Das Kniegelenk, ist eines der am stärksten beanspruchten Gelenke im Tennis, was Krafteinwirkung und Bewegungsstress angeht. Das Knie wird pro Jahr ca. 2- bis 4-millionen Mal gebeugt [1, 2]. Im Tennis wird das Knie mit seinen aktiven und passiven Stabilisatoren durch Sprints, abrupte Stopps, Seitwärts- und Drehbewegungen sowie Sprüngen hohen Belastungen ausgesetzt, was das Knie verletzlich macht.
Bei jedem Richtungswechsel kommt es zu einer Belastung des 1.5-2.7-fachen des Körpergewichtes auf das Bein und die Gelenke [3]. Federer, Nadal, Wawrinka und viele weitere Toptennisspieler mussten einige Wochen oder sogar Monate aufgrund von Knieverletzungen den Turnieren fernbleiben.
Traumatische Verletzungen versus Überlastungsschäden
Die meisten Verletzungen im Tennis betreffen die untere Extremität (31 % – 67 %) [4] und bis gegen 19 % das Kniegelenk. Traumatisch kann es zu medialen oder lateralen Seitenbandläsionen, VKB- und seltenst HKB-Rupturen, Meniskusläsionen, Patellar-/Quadrizepssehnenrupturen, Patella(sub)luxationen aber auch Muskelzerrungen oder -faserrisse (Bsp. Tennis leg) kommen. Von größerer Bedeutung sind jedoch die durch rezidivierende Mikrotraumata bedingten Überlastungsschäden, welche die Spieler einige Monate und auch wiederholt außer Gefecht setzen können und schwierig zu therapieren sind.
Jumper’s Knee
Beim Jumper’s Knee handelt es sich um eine schmerzhafte Patellarsehnenansatztendinopathie, eine der häufigsten überlastungsbedingten Knieverletzungen im Tennis. Beim Aufschlag, beim Sprint auf einen Stoppball oder beim Smash, immer kommt es zu konzentrischen, meist explosiven Anspannungen der Knieextensoren sowie zu raschen exzentrischen Abbremsbewegung im Kniegelenk. Diese repetitiven Kräfte führen zu Mikrotraumata an der Patellarsehne, was zu Schmerzen führen kann. Im Übergang der Sehne in den Knochen ist die Durchblutung vermindert, weshalb rasche überlastungsbedingte, chronische Degenerationen dieses Sehnenbereichs entstehen können.
Anamnese/Klinik & Diagnostik: Die Diagnose kann problemlos klinisch gestellt werden. Die Patienten berichten über einen anterioren Knieschmerz, welcher meist bei Extrembewegungen bei Grundschlägen oder aber auch beim Abspringen für einen Smash auftreten. Treppengehen ist abwärts schmerzhafter als aufwärts. In der Untersuchung zeigt sich eine druckdolente, möglicherweise auch verdickte Patellarsehne proximal am Übergang in die Patella. Meist sind Triggerpunkte entlang des M. quadrizeps palpabel. Die Kniebeweglichkeit ist meist nicht eingeschränkt, die Schmerzen können durch Sprünge und Aufstehen aus der Hocke reproduziert werden. Die Diagnostik erfolgt prinzipiell klinisch. In fortgeschrittenen Stadien kann in der Sonographie eine verdickte Sehne mit Neovaskularisationen gesehen werden. Eine MRI-Untersuchung ist höchstens bei chronischen Verläufen zur Beurteilung und Quantifizierung der degenerativen Veränderungen durchzuführen.
Quadrizepstendinopathie
Dieses Krankheitsbild ist ähnlich dem Jumper’s Knee mit Reizungen der Quadrizepssehne am Übergang an die Patella. Diese Beschwerden treten eher in der Vorbereitungsphase beim Krafttraining der Extensoren mit schweren Gewichten, aber auch durch repetitive Sprünge auf. Im Tennis ist dieses Krankheitsbild eher selten anzutreffen, kann aber auch in Kombination mit dem Jumper’s Knee auftreten.
Anamnese/Klinik & Diagnostik: Druckdolenz über der Quadrizepssehneninsertion am Patellaoberpol, meist mit Triggerpunkten im M. quadrizeps und den Hüftflexoren. Schmerzen beim Absprung oder beim Aufstehen aus der Hocke. Bei länger bestehenden Beschwerden kann auch eine Atrophie des gleichseitigen M. quadrizeps, vor allem des M. vastus medialis imponieren [5]. Diagnostik klinisch, allenfalls Sonographie oder MRI.
