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    Therapie

    Sporttherapie bei Gonarthrose

    Keine Angst vor Sport - Eduaktion als wirksame Therapie der Kniearthrose
    Dr. med. Steffen BrandBy Dr. med. Steffen Brand5 Mins Read
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    © IMAGO Images / Sven Simon
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    Den geliebten Sport wegen Kniebeschwerden aufzugeben, bedeutet für viele Menschen einen massiven Verlust an Lebensqualität. Angst vor zunehmender Knorpelschädigung, Mobilitätsverlust und „früher Prothese“ führt Patienten mit Gonarthrose in die sportmedizinische Sprechstunde.

    Die Diagnose „Kniearthrose“ bedeutet jedoch kein pauschales Sportverbot. Entscheidend sind eine ehrliche Einordnung von Klinik und Bildgebung, realistische Ziele und Edukation im Sinne eines gemeinsamen Plans.

    Zwei Grundsätze leiten die Beratung:

    1. Symptome vs. Struktur: Beschwerden korrelieren häufig nicht mit der im MRT sichtbaren Knorpelschädigung. Manche laufen trotz deutlicher Befunde beschwerdearm, andere haben relevante Schmerzen bei unauffälliger Bildgebung.

    2. Training ist Therapie: Dosierter, progressiver Sport mit Fokus auf Kraft, Koordination und Belastungssteuerung ist die Basis. Medikamente, Injektionen und Orthesen ergänzen, ersetzen aber nicht die aktive Therapie.

    Das konservative Spektrum 

    Medikamentös Topische NSAR werden bei milden Reizzuständen eingesetzt, orale NSAR kurzzeitig und risikoadaptiert bei stärkerer Entzündungsreaktion.

    Infiltrationen Hyaluronsäureinjektionen (siehe hierzu auch Stellungnahme des BVOU zur Kritik an IGeL-Leistungen) finden regelmäßig ergänzend Anwendung bei persistierender Aktivitätssymptomatik trotz adäquater aktiver Belastunsanpassung; Ziel ist Symptomreduktion, nicht Strukturheilung. PRP kommen in ausgewählten Fällen zur Anwendung, wenn Patienten eine biologische Option wünschen und die Erwartungen realistisch sind. Kortikosteroide bleiben eine kurzfristige Option bei ausgeprägter Synovitis / Erguss.

    Orthopädietechnik Entlastende Kniegelenksorthesen bei unikompartimenteller Symptomatik bzw Einlagen zur Achs- und Belastungssteuerung sind für viele hilfreich, aber es kommt nicht jeder damit zurecht.

    Physio / physikalisch elementarer Bestandteil durch Progressive Kräftigung (Quadrizeps / Gluteus / Waden), neuromuskuläre Übungen, Beweglichkeitstraining; Kälte / Kompression in der Reizphase; Kinesiotape situativ.

    Lebensstil Gewichtsmanagement ist ein zentrales Schlüsselelement – vor allem über die Energiebilanz der Ernährung, inklusive reduzierter Kalorienzufuhr am Abend. Ergänzend können ausgewählte Lebensmittel antientzündliche Effekte haben.

    Befund statt Befundtext: differenziert untersuchen 

    Am Anfang steht eine präzise Anamnese: Bei welcher Bewegung, Geschwindigkeit oder Distanz treten Beschwerden auf? Halten sie > 24 – 48 h an? Wie häufig kommt es zu Ergussbildung? Die klinische Untersuchung umfasst Achse, Gangbild, Muskelstatus, Koordination (Single-Leg-Kontrolle), Step-down sowie angrenzende Gelenke und die Wirbelsäule – nicht selten steckt hinter Waden- oder Kniekehlenschmerz eine (funktionelle) Ischiasreizung, die mit Rumpf- und Hüftstabilität adressierbar ist. Die Bildgebung (MRT / Röntgen / Ultraschall) ergänzt die klinischen Befunde. Ausdehnung und Lokalisation des Knorpelschadens, Meniskus- / Bandveränderungen, Knochenmarksödem, Zysten. Entscheidend ist die Interpretation der Befunde mit Blick auf die Beschwerden und die gewünschte Sportart, nicht der Befund an sich. Selbst eine fortgeschrittene patellofemorale Arthrose kann bei Läufern völlig asymptomatisch bleiben – ein Sportverbot wäre hier nicht gerechtfertigt. Die häufigste Verunsicherung entsteht durch die Überinterpretation von MRT-Befunden.

    Edukation als Therapie: der gemeinsame Plan

    Die Sorgen der Sportler vor einer schnellen Progression der Knorpelschädigung und körperlichen Einschränkung sind in den meisten Fällen unbegründet und müssen genommen werden. Im Fokus steht der Erhalt der Lebensqualität durch Sport und Bewegung und Verbesserung der Beschwerdesymptomatik. Ziel ist es, einen gemeinsamen Plan zu entwickeln, der die sportlichen Ziele respektiert aber auch realistische Grenzen aufzeigt. Folgendes Vorgehen hat sich bewährt:

    • Bei Beschwerden im Alltag erfolgt die leitliniengerechte Arthrosetherapie, wobei auch hier die Belastungsreduktion und der Muskelaufbau im Vordergrund stehen, entzündungshemmende Medikamente oder auch Infiltration nur bei einer aktivierten Arthrose zur Anwendung kommen. 
    • Die realistische Zielsetzung, welcher Sport, in welcher Intensität betrieben werden kann, wird in Hinblick auf die zu erwartende Gelenkbelastung abgeglichen. High impact Sportarten, extremer Ausdauersport und Kraftsport bleiben aber meist problematisch.
    • Die Modifikation des Trainings hinsichtlich Umfang, Intensität, Technik und Schuhwerk wird erörtert und supportive Maßnahmen wie Beinachsentraining, dosiertes Krafttraining am liebsten mit Balancepad und elastischen Bändern (Abb. 1) sowie die Verlagerung von Ausdauertraining auf Gelenk schonende Sport­arten wie Rad oder Aqua Jogging aufgezeigt. 

