ist, dass die Belastung des schmerzenden Gelenkes nur teilweise zugelassen wird. Von außen beobachten wir eine Vollbelastung, die jedoch nicht zu 100% ausgeführt wird.
Als Reaktion auf die unbewussten Schmerzen reagiert der Körper mit Ausweichbewegungen oder Fixationen in anderen Gelenken, um die Belastung vom betroffenen Bereich zu nehmen. Neben dem Schwierigkeit der Vollbelastung kann auch zusätzlich ein neurologisches Problem auftreten. Dabei kommt es aus „Sicherheitsgründen“ zu einer zu neurologischen „Blockade“. Der Körper blockiert die neurologische Reizweiterleitung, um eine Kontraktion zu vermeiden. Eine Testung der Nerven ergibt immer eine gute Leitgeschwindigkeit.
Mögliche Auswirkungen auf die Diagnose
Da der Patient die Schmerzen an dem wirklich betroffenen Gelenk nicht wahrnimmt, kann er darüber auch keine Auskunft geben, dass er dort Probleme oder Schmerzen hat. Er leitet durch seine Aussage die Aufmerksamkeit auf den schmerzhaften Bereich, der jedoch nicht immer die Ursache sein muss. Die eigentlichen Bereiche, die schmerzhaft unter 1 Hz liegen, bleiben versteckt und werden nicht mit Einbezogen.
Mögliche Auswirkungen auf die Therapie
Bei der Therapie kann es durch die Schmerzen zu Diskrepanzen kommen. Dabei weist im Liegen ein Muskel den Wert 6 auf, jedoch ist der Patient im Stehen bei Belastung aufgrund der Schwelle nicht in der Lage, z.B. auf dem Bein zu stehen/ auf den Arm zu stützen und Übungen korrekt auszuführen. Es kommt zu Ausweichbewegungen, die falsch bewertet werden, weil der Muskel im Liegen ohne Belastung und ohne Schmerzen im Gelenk die erforderliche Muskelkraft aufweist, gehen wir im Stehen von einem Muskelkraftdefizit aus, aber nicht von Schmerzen. Der Patient zeigt Bewegungsabläufe, die uns an Grobmotorik oder schlechter Compliance denken lassen. Er rutscht in ein schlechtes Licht. Da der Patient die Schmerzen nicht wahrnimmt, ist er nicht in der Lage sich zu verteidigen und zu erklären, warum die Übungen für ihn nicht korrekt ausführbar sind. Auch ohne Belastung kann es durch die Schmerzen rückläufig zu Störungen der neurologischen Reizweiterleitung kommen, die auch Auswirkungen auf die Bewegungen bei Flexion und Extension haben können.
Treten die unbemerkten Schmerzen in diesem Bewegungsbereich auf, kann es dort zu einer intermuskulären Koordinationsstörung kommen, so dass es unter Umständen auch zu einer Ansteuerung von Agonisten und Antagonisten gleichzeitig oder nahezu gleichzeitig kommt, um das Gelenk ruhig zu stellen. Ebenfalls kann es zu einer gestörten intramuskulären Koordinationsstörung kommen, damit die Bewegung und damit der Schmerz vermieden wird. Dabei wird auch gleichzeitig der Muskelwert heruntergesetzt. Einige Sportler und Patienten trainieren ihre Muskeln, jedoch kommt es aufgrund der 1 Hz – Schwelle und den damit verbundenen Schmerzen zu einer Reduzierung der Muskelkraft und des Tonus, so dass jegliches Training im Sande verläuft. Der Sportler/ Patient ist „austrainiert“ oder „austherapiert.“ Werden die Schmerzbereiche gefunden, so kommt es unweigerlich auf der Therapiebank noch zu einer Tonussteigerung und Wiederherstellung der vollen Muskelkraft.
Fazit
Diagnose: Bei der Diagnosestellung sind eine genaue Betrachtung von Bewegungsabläufen und genauere Fragestellungen hilfreich. Dabei ist der Zeitpunkt des Energie-Inputs/ Trauma zweitrangig, auch alte Verletzungen können diese Schwelle untergraben und Jahre im Dunkeln leben und wüten.
Häufig kommt es aufgrund des langen Zeitraumes zu Aussagen, dass man nach dem „Unfall“ jetzt keine Schmerzen mehr hat und man dieses Ereignis vernachlässigen kann, wobei zu berücksichtigen ist, das hier wieder nur die bewussten Schmerzen gemeint sind. Ob ein altes Trauma wirklich keine Schmerzen mehr sendet ist aufgrund der unbewussten Schmerzschwelle zu klären.
Therapie: Um eine adäquate Therapie des Patienten, Sportlers zu erreichen, sind wir gezwungen, auf diese 1-Hz-Schwelle einzugehen und mehr Schmerztherapien durchzuführen. Dabei geht es um die Behandlung von den Gelenken und sowie gesamten Bereich. Es kann sich dabei um das gesamte Gewebe handeln, dass diese Schmerzreize aussenden kann. Eine gute Hilfe, um den Bereich herauszufinden ist die Elektrotherapie. Mit Hilfe der Schmerzkoppelung können die Anzahl der Reize soweit reduzieren werden, dass bei der Durchführung der gleichen Übung eine Verbesserung des Bewegungsablaufs zu beobachten ist. Ein trainieren der Muskulatur ist im „Sandwichverfahren“ erfolgreich. Dabei werden die Schmerzen gelindert, dann trainiert und wieder gelindert. Für die Linderung gibt es unterschiedliche Herangehensweisen, die auch von den Möglichkeiten in den Praxen abhängig sind. Bewährt haben sich Elektrotherapie, Stoßwelle, Restitution (Wiederherstellung der Gelenkposition des Patienten) und Ultraschall. Hausaufgaben können für den Patienten gegeben werden, sollten aber keine Bewertung finden. Sie sind hilfreich, um die neurologischen Strukturen zu trainieren und die Muskeln vor der Hypothrophie zu schützen.
Autoren
ist Physiotherapeutin mit eigener Privatpraxis in Neuffen und beschäftigt sich seit 2009 mit dem autonomen Nervensystem. Seit 2010 leitet sie die Massageabteilung der IRONMAN EM in Frankfurt. Zusätzlich die IRONMAN EM in HH (seit 2017), IRONMAN Luxembourg (seit 2018) und sämtliche IRONMAN Rennen in Deutschland sowie die WTS in HH (seit 2022).