Wer kennt es nicht? Physiotherapie, Athletik-, Training-, Stabi-Übungen und trotzdem gibt es Rezidive, weitere Verletzungen und das Belastungsoptimum bleibt hinten dran. Die neuromuskuläre Ansteuerung und die Reizweiterleitung an die willkürliche Motorik sind einer Hürde ausgesetzt.
Die Hürde heißt: Autonomes Nervensystem, insbesondere Sympathikus. Die genaue Bedeutung dieses Nervensystems zeigt sich in klinischen wiederholbaren Beobachtungen und literarischen Daten. So zeigten die Anatomen Gegenbauer, Boeke und Sagemehl sowie Erlanger und Gasser schon früh eine Verbindung zwischen dem sympathische Nervensystem und der quergestreiften Muskulatur. Ebenso zeigten sie, dass der Sympathikus auch mit spezifischen Spinalnerven in Verbindung steht [1 – 4]. So wurde herausgefunden, dass der Sympathikus mit den Spinalnerven in Verbindung steht, die im dorsalen Längsstammbereich des Rückenmarks entspringen und die Extensoren sowie die laterale Muskulatur innervieren. Jedoch konnte kein enger Kontakt zwischen dem Sympathikus und im ventralen Längsstammbereichs des Rückenmark entspringenden Nerven, die die Flexoren innervieren, gefunden werden. Aktuelle Studien, inkl. jahrelanger klinischer wiederholbarer Beobachtungen in der Praxis, konnten diese Verbindung unabhängig voneinander bestätigen [5, 6]. Weitere Studien zeigen den Zusammenhang und Einfluss des sympathischen Nervensystems auf neurogene Entzündungen [7, 8]. Der Sympathikus ist bei Überreizung in der Lage, diese neurogenen Entzündungen auszulösen und kann gleichzeitig von ihnen aktiviert werden. Kommt es nun zu solch einer neurogenen Entzündung und damit zu Schmerzen (inkl. unbewusste) an einem Spinalnerv des dorsalen Längsstammbereichs, sind neuromuskuläre Störungen nicht auszuschließen.
Bedeutung des Einflusses des Sympathikus
Die Tatsache, dass der Sympathikus Einfluss auf die Muskulatur hat, wird in aktuellen Studien bestätigt. Diese zeigen eine deutliche Ansteuerung der quergestreiften Muskulatur [4 – 6]. Diese Ansteuerung erzeugt jedoch weniger eine gezielte Kontraktion, sondern vielmehr eine unkontrollierbare reaktive Schutzkontraktion, die in der Lage ist, den Tonus der Muskulatur und des Gewebes zu erhöhen oder eine reine Kontraktion einer Muskelgruppe auszulösen. In den klinischen Beobachtungen zeigt sich, dass die Schutzkontraktion für ein Gelenk und die neurogenen Entzündungen am Nervenende nicht nur eine Tonuserhöhung, sondern auch eine Einflussnahme und Störung auf die willkürliche Ansteuerung / Reizweiterleitung haben. Diese Störung der Muskelansteuerung sorgt für eine weitere Koordinationsstörung der Agonisten und Antagonisten. Deutlicher gesagt: Durch den Einfluss des Sympathikus auf die peripheren Nerven des dorsalen Längsstamms, ist er in der Lage, die Extensoren im Tonus so zu erhöhen, dass es zu einer Blockade der Flexoren kommt und das Gelenk unbeweglich wird.
Ursache für die Störung
Es gibt verschiedene Ursachen, die den Sympathikus aktivieren und eine neuromuskuläre Ansteuerungsstörung hervorrufen. Während der Entwicklung der SRP-Therapie® zeigte sich, dass unbewusste Schmerzen und neurogene Entzündungen die Hauptproblematik der muskulären Ansteuerungsstörung sind, aber nicht die Hauptursache. Sie sind in der Lage, die Entzündungen weiter zu aktivieren, sind aber selbst nur eine Folge der Hauptursache. Die Beobachtung für die hauptsächliche Reizung der Nerven war der massive Einfluss minimaler Gelenkdepositionierungen, die nicht immer deutlich sichtbar sind. Denn diese sind in der Lage, das Schutzsystem (Sympathikus) zu aktivieren und dadurch die Koordinationsstörung und die dauerhafte Reizung der Nerven und des Gewebes um das Gelenk herum auszulösen, wodurch es wiederum zu unbewussten Schmerzen kommt, die die neurogenen Entzündungen weiter aktivieren.
