Neuste Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung liefern Erklärungsansätze, warum Glukokortikoide bei Entzündungen zwar zu Beginn, nicht jedoch im späteren Verlauf der Auflösungs- und Regenerationsphase wirksam sind.
Viele muskuloskelettale Erkrankungen, vom schmerzenden Knie bis hin zum Tennisellenbogen, haben oft eine entzündliche Komponente. Schwellungen und Schmerzen sind hierbei typische Kardinalsymptome [1]. Neben nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR) gehören Kortisonpräparate mit Wirkstoffen wie Prednisolon oder Dexamethason zu den häufig angewandten entzündungshemmenden Medikamenten.
Die therapeutische Wirksamkeit dieser Glukokortikoide ist zeitlich oft limitiert – oder sie zeigen schwerwiegende Nebenwirkungen, darunter Osteoporose, Stoffwechselstörungen und eine erhöhte Infektanfälligkeit [2]. Insbesondere versagt die Langzeittherapie mit Kortikoiden bei chronischen muskuloskelettalen Erkrankungen und verzögert die Regeneration der betroffenen Gewebe und Gelenke. So zeigen zahlreiche klinische Studien zu Tendinopathien gute Wirksamkeit von Glukokortikoid-Injektionen im akuten und frühen Stadium, wohingegen sich die Vorteile nach der 6. Woche bei Patienten mit Tennisarm paradoxerweise umkehren und es danach zu höheren Rezidivraten kommt [3, 4]. Dies deutet darauf hin, dass Glukokortikoide das Abklingen der Entzündung hinauszögern oder behindern. Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Rao et al. zur Wirkung von Glukokortikoiden auf den Lipidmediatorstoffwechsel [5] entschlüsselte nun neuartige molekulare Wirkmechanismen von Kortisonpräparaten. Diese neuen Ergebnisse helfen, die zu Therapiebeginn positiven Wirkungen, aber auch mögliche später auftretende Therapieprobleme durch Glukokortikoidtherapie besser zu verstehen und die zugrundliegenden Behandlungen gegebenenfalls zu optimieren.
Entzündungsreaktion verstehen
Im Verlauf einer Entzündungsreaktion treten zu Beginn typischerweise vermehrt entzündungsfördernde Immunzellen wie neutrophile Granulozyten, Monozyten und proinflammatorische Makrophagen vom M1-Typ auf. Während der Entzündungsauflösung (auch Inflammation Resolution genannt) dominieren dagegen vermehrt Makrophagen mit anti-inflammatorischen und Geweberegenerierenden Eigenschaften, so genannte Makrophagen vom M2-Typ [6]. Die verschiedenen Immunzellen produzieren zahlreiche Mediatoren, die den Verlauf der Entzündung maßgeblich beeinflussen. Neben Zytokinen und vasoaktiven Aminen spielen vor allem die aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren gebildeten Lipidmediatoren eine entscheidende Rolle für den Entzündungsverlauf. Etwas vereinfacht kann man diese Lipidmediatoren in zwei Gruppen unterteilen: a) die pro-inflammatorischen von den Cyclooxygenasen abgeleiteten Prostaglandine und die von der 5-Lipoxygenase (LOX) gebildeten Leukotriene, die jeweils vorzugsweise von M1-Makrophagen produziert werden. Sowie b) die anti-inflammatorischen, insbesondere von der 15-LOX-1 und -2 gebildeten Resolvine (auch specialized pro-resolving mediators, SPM, genannt), die üblicherweise vermehrt von M2-Makrophagen freigesetzt werden [7, 8]. Dabei fördern Prostaglandine und Leukotriene in der Akutphase der Entzündung typischerweise das Eindringen weiterer Immunzellen in das Gewebe. Die Resolvine dagegen können das Abklingen der Entzündung beschleunigen, indem sie beispielsweise die weitere Rekrutierung von Immunzellen drosseln, deren Apoptose begünstigen sowie Aufräumarbeiten (Phagozytose- und Efferozytoseprozesse) und Geweberegeneration anregen [9, 10].
Der Hauptbefund der o.g. Studie von Rao et al. [5] ist nun, dass Glukokortikoide einen stark regulierenden Einfluss auf die beiden 15-LOX-1/2-Isoformen haben, welche, wie bereits erwähnt, wesentlich an der Bildung der entzündungsauflösenden Resolvine beteiligt sind. Die neuen Erkenntnisse zeigen, dass Glukokortikoide die 15-LOX-2-Isoform in entzündungsfördernden Monozyten und M1-Makrophagen der frühen Entzündungsphase drastisch hochregulieren. Damit verschiebt sich in diesen Zellen das gesamte Lipidmediatorspektrum weg von pro-inflammatorischen Prostaglandinen und Leukotrienen hin zu den anti-inflammatorischen Resolvinen, was die Entzündung drosseln kann. Dieser Effekt dürfte wesentlich zu den bekannten positiven Effekten der Glukokortikoide in der Akutphase der Entzündung beitragen. Parallel durchgeführte Untersuchungen an Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen und schwerer COVID19 bestätigten die gesteigerte Expression der 15-LOX-2-Isoform in Monozyten von Glukokortikoid behandelten Patienten.
Rückgang der Resolvinfreisetzung – Verzögerung der Ausheilung
Allerdings zeigte die Studie auch, dass Glukokortikoidbehandlung die üblicherweise starke Expression der 15-LOX-1 in den später auftretenden entzündungsauflösenden M2-Makrophagen quasi abschaltet. Da diese 15-LOX-1-Isoform essenziell für die Resolvinbildung in M2-Makrophagen ist, führt die Glukokortikoid-vermittele Erniedrigung dieses Enzyms konsequenterweise zu einem Rückgang der Resolvinfreisetzung aus solchen Zellen. Weil aber Resolvine wiederum wichtig für die Auflösung der Entzündung und Gewebereparatur und -regeneration sind, kann diese verminderte Resolvinbildung in den M2-Makrophagen zu einer Verzögerung der Ausheilung führen. Das impliziert letztendlich, dass Glukokortikoidtherapie die Entzündungsauflösung und die Regeneration des Gewebes negativ beinflussen kann und die verminderte Resolvinproduktion möglicherweise eine Ursache der bekannten Kortison-Nebenwirkungen darstellt.
Fazit
Zusammenfassend enthüllen die Studienergebnisse entscheidende zelluläre und molekulare Mechanismen, die erklären, warum die Anwendung von Glukokortikoiden in der frühen Phase entzündlicher Erkrankungen oft sehr erfolgreich, später jedoch eher kontraproduktiv ist. Damit lässt sich beispielsweise begründen, weshalb Glukokortikoid-Injektionen beim Tennisellenbogen zunächst gut wirksam sind, im weiteren Verlauf jedoch zu einem erhöhten Wiederauftreten der Beschwerden führen können [3, 4]. Die Ergebnisse der Studie ermöglichen also, die Therapie entzündlicher Erkrankungen durch zeitlich limitierten Einsatz von Glukokortikoiden zu verbessern oder gar neue 15-LOX-basierte Therapieprinzipien, ohne typische Kortikoid-bedingte Nebenwirkungen, abzuleiten.
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Autoren
leitet den Lehrstuhl für Pharmazeutische Medizinische Chemie am Institut für Pharmazie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Er erforscht die Grundlagen der Entzündungsregulation und sucht nach neuen pharmakologischen Strategien und Wirkstoffen zur Intervention mit entzündlichen Erkrankungen.
ist Habilitand in der AG von Prof. Werz und war maßgeblich an der Leitung der Studie von Rao. et al zu Glukokortikoiden beteiligt.