Hoffaitis
Der Hoffa-Fettkörper (Corpus adiposum infrapatellare) liegt intrakapsulär, extrasynovial im Kniegelenk zwischen dem Condylus tibiae, Lig. patellae und dem unteren Rand der Patella. Innerhalb des Kniegelenkes ist der Fettkörper die Struktur mit der höchsten Nozizeption [6] und daher bei Reizung eine sehr schmerzhafte Erkrankung mit möglichen Funktionseinschränkungen.
Anamnese/Klinik & Diagnostik: Meist nach einer Knieverletzung auftretende Schmerzen anterior am Kniegelenk mit Verminderung des Bewegungsumfanges. Es können Reibgeräusche, aber auch Einklemmungsphänomene beschrieben werden. Schmerzhaft sind Aufstehen aus dem Sitzen, Treppensteigen, also jegliche Bewegungen, welche den Hoffa-Fettkörper komprimieren. Positiver Hoffa-Test (Abb. 1) Im Tennis sehe ich diese isoliert nach Überbeanspruchung, aber auch in Kombination mit einer anderen Überlastungsproblematik wie z. B. dem Jumper’s Knee. Die klinische Untersuchung mit Vergleich der gesunden Seite steht an erster Stelle. Allenfalls Sonographie oder MRI.
Runner’s Knee / Tractus iliotibialis Insertionstendinopathie
Das Läuferknie, auch Tractus iliotibialis Syndrom bezeichnet, ist eine chronisch-entzündliche Veränderung des Tractus iliotibialis an der Außenseite des Oberschenkels. Wie der Name schon sagt, tritt dieses Syndrom vor allem bei Langstreckenläufern auf. Bei Tennisspielern eher selten, kann aber in der Aufbauphase oder dem Grundlagentraining auftreten. Es entsteht durch eine vermehrte Reibung des Tractus iliotibialis am Epicondylus lateralis femoris. Dieser liegt bei Extension anterior des femoralen Epikondylus und bei zunehmender Flexion ab 30° liegt er dem lateralen Epicondylus an, was zu einer Drucksteigerung und möglicherweise zu Veränderung und Reizung des Tractus führt.
Anamnese/Klinik & Diagnostik: Belastungsabhängige Schmerzen an der Knieaußenseite mit Druckdolenz zwischen dem Epicondylus lateralis femoris und dem Kniegelenk [7]. Es tritt meist durch Intensivierung des Trainings auf [8]. Positiver Noble Test (Abb. 2). Triggerpunkte können im M. vastus lateralis, M. gluteus minimus, M. biceps femoris und M. tensor fasciae latae palpabel sein. Diagnostik klinisch. Allenfalls Sonographie oder MRI.
Bemerkung: Es gibt auch die Tractus iliotibialis Insertionstendinopathie, die dem Runner’s Knee sehr ähnlich ist. Die Lokalisation liegt aber an der Insertion des Tractus iliotibialis am Tuberculum Gerdy.
Pes anserinus superficialis Tendinopathie bzw Bursitis
Der Pes anserinus superficialis ist der gemeinsame Ansatz des M. semitendinosus, M. gracilis und M. sartorius an der anteromedialen Tibiafläche knapp unterhalb des Kniegelenkes. Im Ansatz wie auch im Verlauf der Sehnen kann sich eine Tendinopathie oder eine Bursitis entwickeln. Diese können einen starken medialen Knieschmerz auslösen [9]. Diese Überbelastung sehe ich bei Tennisspielern eher selten isoliert, meist ist eine andere Verletzung vorbestehend, so dass es vermutlich zu Ausweichbewegungen und Fehlbelastung kommt.
Anamnese/Klinik & Diagnostik: Belastungsabhängige Schmerzen und Schwellung an der anteromedialen Tibiafläche mit deutlicher Druckdolenz direkt am Ansatz und im Verlauf der Sehnen. Die Patienten klagen über Schmerzen beim Hoch- und Runtergehen. Oft sind positive Triggerpunkte entlang der medialen Hamstringsmuskulatur und des M. sartorius palpabel. In fortgeschrittenen Stadien ist die Knieflexion mit Innenrotation schmerzhaft. Diagnostik Klinisch. Allenfalls Sonographie. MRI zum Ausschluss anderer Ursachen.
