Rückenschmerzen sind sowohl im Breiten- und Leistungssport als auch in der Normalbevölkerung verbreitet und greifen zunehmend in die Lebensqualität der Betroffenen ein. Eine interdisziplinäre Therapie kombiniert oft die Einnahme von Schmerzmitteln mit Physiotherapie oder auch lokalen Injektionen und wird teilweise durch Akupunktur oder auch z. B. Kinesiotaping ergänzt.
Eine sinnvolle Erweiterung der Therapie kann die osteopathische Medizin darstellen. Sie stellt ein eigenständiges manuelles Diagnose- und Therapiekonzept dar, das den salutogenetischen Ansatz verfolgt [1]. In deren Verständnis hindern Funktionsstörungen den Körper daran, in einen optimierten Zustand der Selbstregulation zu kommen. Die Ressourcen des eigenen Körpers werden von den Therapeuten durch verschiedene Techniken aktiviert, um die Gesundheit zu erhalten oder einen positiven Einfluss auf die Behandlung einer Krankheit zu erhalten [1]. Dieser Aspekt macht die osteopathische Medizin, sowohl in der Prävention als auch in der Therapie, interessant. Der Praxisalltag zeigt, dass Rückenschmerzen oft langwierig sind. Akute Beschwerden können sich leicht chronifizieren und sind nicht immer einfach therapierbar. Oftmals sind einfache Blockaden im Bereich der Wirbelsäule, der Costovertebralgelenke oder auch im ISG-Gelenk die Ursache für akute Beschwerden der Patienten und die alleinige Verschreibung von nicht-steroidalen Antirheumatika nicht zielführend. Eine ganzheitliche Betrachtungsweise der Schmerzursache kann dazu führen, dass die Patienten schneller beschwerdegelindert sind und somit nach kürzerer Zeit wieder in ihren Alltag können, bzw. ihrem Sport nachgehen können. Folgender klinischer Fall zeigt die Erweiterung der konservativen Therapie durch die osteopathische Medizin.
Fallbeispiel
Ein 48-jähriger Patient leidet seit sechs Monaten an chronischen thorakalen Rückenschmerzen mit Ausstrahlung in die rechte Schulter nach einer BWK4- Deckplattenkompressionsfraktur, die er sich bei einem Mountainbikesturz zugezogen hatte. Die Fraktur wurde zunächst konservativ mit Schmerzmitteln nach WHO-Schema behandelt. Nach sechs Wochen konnte er bei stabiler Knochensituation und erfolgter MRT-Kontrolle mit Physiotherapie beginnen und wieder eingeschränkt in den beruflichen Alltag eingegliedert werden. Stoß- und Sprungbelastungen wurden für zwölf Wochen gemieden. Nach sechs Monaten plagten ihn immer noch anhaltende, mittlerweile chronische Rückenschmerzen, die zudem nun in die rechte Schulter ausstrahlten. Ein sensomotorisches Defizit wurde verneint. Er hatte einen hohen Leidensdruck, nachdem er selbst im normalen Alltag Schmerzen auf einer visuellen Analogskala von 7/10 angab und seiner Leidenschaft – dem Radfahren – nicht mehr nachgehen konnte. Wegen unerwünschter Nebenwirkungen hatte der Patient seine Schmerzmedikation mit Ibuprofen und Tilidin retard bereits nach drei Monaten beendet.
Klinische Untersuchung & Therapie
Die klinische Untersuchung erfolgte nach osteopathischen Gesichtspunkten. Es zeigte sich ein großer, schlanker und durchtrainierter Mann mit verstärkter Kyphose im oberen BWS-Bereich. Bei aktiver Flexion, Extension und Seitneigung der Wirbelsäule zeigte sich eine verminderte Mobilität im Frakturbereich. Im Oszillationstest zeigte sich auf Höhe Th 6 – 9 eine Gruppenläsion, die auf eine mögliche Funktionsstörung im Oberbauch hinwies. Die viszerale Komponente zeigte sich ebenfalls im viszeralen Schnelltest mit Auffälligkeiten im rechten Oberbauch. Bei der genaueren Untersuchung des Abdomens war eine Druckdolenz im Bereich der Leber, vor allem bei Inspiration, spürbar. Der viszeromotorische Bezug zeigte sich ebenfalls bei einem positiven Inhibitionstest der Leber bei der Kopfrotation. Des Weiteren wurde eine monolithische Blockade auf Höhe Th 4 gefunden. Im Röhrentest war die rechte Röhre auffällig und die Mobilität der Rippen war rechts insgesamt eher eingeschränkt, der Vorlauftest der 1. Rippe war aber unauffällig. Es zeigte sich ein Diaphragmahochstand. Aufgrund der Innervation des Diaphragmas und der Leberkapsel erfolgte die weitere Untersuchung der Halswirbelsäule, in der sich eine monolythische Blockade auf C 3 zeigte. Faszial war rechts mehr Spannung bei Armelevation zu testen, die Funktionalität der Schulter war in allen passiven wie aktiven Funktionsuntersuchungen unauffällig. Eine Hypästhesie oder Kraftverlust der oberen Extremität bestand nicht.
