Ein Dreivierteljahr nach seiner dramatischen Knieluxation traf die sportärztezeitung Mainz-05-Spieler Elkin Soto und drei seiner Therapeuten: Holger Kilp, Stellvertretender Geschäftsführer des Ambulanten Rehazentrums Mainz-Mombach, Axel Busenkell, Sporttherapeut am Rehazentrum und Ahtletiktrainer des 1. FSV Mainz 05, sowie Christopher Rohrbeck, den Chef-Physiotherapeuten des Vereins. Robert Erbeldinger erfuhr, wie der Spieler mit der Situation umging, welche Therapien halfen und welch extrem hohen Stellenwert das gesamte Betreuerteam für Sotos positive Entwicklungen der vergangenen Monate hatte.
Am 3. Mai 2015 ereignete sich in der Coface-Arena in Mainz beim Bundesligaspiel zwischen dem 1. FSV Mainz 05 und dem Hamburger SV ein folgenschwerer Zweikampf zwischen dem Mainzer Spieler Elkin Soto und Rafael van der Vaart vom HSV. Soto erlitt dabei eine Knieluxation – eine Verrenkung des Kniegelenks. Außer einem Riss des vorderen Kreuzbands sowie einer Teilruptur des hinteren Kreuzbands kam es zu einer kompletten Ruptur der lateralen stabilisierenden Strukturen des Kniegelenks: M. biceps femoris, laterales Kollateralband, M. popliteus sowie laterale Kapsel.
Der Mainzer Manager Christian Heidel reagierte schockiert: „Das Knie war nicht mehr da, wo es hingehört. So etwas habe ich noch nicht gesehen“, sagte er im TV-Sender Sky und bot dem Kolumbianer, der mit 34 Jahren nach der Saison eigentlich in seine Heimat hatte zurückkehren wollen, spontan einen neuen Einjahresvertrag an. Was danach begann, war eine harte und langwierige Therapie- und Rehazeit.
Moment der Verletzung
Elkin Soto kam 2007 zu Mainz 05. Der Start war alles andere als glücklich: Im ersten Jahr erlitt der kolumbianische Nationalspieler einen Kreuzbandriss und wurde im Sporthopaedicum Straubing von Dr. Heinz-Jürgen Eichhorn operiert. Doch anschließend gelang ihm die Mission Bundesliga umso eindrucksvoller. Soto entwickelte sich zum erfolgreichen und beliebten „Kult-Spieler“ der Rheinhessen. 2015 sollte für den damals 34-Jährigen dann Schluss in der Bundesliga sein, die Rückkehr nach Kolumbien im Sommer stand fest, der emotionale Abschied nahte. Es kam anders.
An den Moment seiner Verletzung im Spiel gegen den HSV hat Elkin Soto keine Erinnerung mehr. Doch im Nachhinein hat er sich das Video des Zweikampfs mehrere Male auf seinem iPhone angeschaut. Das habe sich sogar vorteilhaft ausgewirkt, sagt er. „Dieses Video immer wieder zu sehen war eine positive mentale Unterstützung für mich, um wieder zurückzukommen.“ Sein Optimismus überrascht. Obwohl Soto damals schnell klar war, wie schwer die Verletzung wog und dass der Weg zurück noch schwerer werden würde, sei ihm nie der Gedanke gekommen, es nicht zu schaffen, erzählt er. Für diese Art des positiven Denkens benötigt Soto keine sportpsychologische Betreuung. Nicht, weil er davon nichts halten würde, sondern weil er durch seinen Glauben und seine von Natur aus optimistische Haltung gar nicht erst darüber nachdachte, dass es anders kommen könnte.
Auch sein Vertrauen in die medizinische Abteilung von Mainz 05 stärkte diese Überzeugung. Nicht zu vergessen sei auch die enorm große Anteilname vieler anderer Bundesligisten. So ließ beispielsweise der VfB Stuttgart ein Trikot mit der Nummer 19 und dem Namen Soto anfertigen mit besten Heilungswünschen. Auch Rafael van der Vaart und weitere Spieler meldeten sich bei ihm. In Kolumbien, wo Soto den Spitznamen „El Sultán“ trägt, wurden Stadien mit der Aufschrift „Fuerza Sultán“ geschmückt, um ihm Kraft und Stärke zu wünschen. „Das Vertragsangebot von Christian Heidel war natürlich auch ein ganz wichtiger Punkt“, sagt Soto. „So wusste ich, dass ich meine Reha unter besten Voraussetzungen in Ruhe machen kann.“ Für die Möglichkeiten, die der Club ihm geboten hat, ist er sehr dankbar.