Der Beginn des muskulären Kreislaufs im Sport genauer betrachtet
Durch einen Check oder Unfall kommt es zu minimalen Gelenkdepositionierungen, die zum Schutz des Überlebens gesichert werden müssen. Diese Sicherung erfolgt, wie oben erwähnt, über die sympathischen Fasern. Der akute Schutztonus verschwindet nach einiger Zeit und alle beteiligten Parteien sind der Meinung, dass es keine weiteren Probleme gibt. Die Muskulatur oder der muskuläre Ersatz für die Bewegung kann sichtlich wieder angesteuert werden. Eine volle reaktive Kraftausnutzung wird selten überprüft. Somit geht man von keinen weiteren Problemen aus. Kommt es jedoch nicht zu einer kompletten Wiederherstellung, entstehen die oben erwähnten neurogene Entzündungen, die weitere unbewusste Schmerzen produzieren. Beides aktiviert wiederum das sympathische Nervensystem und es kommt zu einer Störung der Muskelansteuerung sowie zu einer verminderten reaktiven Kraftumsetzung. Was dann für neue Beschwerden, Verletzungen und Rezidive sorgt.
Therapie
Eine vorläufige und manchmal ausreichende Therapie zeigt sich in der Senkung der neurogenen Entzündungen durch Stoßwellentherapie und entzündungshemmende Ernährung, die vor allem die IL-1α und IL-1β Interleukine hemmt [9]. Eine Senkung des Sympathikus und eine Verbesserung der neuromuskulären Ansteuerung kann jedoch nur nachhaltig erfolgen, wenn der gesamte Zusammenhang des sympathischen Nervensystems mit seinen nervalen Verflechtungen und den Gelenkdepositionierungen in Betracht gezogen wird. Auch sind aktiv-assistive Übungen für die Wiederherstellung der Koordination unumgänglich. Durch die geführten funktionellen Bewegungen lernt der Körper die minimale Koordination und vor allem die Tatsache, dass sich das Gelenk wieder schmerzfrei bewegen lässt. Solange eine Zahnradbewegung (stockende Bewegung), Kraftverlust oder Ausweichbewegungen, palpatorische Schmerzen an den Nervenenden zu finden sind, bestehen neurogene Entzündungen an den peripheren Nerven des dorsalen Längsstamms und beeinflussen den Sympathikus mit allen seinen negativen Auswirkungen.
Literatur
[1] Gegenbauer C. Vergleichende Anatomie der Wirbelthiere mit Berücksichtigung der Wirbellosen. Band 1. Leipzig: Wilhelm Engelmann; 1898
[2] Erlanger und Gasser. Electrical Signs of Nervous Activity. The Eldridge Reeves Johnson Foundation Lectures. Philadelphia, University of Pennsylvania Press; 1937
[3] Sagemehl, Max. Untersuchungen über die Entwicklung der Spinalnerven. Inaugral- Dissertation. Dorpat: Mattiesen: 1882: 19, 34, 40
[4] Boeke J. Die periphere Endausbreitung des sympathischen Systems. Halle: Buchdruckerei des Waisenhauses GmbH; 1935: 253, 237, 252
[5] Rodrigues A CZ, Maria L Messi M L, Zhong-Min Wang, et.al. The sympathetic nervous system regulates skeletal muscle motor innervation and acetylcholine receptor stability. 2019 Mar;225(3):e13195. doi: 10.1111/apha.13195. Epub 2018 Oct 22; PMID: 30269419 PMCID: PMC7224611
[6] Bukharaeva E, Khuzakhmetova V, Dmitrieva S, Tsentsevitsky A. Adrenoceptors Modulate Cholinergic Synaptic Transmission at the Neuromuscular Junction. PMID: 33924758 PMCID: PMC8124642 DOI: 10.3390/ijms22094611; 2021 Apr 28;22(9):4611. doi: 10.3390/ijms22094611.
[7] Ru-Rong Ji, Nackley A, Yul Huh, et.al. Neuroinflammation and Central Sensitization in Chronic and Widespread Pain. PMID: 29462012 PMCID: PMC6051899 DOI: 10.1097/ALN.0000000000002130; Anesthesiology. 2018 Aug;129(2):343-366. doi: 10.1097/ALN.0000000000002130.
[8] Georg Pongratz, Rainer H Straub; The sympathetic nervous response in inflammation; PMID: 25789375 PMCID: PMC4396833 DOI: 10.1186/s13075-014-0504-2; 2014;16(6):504.
[9] Gammoh NZ, Rink L; Zinc in Infection and Inflammation; Nutrients 2017, 9(6), 624; https://doi.org/10.3390/nu9060624; Received: 29 April 2017 / Revised: 9 June 2017 / Accepted: 11 June 2017 / Published: 17 June 2017 Institute of Immunology, Faculty of Medicine, RWTH Aachen University
Autoren
ist Physiotherapeutin mit eigener Privatpraxis in Neuffen und beschäftigt sich seit 2009 mit dem autonomen Nervensystem. Seit 2010 leitet sie die Massageabteilung der IRONMAN EM in Frankfurt. Zusätzlich die IRONMAN EM in HH (seit 2017), IRONMAN Luxembourg (seit 2018) und sämtliche IRONMAN Rennen in Deutschland sowie die WTS in HH (seit 2022).