Die blockierten Wirbel wurden mit direkten Techniken manipuliert. Anschließend erfolgte die Mobilisation der Rippen in allen drei Achsen sowie die Mobilisierung der intrathorakalen Faszien mittels Recoil auf dem Sternum und den Rippen sowie ein Dooming zur Dehnung des Diaphragmas mit anschließender Dekongestion der Leber mit lokalen Techniken. Im faszialen Retest der oberen Extremität zeigte sich eine symmetrische Armelevation, auch der Retest der anderen behandelten Strukturen war unauffällig. Bereits nach der ersten osteopathischen Behandlung berichtete der Patient von einem deutlichen Rückgang der Beschwerden (VAS 2 – 3/10). Für einen optimalen und langfristigen Behandlungserfolg wurde dem Patienten zusätzlich ein muskuläres Aufbautraining mit Stabilisierung der Rumpfmuskulatur und Rückenmuskulatur (autochthon, M. latissimus dorsi, M. trapezius) empfohlen. Hinzu kamen entspannende Atemübungen, sowie eine Ernährungsumstellung mit temporärem Verzicht auf Alkohol und tierische Produkte zur Entlastung der metabolen Stoffwechsellage der Leber, die er aufgrund der hohen Compliance gut befolgen konnte. Nach drei Behandlungsterminen in einem Zeitraum von sechs Monaten mit den begleitenden Maßnahmen war der Patient weitgehend beschwerdefrei, vor allem konnte er wieder seiner Leidenschaft, dem Mountainbiken nachgehen. Insgesamt zeigt dieser Fall das Potenzial der osteopathischen Medizin als komplementäre Therapie für Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule.
Sozio-ökonomische Relevanz und Testverfahren
Rückenschmerzen spielen aber nicht nur im Sport eine Rolle, ob traumatisch oder nicht, sondern haben auch eine sozio-ökonomische Relevanz. In der Krankheitslast-Studie BURDEN von 2020 [2] gaben 61,3 % der Befragten an, in den letzten zwölf Monaten an Rückenschmerzen gelitten zu haben. Laut AOK waren 2017 „Rückenschmerzen“ die zweithäufigste Ursache für eine Krankschreibung unter erwerbstätigen Versicherten. Auch hier zeigt sich die Notwendigkeit des multidisziplinären Therapieansatzes zur Schmerzbehandlung des Patienten und der sich daraus resultierenden Arbeitsfähigkeit. Aufgrund des ganzheitlichen Ansatzes und dem Verzicht auf invasive Techniken ist die osteopathische Medizin eine mögliche Ergänzung in der konservativen Schmerztherapie.
Eine Herausforderung ist allerdings die Validierbarkeit der klinischen Ergebnisse aufgrund der Individualität der Therapeuten und weniger standardisierter Testverfahren. Es müssen noch weitere Instrumente der Beurteilung entwickelt werden, um einen Behandlungserfolg objektiv messbar darzustellen. Eine Möglichkeit wäre, eine thermographische Messung der Körperoberfläche im Bereich der Beschwerden durchzuführen, wie es bereits in der Triggerpunkttherapie im Bereich des Nackens in der Praxis erfolgt [3]. Diese innovative Untersuchungsmethode, in der eine Hyperthermie in dem betroffenen Bereich dargestellt wird, ermöglicht eine zeiteffiziente Visualisierung der Schmerzpunkte ohne Strahlenbelastung. Hier sind noch weitere Entwicklungen notwendig, um die Evidenz der osteopathischen Behandlung besser quantifizieren zu können.
Literatur
[1] Giesswein, S (2021) Osteopathische Medizin, sportärztezeitung, 4/2021.
[2] Journal of Health Monitoring · 2021 6(S3) DOI 10.25646/7854 Robert Koch-Institut, Berlin
[3] Tobolski, O (2022). Thermographie und Cryotherapie. sportärztezeitung, 2/2022.
Autoren
ist Fachärztin für Allgemeinmedizin, Osteopathin DO und besitzt die Zusatzbezeichnung Ernährungsmedizin. Sie ist in eigener Privatpraxis für Osteopathie, DOC OSTEO, Oberhaching niedergelassen und Mitglied der DAAO (DeutschAmerikanische Akademie für Osteopathie e.V.) sowie DEGAM (Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin).