Reinhardt N, Wegenaer J, de la Fuente M. Scientific Reports 2022;12:18060. https://doi.org/10.1038/s41598-022-21595-5
Die radiale Stoßwellentherapie ist aus der konservativen Orthopädie und der Physiotherapie nicht mehr wegzudenken. Sie wird sowohl als Monotherapie, aber vielfach auch als Kombinationstherapie (z. B. mit Laser) eingesetzt. Dabei werden oft indikationsspezifische Arbeitseinstellungen wie Druck (bar) und Frequenz (Hz) der Geräte empfohlen. Die abgegebene Druckwelle ist allerdings abhängig vom erzeugenden Gerät. Unklar ist daher, wie therapeutisch sinnvoll Übernahmen der Arbeitseinstellungen geräteübergreifend sind. Nina Reinhardt und Kollegen vom Lehrstuhl für Medizintechnik des Helmholtz-Instituts für Biomedizinische Technik an der RWTH Aachen untersuchten zwei verschiedene radiale Stoßwellengeräte und den Einfluss der Arbeitseinstellungen auf die entsprechende Energieabgabe.
Methodik
In der vorliegenden Laborstudie wurde der Einfluss der Frequenzeinstellung (Pulswiederholrate) auf die erzeugten radialen Stoßwellen zweier unterschiedlicher Stoßwellengeräte, welche beide auf dem ballistischen Prinzip basieren, untersucht. Hierfür wurden standardisierte Testungen bei verschiedenen Arbeitsdrücken (bar) und einstellbaren Frequenzen (Hz) durchgeführt und u. a. der positive Spitzendruck und die Energieflussdichte ermittelt.
Ergebnisse
Bei einem Arbeitsdruck von 1 bar zeigten sich die gemittelten Druckkurven und der erste positive Spitzendruck der radialen Stoßwellen bei beiden Geräten über alle Frequenzen (1 – 25 bzw. 21 Hz) stabil. Bei einem Drucklevel von 4 bar konnte bei Gerät 1 selbst bei der höchsten Frequenzeinstellung (25 Hz) nur ein leichter Abfall der ersten Impulsamplitude ermittelt werden, wohingegen bei Gerät 2 eine stetige Reduktion der ersten Impulsamplitude mit zunehmender Impulsfrequenz festgestellt wurde. Gerät 1 zeigte über alle Frequenzen hinweg eine nahezu konstante Energieflussdichte bei Arbeitsdrücken von 1 und 2 bar. Bei Gerät 2 war die Energieflussdichte lediglich bei einem Arbeitsdruck von 1 bar stabil. Der positive Spitzendruck und die Energieflussdichte reduzierten sich bei Gerät 2 bei maximalem Arbeitsdruck und steigender Frequenz von 1 zu 21 Hz um 68,4 % sowie um 90,2 %. Die Druckkurven bei 1 Hz und bei 25 Hz zeigten sich bei Gerät 1 mit einem Abfall des positiven Spitzendrucks um 12 % und der Energieflussdichte um 18,8 % stabiler. Bei Messungen am Vibrometer konnten ähnliche Ergebnisse festgestellt werden (Reduktion der Applikatorgeschwindigkeit bei maximalem Arbeitsdruck und hoher Frequenz: 18,5 % (Gerät 1/20 Hz) bzw. 49,1 % (Gerät 2/21 Hz)).
Diskussion
Die Autoren konnten darstellen, dass relevante Leistungsparameter der beiden untersuchten radialen Stoßwellengeräte bei gleichen Geräteeinstellungen verschieden sein können. Die Unterschiede traten insbesondere bei höheren Arbeitsdrücken und hohen Pulswiederholraten auf. Bei Gerät 2 zeigte die Frequenzeinstellung einen deutlich größeren Einfluss auf die erzeugten radialen Stoßwellen. Die Energieflussdichte, der am häufigsten verwendete Parameter zur Abschätzung der therapeutischen Wirkung radialer Stoßwellen, reduzierte sich bei Gerät 2 bei hohen Frequenzeinstellungen beträchtlich. Hier führte die Verwendung des Gerätes bei 5 bar und 21 Hz zu einer vergleichbaren Energieabgabe wie bei einer Geräteeinstellung mit 1 bar und 1 Hz. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass eine Übertragung der Behandlungseinstellungen zwischen den verschiedenen ballistischen Stoßwellengeräten aufgrund der unterschiedlichen Beständigkeit der resultierenden Energieabgabe nicht zu empfehlen ist. Zudem sollten weitere Geräte auf ihre Energieabgabe bei verschiedenen Behandlungseinstellungen untersucht werden und eine Datenbank, welche die Energieabgaben verschiedener Arbeitseinstellungen von möglichst vielen Geräten beinhaltet, wäre sinnvoll.
Fazit
Die Studie verdeutlicht die Wichtigkeit von Messungen der Energieabgabe radialer Stoßwellengeräte bei klinisch relevanten Arbeitseinstellungen. Es gilt zu klären, bei welchen Geräteeinstellungen die angebotenen Geräte therapeutisch nutzen. Auch zu möglichen Kombinationstherapien zeigen mittlerweile Studien, dass gerätespezifische Unterschiede bestehen. Kürzlich konnten signifikante Unterschiede in den Eigenschaften der Pulswellen verschiedener Lasergeräte festgestellt werden, die bezogen auf die Wirksamkeit relevant scheinen (Kaub & Schmitz, Biomedicines, 2022).
Zusammenfassend ist vor der Integration von Therapien in die Praxis eine ausreichende Recherche durch uns Behandler unabdingbar, um unseren PatientInnen die bestmöglichen Therapien zukommen zu lassen.
Meinungsartikel des Autors
Autoren
ist konservativer Orthopäde in der Praxis für Orthopädie und Sportmedizin – Dr. Abel & Dr. Belikan in Alzey. Als betreuender Sportarzt von Mainz 05 und Verbandsarzt des Südwestdeutschen Fußballverbandes e.V. ist er im Spitzen- und Amateursport aktiv.