Nach guten Resultaten einer Phase I („first-in-human“) und Phase II multizentrischen Studie, mit mehr als 100 Patienten mit fokalen Knorpeldefekten, wird jetzt im Rahmen einer klinischen Studie untersucht, ob auch leichte oder sogar fortgeschrittene patellofemorale Knorpelschäden und Patellofemoralarthrose (PFOA) mit gezüchtetem Nasenknorpel behandelt werden können.
Seit mehreren Jahrzehnten wird intensiv an regenerativen Behandlungsmöglichkeiten für Knorpelschäden geforscht, um einen künstlichen Gelenkersatz zu vermeiden oder zumindest zu verzögern. Die konventionelle autologe Chondrozytenimplantation (ACI) mit körpereigenen Gelenkknorpelzellen hat trotz guten Erfolgen bei isolierten Knorpelschäden wesentliche Limitationen bezüglich der Anwendung bei Arthrose und wird bei Patienten über 55 Jahren nicht empfohlen. Andere regenerative Therapiemöglichkeiten (wie z. B. mesenchymale Stromazellen aus Fettgewebe), zeigen zwar eine vorübergehende Linderung der Symptome, jedoch keine signifikante Wirkung bezüglich einer Knorpelregeneration.
Nasenknorpelzellen
Am Departement Biomedizin Basel (DBM) arbeiten Forscher der Universität Basel und Kliniker des Universitätsspitals Basel Hand-in-Hand (unter der Leitung von Prof. Ivan Martin und PD Dr. Marcus Mumme). Die regenerativen und adaptiven Fähigkeiten der Nasenknorpelzellen werden hier seit ca. 25 Jahren erforscht. Nasenknorpelzellen bilden unabhängig vom Alter des Spenders gutes Knorpelgewebe und passen sich an die gelenkspezifische Umgebung, z. B. die Belastungen an. Außerdem können sie besser als Gewebe aus Gelenkknorpelzellen dem inflammatorisches Milieu widerstehen und zeigen auch anti-inflammatorische Eigenschaften. Gezüchteter körpereigener Nasenknorpel (N-TEC, „Nasal chondrocyte Tissue Engineered Cartilage“) wurde nach langer präklinischer Forschungszeit 2012 erstmal bei Patienten mit isolierten Knorpeldefekten angewendet (Mumme et al., 2016, The Lancet). Die im Rahmen dieser Studie operierten Patienten zeigten eine gute klinische Verbesserung bis zu fünf Jahren postoperativ. Radiologisch wurde knorpelproteinreiches Reparaturgewebe nachgewiesen, was für die Funktion des Knorpels wichtig ist. Basierend auf den Ergebnissen wurde eine internationale Phase II Studie initiiert mit 93 Patienten mit fokalen Knorpelschäden. Der Großteil der Patienten konnte von der Therapie profitieren. Die vollständigen Ergebnisse der Phase II Studie sind zur Publikation eingereicht.
Die Ergebnisse dieser Studien führten zu einer befristeten Bewilligung in der Schweiz, bei der erstmals auch Patienten mit isolierter patellofemoraler Arthrose mit dieser Technik behandelt wurden. Vorläufige Ergebnisse waren vielversprechend und führten zur Planung einer Phase II Studie für PFOA, bei der die Effektivität der Therapie im Vergleich zu Standardbehandlungen untersucht werden soll. Die Einschlusskriterien für diese klinische Studie umfassen nicht nur tiefgehende fokale patellofemorale Knorpelschäden und bipolare Läsionen (sowohl an der Patella als auch an der Trochlea) sondern auch leichte- oder fortgeschrittene Arthrose. Aktuell sind tibiofemorale Knorpelschäden und mediale / laterale Arthrosen Ausschlusskriterien. Insgesamt werden in der randomisierten, kontrollierten klinischen Studie 150 Patienten zwischen 18 – 70 Jahren eingeschlossen und gegen Standardtherapien randomisiert.
Die internationale Forschungsgruppe dieses Projektes besteht aus dem Studienmanagement im Universitätsspital Basel (Sponsor, PD Dr. Marcus Mumme, Prof. Ivan Martin, https://biomedizin.unibas.ch/en/research/research-groups/martin-lab/knorpelregeneration) und weiteren zehn Behandlungszentren in acht europäischen Ländern (Deutschland, Schweiz, Italien, Kroatien, Polen, Österreich, Niederlande & Schweden). In Deutschland können Patienten in der Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, Lehrstuhl für Orthopädie der Universität Würzburg (Dr. Stephan Reppenhagen) und im Evangelisches Waldkrankenhaus Spandau in Berlin (Prof. Dr. Ulrich Nöth) teilnehmen. In der Schweiz rekrutieren wir in Basel und Zürich sowie in Österreich im Orthopädisches Spital Speising in Wien (Prof. Dr. med. Christian Albrecht). Die Knorpelimplantate werden am Departement Biomedizin (Universität Basel und Universitätsspital Basel) sowie am Universitätsklinikum Würzburg hergestellt. Das Projekt mit dem Namen „ENCANTO“ wird von der Europäischen Union im Rahmen des Horizon Europe Programms finanziert.
SportClinic Zurich (CH) – PD Dr. Marcus Mumme, mmumme@sportclinic.ch
UniversitätsSpital Basel (CH) – Dr. Gyözö Lehoczky, gyoezoe.lehoczky@unibas.ch
Orthopädische Klinik König-Ludwig-Haus, Lehrstuhl für Orthopädie der Universität Würzburg – Dr. Stephan Reppenhagen, s-reppenhagen.klh@uni-wuerzburg.de
Evangelisches Wald-Krankenhaus Spandau, Berlin (D) – Prof. Dr. Ulrich Nöth, ulrich.noeth@jsd.de
Orthopädisches Spital Speising, Wien (A) – Prof. Dr. med. Christian Albrecht, christian.albrecht@oss.at
Das Project ENCANTO (ENgineered CArtilage from Nose for the Treatment of Osteoarthritis) wird von der Europäischen Union im Programm HORIZON-HLTH-2023-TOOL-05 #101137315 gefördert.
Autoren
studierte Biomedizinische Technik an der Universität von Genua. Er ist Leiter der Forschungsgruppe Tissue Engineering, Direktor des Departement Biomedizin, Universität Basel und Universitätsspital Basel.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Er leitet die regenerativen Knorpelprojekte an der Universität Basel von ärztlicher Seite und arbeitet an der Sportclinic Zürich als Kniespezialist.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin. Er ist leitender Arzt Schwerpunkt Sportorthopädie und Arthroskopische Operationen an der Orthopädische Klinik KönigLudwig-Haus, Lehrstuhl für Orthopädie der Universität Würzburg.