Therapie
Es ist wichtig, frühzeitig einzugreifen, um den Schmerz nicht chronifizieren zu lassen. Es gibt eine große Auswahl an Therapieoptionen bei Überlastungsschäden (Abb. 3). An erster Stelle steht die Adressierung auslösender Faktoren und die symptomatische Akuttherapie mit Trainingsreduktion, Verzicht auf Wettkämpfe und lokal antiphlogistischen Maßnahmen. Von einer vollständigen Ruhigstellung wird aber abgeraten [10]. Es sollte sofort mit gezielter Physiotherapie begonnen werden, mit zusätzlich allenfalls interventionellen Maßnahmen. Gerade bei Tendinopathien habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht mit Stoßwellentherapie, regulationsmedizinischen Infiltrationen, Kinesiotaping und ACP. Zur Behandlung der Triggerpunkte sind manuelle Therapien wie auch das Dry Needling gute Optionen.
Fallbeispiel
28-jährige, semiprofessionelle Sportlerin, seit 4 – 5 Jahren Schmerzen subpatellär. Klinisch wie auch in der MRI-Untersuchung zeigt sich eine deutliche Ödembildung im Bereich der Patellarsehne im Sinne eines Jumper‘s Knee sowie eines Begleitödems im Hoffa Fettkörper (Abb. 4a). Insgesamt wurde einmalig eine ACP-Behandlung, achtmalig eine Stoßwellentherapie, sowie begleitend regelmäßig Physiotherapie durchgeführt. Nach 6 Monaten zeigt sich klinisch eine deutliche Besserung und im MRI eine Regredienz der Ödembildung im Ansatzbereich der Patellarsehne sowie im Hoffa Fettkörper (Abb. 4b).
Fazit
Beim Tennis ist das Kniegelenk großen Belastungen und einem hohen Risiko für chronische Überlastungsschäden ausgesetzt, was meist initial unterschätzt wird. Bei unklaren Schmerzen des Kniegelenkes ist immer an eine Tendinopathie /Bursitis/Hoffaitis zu denken. Da die Diagnose von Überlastungssyndromen problemlos klinisch gestellt werden kann, gehört zu jeder Knieuntersuchung die Palpation folgender Strukturen (Abb. 5):
So können heimtückische, oft übersehene Überlastungsschäden problemlos und meist ohne weitere Untersuchungen früh und klar diagnostiziert werden. Denn je später der Sportarzt aufgesucht wird, desto schlechter ist das Ergebnis der konservativen Therapie.
Literatur
[1] Renstrom A.F. (1995): Knee pain in tennis players. Clin. Sports Med. 14: 163 – 175
[2] C.A. Kühne. (2003): Verletzungen im Tennissport – Ätiologie und Verletzungsmechanismen. Schweizerische Zeitschrift für «Sportmedizin und Sporttraumatologie» 51 (2), 94 – 99
[3] Kibler W.B., Safran M.R. (2000): Musculoskeletal injuries in the young tennis player. Clin. Sports Med. 19: 781-792.
[4] Abrams GD, et al. (2012) Epidemiology of musculoskeletal injury in the tennis player. Br J Sports Med 492 – 8.
[5] Müller W. et al. Anatomie, Biomechanik und Dynamik des Patellofemoralgelenks, in: Das Patellofemorale Schmerzsyndrom, Wirth C. J., Rudert M. Hrsg., Steinkopff Verlag, Darmstadt, 2000, 3 – 18.
[6] Dye S. F., et al. Conscious Neurosensory Mapping of the Internal Structures of the Human Knee Without Intraarticular Anesthesia, The American Journal of Sports Medicine 26 (1998) 773 – 777.
[7] Lavine, R. (2010). Iliotibial Band Friction Syndrome. Current Reviews in Musculoskeletal Medicine, 3(1-4), 18 – 22.
[8] Fredericson, M., Guillet, M. & DeBenedictis, L. (2000c). Quick Solutions for Iliotibial Band Syndrome. The Physician and Sportsmedicine, 28(2), 52 – 68.
[9] Helfenstein, M Jr, et al. (2010). Anserine syndrome. Rev Bras Reumatol., 50(3):313 – 27.
[10] Engelhardt, et al. (2017). GOTS-Expertenmeeting. Muskel- und Sehnenverletzungen: konservative Therapie von Sehnenverletzungen. 155 – 167.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Traumatologie des Bewegungsapparates FMH, spez. Sportmedizin SGSM. Er ist stv. Leiter Sportmedizin am Zuger Kantonsspital in Baar und diplomierter Tennislehrer SPTA (Swiss Professional Tennis Association). Außerdem ist Dr. Leemann Teamarzt Swiss Fed Cup Team (Tennis) sowie Verbandsarzt Swiss Ski Freestyle Nationalmannschaft.