    Ein Wechsel der Sportart auf Low impact Sport wie Rennrad, Mountainbike, Aqua Jogging, Schwimmen wird empfohlen, wenn keine ausreichende Schmerz­reduktion in der gewünschten Sportart erreicht werden kann.

    Abb. 1 Dosiertes Krafttraining mit Balancepad und elastischen Bändern

    Trainings- und Belastungsmanagement

    Aus der Literatur ergibt sich keine eindeutige Empfehlung für eine spezifische Trainingsform und so sollte das Training komplex sein.

    • Krafttraining:  primär Quadrizeps (auch isometrisch / isokinetisch), Gluteus, Waden
    • Neuromotorik / Beinachse: Single-leg-­Drills, Step-down-Kontrolle, Balance-Pad; Ziel ist saubere Gelenkökonomie bei Alltag und Sport.
    • Ausdauer low-impact: Ergometer /Rennrad, Schwimmen, Aqua-Jogging; Impact später dosiert erhöhen.

    Sportartspezifisch

    • Laufen (Freizeit): Häufig gut verträglich mit Technikarbeit, Intervallen, Untergrundwechsel; Umfang langsam steigern.
    • Pivot- / Kontaktsport: Freigabe bei stabiler Beinachse, gutem Kraftniveau und Präventionsprogramm (z. B. FIFA 11+); bei signifikanter Vorverletzung konservativere Dosis.
    • Krafttraining: Moderat-progressiv (keine Dogmen zu „tiefen“ Kniebeugen; entscheidend sind Technik, Tempo, Gesamtlast).

    Belastungssteigerung

    • kein Mehrschmerz oder Gelenkerguss erlaubt moderate Belastungssteigerung
    • Nachlaufschmerz keine Belastungssteigerung, ggf. Verlagerung in schmerzfreie Trainingsformen
    • Zunehmende Beschwerden und Ergussbildung erfordern Trainings­reduktion

    Regeneration

    • Passive und aktive Regeneration gehört zum Leistungssporttraining genauso wie in den Freizeitsport

    Flare-Management – pragmatisch

    Während des Trainings und Sports vari­iert die Beschwerdesymptomatik zwischen schmerzarmen und schmerzhaften Intervallen, worauf individuell reagiert werden muss. Ohne Erguss: Impact für 48 – 72 h reduzieren, Rad / Aqua als Ersatz, topisches NSAR, Kompression/Kälte; danach schrittweiser Belastungssteigerung. Mit Erguss: therapiebedürftige Schäden sollten ausgeschlossen werden, NSAR als Entzündungshemmer und ggf. einmalige Kortisoninjektionen beruhigen häufig die Akutsitu­ation. Bei geringem Gelenkerguss können Hya­luronsäureinjektionen ebenfalls aufgrund der moderaten entzündungshemmenden Wirkung eingesetzt werden. Ein reizfreies Gelenk kann wieder trainiert werden. 

    Fazit

    Sporttherapie bei Gonarthrose gelingt, wenn die Patienten geführt werden. Die Sorge vor erhebliche Aggravation der Arthrose durch Sport können wir nach aktuellem Wissenstand nehmen. Es geht um Belastungssteuerung und nicht um Sportverzicht. Dabei erhält die Bildgebung nur eine unterstützende Bedeutung. Entscheidend ist Flexibilität im Training mit realistischen Erwartungen. Wer das verinnerlicht, bleibt länger fit und häufig mit geringeren Beschwerden.

    Literatur

    1. AWMF S3-Leitlinie: Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Prävention und Therapie der Gonarthrose (S3), Leitliniennummer 187-050. Version 5.0, 05/2025. AWMF-Leitlinienregister.
    2. NICE NG226: National Institute for Health and Care Excellence. Osteoarthritis in over 16s: diagnosis and management (NG226). 10/2022.
    3. OARSI-Guideline: Bannuru RR, Osani MC, Vaysbrot EE, et al. OARSI guidelines for the non-surgical management of knee, hip, and polyarticular osteoarthritis. Osteoarthritis Cartilage. 2019.
    4. AAOS CPG (Non-Arthroplasty): American Academy of Orthopaedic Surgeons. Management of Osteoarthritis of the Knee (Non-Arthroplasty), 3rd ed. 08/2021.

    Autoren

    Dr. med. Steffen Brand

    ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Chirotherapie. Seit 2002 niedergelassen in der Gemeinschaftspraxis für Orthopädie und Unfallchirurgie, Lüneburg. Früherer Olympiateilnehmer 1992 und 1996 über 3000m Hindernis, langjähriger Verbandsarzt des Deutschen Leichtathletik Verbandes und Trainer der LG Lüneburg.

    04/25
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