Erstversorgung und Operation
Wer die Szene, die zu Elkin Sotos Verletzung führte, noch vor Augen hat, wird sich auch an den ersten Eindruck erinnern: Absolut nichts sah dabei nach einer „normalen“ Verletzung aus. Und das war es ja auch nicht. Umso wichtiger, dass die Erstversorgung vor Ort optimal geklappt hat. Schon in der Kabine gaben die Mannschaftsärzte Drs. Stefan Mattyasovszky, Patrick Ingelfinger und Felix Post dem Spieler auch psychologischen Beistand. Zur weiteren Diagnostik ging es sofort in die Uniklinik. Rückblickend sagt Soto, er habe den ganzen Ablauf als extrem positiv empfunden – was seinen Optimismus und seine mentale Stärke nur noch mehr zum Tragen brachte.
Im Anschluss an die Erstversorgung war Soto und seinen Betreuern schnell klar, dass man nach den guten Erfahrungen mit der Kreuzband-OP im Jahr 2007 (damals am anderen Knie) die notwendigen Operationen wieder im Sportorthopaedicum Straubing machen lassen würde. Geplant wurden zwei Operationen. Das hintere Kreuzband war nur angerissen, womit das Knie noch einen Teil seiner Stabilität behalten hatte, und sollte zunächst konservativ behandelt werden. Drei Tage nach der Verletzung erfolgte die erste OP bei Prof. Dr. Thore Zantop und Prof. Dr. Michael J. Strobel. Die ersten Tage nach der geglückten Operation waren extrem schmerzhaft, erinnert sich Soto. Kurz danach begannen erste konservative Therapiemaßnahmen mit dem Ziel der Kniemobilisation.
Siehe dazu auch Artikel Knieluxation im Profifußball
Konservative Maßnahmen
„Die OP ist das A und O, damit alles gut läuft“, erläutert Chris Rohrbeck, Chef-Physiotherapeut des 1. FSV Mainz 05. „Vor allem auch hinsichtlich des Risikos einer Reruptur.“ Danach gehe es um die nicht unwichtige Frage, wie schnell der Spieler wieder zurückkommt. An dieser Stelle trete die konservative Therapie auf den Plan. Aus Rohrbecks Sicht ist manuelle Therapie nicht zu ersetzen. Medizintechnik könne aber ergänzen und den Heilungsprozess beschleunigen. Beides kam bei Elkin Soto zum Einsatz. Schon sechs Tage nach der ersten OP begann er am 12. Mai mit der Rehabilitation im Ambulanten Rehazentrum Mainz-Mombach. Dort fand seine komplette Reha statt.
„Die ersten vier bis sechs Wochen sollte das Bein in einer Streckschiene gelagert werden“, berichtet Holger Kilp vom Ambulanten Rehazentrum. „Dies stellte für uns eine besondere Herausforderung dar, da sich das Bein beim Öffnen der Klettverschlüsse der Streckschiene nicht verschieben durfte, da ansonsten die Gefahr der Reruptur bestand.“ In dieser Zeit verbrachte Soto jeden Tag von Montag bis Samstag zwei Stunden im Rehazentrum. Im Fokus standen dabei abschwellende Maßnahmen, Lymphdrainagen und der Versuch, die Bewegung wieder herzustellen. Nach sechs Wochen ging man in die Belastung mit Stützen, recht schnell sogar in die Vollbelastung. Das Hauptaugenmerk wurde darauf gelegt, das Knie wieder beweglich zu machen und zwar in Beugung und Streckung.
Athletiktraining
Schon vor der zweiten OP, die am 28. Juli anstand, arbeitete Soto viel im Wasser, später am AlterG, einem Gerät, das die Schwerkraft teilweise „ausschalten“ kann. „Wir haben mit dem Gerät recht schnell eine Belastung von anfangs 20 Prozent hin zu 100 Prozent erreicht. Gerade in der ersten Phase war die Arbeit mit diesem Laufband ideal. Nicht nur physiologisch, sondern auch psychologisch“, erklärt Kilp. Durch die Kamera des Geräts konnte Soto seine Beine wieder laufen sehen. Ein breites Grinsen sei auf seinem Gesicht erschienen, erinnert sich der Stellvertretende Geschäftsführer des Rehazentrums. Ein psychologisch wichtiger Moment.
Parallel dazu fand und findet auch weiterhin durch Axel Busenkell, der für Mainz 05 wie auch das Ambulante Rehazentrum Mainz-Mombach arbeitet, ein intensives und wohldosiertes Athletiktraining statt. Außerdem wandte Holger Kilp bei Elkin Soto eine neurophysiologische Technik an, die physiologische Bewegungsmuster anbahnt.
Erfolge
„Mit dem gesamten Behandlungsplan bin ich voll zufrieden, ich wurde auch perfekt aufgeklärt“, sagt Soto. „Alles war von Anfang an klar und deutlich, ich hatte einfach das Vertrauen, gut aufgehoben zu sein.“ Positiv bewertet er auch, dass die Ärzte und Therapeuten immer kleine Ziele vorgaben. Erst wenn er ein Ziel erreicht hatte, ging man an das nächste heran. „Der Verlauf nach der Kreuzband-OP war schneller und besser als bei anderen Kreuzband-OPs, das ist zumindest meine Erfahrung“, so Holger Kilps Bewertung. Begründet sei das einerseits in der sehr guten operativen Versorgung von Prof. Dr. Thore Zantop, andererseits führt Kilp die Entwicklung auch auf das massive Aufbautraining vor der zweiten OP zurück, wodurch Soto bezüglich der Koordination und Kraft schon gut aufgestellt war. Das Bein konnte somit schneller wieder belastet werden.
Neben der intensiven Betreuung im Ambulanten Rehazentrum Mainz-Mombach konnte Soto sich zu jeder Zeit auf die Unterstützung der Physios des FSV Mainz 05 verlassen. Er habe in dieser Zeit immer nach vorn geblickt, sagt der Spieler. Chris Rohrbeck bezeichnet die vergangenen Monate als „Erfolg des gesamten Teams, ein perfektes Zusammenspiel vieler Akteure“. Holger Kilp sei der „Nabel der Reha“, so der Chef-Physio. Über ihn erfolge eine ideale Koordination und Kommunikation mit den Operateuren und den Therapeuten. „Es wurden allen immer wieder Updates gegeben. Besser hätte es nicht laufen können“, beschreibt Rohrbeck die Zusammenarbeit der unterschiedlichen medizinischen und therapeutischen Beteiligten.
Aktuell (Stand April 2016) geht es aus physiotherapeutischer Sicht darum, dass alle Gelenke „frei gehalten“ werden. Dabei wird nicht nur auf das Kniegelenk geachtet, sondern auch auf Sprunggelenk, Becken und Hüfte. „Von der Statik muss das alles im Lot sein“, sagt Holger Kilp. „Sonst funktionieren die Muskelketten nicht richtig, und es besteht die Gefahr für Begleitverletzungen. Das wird oft unterschätzt.“ Kraftzuwachs und Koordination seien nun in der Finalisierung.
„Ich will wieder spielen“
Die positive Entwicklung in den vergangenen neun Monaten hat alle überrascht, selbst den so optimistischen Spieler selbst. „Mein größter Wunsch ist es, vor Ende der Saison noch einmal für den FSV Mainz 05 spielen zu können“, sagt er. Danach möchte Elkin Soto, wie eigentlich vor einem Jahr geplant, zurück in seine Heimat Kolumbien und dort noch ein oder zwei Jahre Fußball spielen.
Er denkt darüber nach, anschließend eine Aufgabe in der Jugendarbeit zu übernehmen. „In meiner Heimatstadt dem Verein helfen, das könnte ich mir gut vorstellen“, sagt er. „Viele Jugendliche haben nicht die Möglichkeit, Profi zu werden, und wachsen in einem schwierigen Umfeld auf. Mit diesen Jungs einfach Fußball spielen und ihnen eine positive Entwicklung bieten, das wäre mein Wunsch.“ Ein sympathischer Wunsch eines sympathischen Profis, der mit Optimismus, Disziplin, harter Arbeit und einer perfekten Zusammenarbeit des medizinischen und des Trainerteams seinen Weg bislang erfolgreich gegangen ist: Return to Sports, Return to Agility.
Lesen Sie mehr zu dieser Thematik und wie Prof. Dr. Thore Zantop den Spieler behandelte HIER
Autoren
Sportmedizin für Ärzte, Therapeuten & Trainer