Es ist häufig zu beobachten, dass junge Athletinnen, die einer Leistungssportart nachgehen, bereits in jungen Jahren ihre sportliche Karriere beginnen. Diese Athletinnen wollen sich entwickeln, gewinnen und die höchstmöglichen Ziele erreichen. Aber jede Athletin erlebt auch im selben Zeitraum eine Veränderung des Körpers, die Pubertät. Eine sensible Phase während der sportlichen Karriere, in der zusätzliche Unsicherheiten auftreten können [1].
Diese sensible Phase findet parallel zur Schule und dem Lieblingssport der Athletin statt, was eine große Herausforderung nicht nur allein für sie, sondern auch für den Coach und das soziale Umfeld (Eltern, Freunde usw.) darstellt. Vermeintliche Talente schaffen u. U. den Schritt z. B. von der Jugend in die Senioren LK (Leistungsklasse) oder den Sprung in ein Landes- oder Nationalkadersystem, jedoch dem „Druck standhalten“ ist eine „verzwickte“ Angelegenheit. Der sogenannte „nächste Schritt“ ist gerade für Jugendliche vor oder in der Pubertät, während Leistungssport betrieben wird, zunehmend schwerer [2]. Mit welcher Begründung fällt die intrinsische Motivation ab und damit die sinkende Volition für die Umsetzung einer Trainingseinheit (TE) oder z. B. der Leistungseinbruch bei Spielen? Nimmt die Bereitschaft zur Volition in TE oder Spielen langfristig ab, wenn Niederlagen sich vermehrt einstellen oder ist es gar abhängig vom Coach? Vor diesem Hintergrund wurde Embodiment (Wechselwirkung von Körper und psychischen Prozessen wie Denken und Fühlen (Gefühl, Emotionen) sowie Handeln (Handlung) gruppieren) [3] als anwendbares Trainings-Werkzeug im Sport, für die Athletinnen und Coaches im laufenden Sportbetrieb vier Wochen lang anwenden. Ziel dieser deskriptiven Untersuchung ist es, dass Athletinnen der Volleyball Akademie Stuttgart sich durch eine zusätzliche Intervention die individuelle, emotionale und mentale Aufmerksamkeit optimal zu kanalisieren und in der sportlichen Aktivität (Leistungserhaltung bzw. Leistungssteigerung) umzuwandeln. Gerade in der heutigen Zeit (Corona, digitales Lernen, Verringerung von sozialen Kontakten usw.) bietet die Erschaffung von neuen Werkzeugen, alternativer Herangehensweisen für Athletinnen und neuer Handlungsanweisungen für Coach und Betreuer eine Chance für eine optimierte, langfristiger gesündere sportliche Karriere. Schlussendich soll die Drop-Out-Quote von Talenten auf ihren „Sprung nach oben“ verringert und sie auf ihrem Weg unterstützt werden. Diese deskriptive Studie schließt mit einer selbst generierten Hypothese am Ende des Experiments ab und soll Leserinnen dazu anregen, ihr bisheriges „Athletinnen oder Coach sein“ kritisch zu hinterfragen. Die in dieser Untersuchung angewendeten Interventionen sollen die eigenen Gefühle (z. B. Wut beim fehlerhaften Aufschlag), das Verhalten und die Volition für herausfordernde TE und Spiele langfristig positiv beeinflussen. Es ist jedoch zu beachten, dass Embodiment zwei Grundsätzen unterliegen. Embodiment muss die Person selbst generieren und lässt sich nicht anleiten. Eine direkte Aufforderung der Anwendung ist nicht effektiv und erzeugt keine nachhaltige Selbstanwendung/Umsetzung. Dieser Prozess ist keine Selbstverständlichkeit und muss somit auch trainiert werden, was bisher in Mannschaftssportarten kaum berücksichtig bzw. umgesetzt wird (Abb. 1). Eine zusätzliche präventive individuelle Trainingseinheit für jeden Probanden, um in schwierigen Situationen (z. B. einem Rückstand im Spiel) dieser Situation gewachsen zu sein [3] ist in den meisten Nachwuchsleistungsteams nicht umsetzbar.
Bei Athletinnen in der Pubertät, gerade im Nachwuchsleistungsbereich, spielen sehr viele Komponenten gleichzeitig mit und können gleichzeitig (sehr) hoch bzw. (sehr) niedrig ausgeprägt sein [4]. Für diese Untersuchung wurden daher der Achievement Motives Scale-Sport (AMS-Sport) Fragebogen [5] hierzugezogen, zudem wurden die Begrifflichkeiten der Selbstwirksamkeitserwartung (SWE), Selbstvertrauen, Motiv und Motiverreichung detaillierter beschrieben und in den Kontext miteingebunden, aber nicht weiter ausgewertet. Einen Überblick über den gesamten Ablauf der Untersuchung finden Sie beim dem Onlineartikel www.sportaerztezeitung.com.
Das Gehirn sollte auch als ein Muskel betrachtet werden und kann somit auch trainiert werden [6]. Alltägliches physisches und mentales Training wird heutzutage oft angeboten und umgesetzt, ein gezieltes Training für die Emotionen findet jedoch kaum statt. Terry and Karageorghis (2011) weisen in ihren Untersuchungen darauf hin, dass z. B. Musik einen enorm hohen Stellenwert aufweist und bei jeder Athletin eine Emotion „mitschwingt“ [7]. Viele Athletinnen, auch bei der Volleyball Akademie Stuttgart, haben bestimmte individuelle Rituale und Angewohnheiten, „sich in Stimmung zu bringen“. So spielt die Musik eine wichtige Rolle. Zumeist werden das individuelle Selbstvertrauen und die Selbstwirksamkeit bereits auf dem Weg zum Training oder zum Treffpunkt am Spieltag bestärkt, noch bevor man das Team antrifft. Auch das klassische individuelle Warm Up oder die Einlaufmusik bei Spielen dienen der Einstimmung für Athletinnen und Coaches. Je höher die LK, desto mehr sollten auch die Umwelteinflüsse wie Zuschauer und Musik einen Anteil im Training finden. Insoweit betrachtet, kann die Autorin bestätigen, werden Athletinnen (sportartunabhängig) im Ganzen, jedoch „stiefmütterlich“ bezüglich der Emotionen und ihrer individuellen Auswirkungen, trainiert. Die Volleyballakademie arbeitet in diesem Punkt bereits zielorientiert.
Besonderheiten Volleyball
Grundsätzlich vermitteln Volleyballspielerinnen in der Vorstellung von Laien das Bild einer harmonischen Mannschaft. Sie „schmeißen“ sich für jedem Ball auf den Boden, motivieren sich gegenseitig und bilden immer einen Kreis der Geschlossenheit. Unabhängig von einem Punktgewinn oder Verlust, eine physische Geschlossenheit wird in einem Huddle gebildet. Was man aber als Laie nicht erkennt ist, dass das Volleyballspiel eine Aneinanderreihung kurzer maximaler Belastungsphasen, einen engen Bewegungsraum, schnellkräftige Bewegungen der Bein- (Sprünge) und Armmuskulatur (Schmetterschlag). Zusätzlich wird eine sehr hohe Anforderung an das Reaktionsvermögen und die Emotionsregulierung vorausgesetzt [8]. Um diese schnellkräftigen Bewegungen anwenden zu können, benötigt der Körper einer Athletin genügend Grundlagen bei den anaerob-alaktaziden Energiebereitstellungen. Im Volleyball entstehen während den Ballwechseln verhältnismäßig lange Pausen, sodass der muskuläre Energiespeicher entsprechend aufgefüllt werden kann. In allen Mannschaftssportarten ist es unabdingbar, sich kommunikativ, reaktiv und individuell im Team auf dem Feld zurechtzufinden, ganz gleich wie das individuelle Befinden ist. Der Volleyballsport lebt vom „miteinander Kommunizieren und sich gegenseitig Unterstützten“, sei es bei einem Punktverlust oder Punktgewinn. Dieser Emotionsregulierung und ihren Einflüssen von jungen Athletinnen widmet sich diese Untersuchung. Somit lautet die Forschungsfrage: Verbessert die Intervention (vor und nach der TE/ Spiel) über 4 Wochen die Volition bei 12 – 18-jährigen Bundesliga-Volleyballspielerinnen in einem höheren Ausmaß als bei einer Kontroll-Gruppe? Aufgrund der fehlenden literarischen Nachweise und Studien im Zusammenhang mit Embodiment im Sport, soll die Hypothese in diese deskriptive Untersuchung bestätigt werden. Somit lautet die Veränderungshypothese: Eine Intervention (vor und nach der TE/ Spiels) über 4 Wochen verändert die Volition bei 12 – 18-jährigen Bundesliga-Volleyballspielerinnen in einem höheren Ausmaß als bei einer Kontroll-Gruppe. Die explorativen/ deskriptiven Untersuchung beinhaltet eine Untersuchung von 34 Athletinnen und zwei Coaches (n=36) in der Rückrunde der Saison 2021/2022. Unterteilt sind diese in zwei Interventionsgruppen (IG1 und IG2) sowie eine Kontrollgruppe (KG). Der konkrete Ablauf sieht eine Unterteilung in Datenerhebung 1 und 2 vor. Die Datenerhebung 1 umfasst den Pre-Test und AMS-Sport Fragebogen und in der Datenerhebung 2 werden die Daten aus dem Abschlussfragebogen für jede VB-Athletin und Coach erhoben. Der Start der Untersuchung verzögerte sich allerdings aufgrund von Weihnachtsferien und Corona-Auflagen und Aufgrund einer 2-wöchigen Covid-19 Krankheitswelle, wurde das Projekt auf 6 Wochen gestreckt, die Datenerhebung gleicht aber einer regulären 4-wöchigen Trainings- und Spielzeit. Während der 4-wöchigen Untersuchung haben die VB-Athletinnen anzugeben, wie ihr aktuelles Empfinden / Gefühlslage vor und nach dem Training / Spiel ist. Fünf vordefinierten Smileys (siehe Tab. 1) sind entsprechend den Empfindungen/ Belastungen der TeSp zugeteilt. Die Kommunikation während des Zeitraums verlieft via Textnachrichten, ausschließlich zwischen den Probandinnen und der Autorin. Die Intervention und Aufteilung werden in der unteren Tabelle 2 dargestellt.
Betrachtet man die Gesamtaussagen aller Probanden, liegt das Gesamtleistungsmotiv, der hierfür ausgewählten VA-Gruppen bei einem Wert von 33,08. Was der Auswertung nach [5] im unter dem mittleren Normbereich liegt. Da Volleyball eine Teamsport ist, ist diese Aussage somit nicht komplett aussagekräftig, weist aber auf Unsicherheiten und mögliche Gesprächspotenziale hin. Innerhalb der 4 Wochen haben die VB-Athletinnen insgesamt 970 Trainingseinheit/Spiel (TeSp) Aussagen zu ihrem TeSp rückgemeldet (eine detaillierte Auflistung dazu finden Sie in dem online-Artikel auf www.sportaerztezeitung.com). Das entspricht einem Durchschnitt von 26,9 Aussagen pro Probanden. Die genauen Aussagen, die die VB-Athletinnen getroffen haben, bezogen sich immer auf das Vorher und Nachher jedes TeSp. Nach Auswertung aller Interventionsergebnisse und der Datenauswertung zeigt sich, dass Embodiment im Sport, ein nutzbares Tool für den Nachwuchsbereich ist. Bei geführter und konsequenter Durchführung kann es sowohl individuell als auch die Gruppendynamik positiv unterstützen bzw. beeinflussen. Während der 4 Wochen Untersuchung mit der Volleyball Akademie Stuttgart, hat es für die beiden Interventionsgruppen (VA4 und VA6) vermehrt positive Selbsteinschätzungen sowohl für das Training als auch bei den Spielen ergeben. Die Datenanalyse zeigt an, dass IG1=VA4 (volle Intervention) einen relevanten Unterschied im TeSp gegenüber der KG=VA5 (keine Intervention) aufweist. Ein adäquater Unterschied ist ebenso zwischen der KG und IG2 ersichtlich, jedoch im geringeren Ausmaßen gegenüber IG1 (Abb. 2). Die Bestätigung der Forschungsfrage und der Veränderungshypothese zeigt somit auf, dass Embodiment im Sport die individuelle, emotionale und mentale Aufmerksamkeit optimal kanalisieren und in der sportlichen Aktivität (Leistungserhaltung bzw. Leistungssteigerung) umwandeln kann. Die intrinsische Motivation und Volition zu erhalten und zu steigern, wird in der VA4-Gruppe deutlich sichtbar, je länger die Untersuchung dauerte und trotz der Trainingsunterbrechung. Den angesprochenen Leistungs-Cut (höhere Leistungsklasse (z. B. Sichtungen, Profibetrieb)) bzw. Leistungseinbruch während der Pubertät (veränderte kognitive, emotionale und körperliche Lebenssituationen) kann man somit mit Embodiment im Sport gezielt entgegenwirken. Die Autorin hat individuelle, subjektive Belastungsanforderungen objektiv dargestellt.
Betrachtet man die Gesamtübersicht aller VB-Athletinnen, so fällt in den ersten beiden Wochen des Experiments bereits eine Veränderung in den VA-Gruppen auf (eine detaillierte Auflistung dazu finden Sie in dem online-Artikel auf www.sportaerztezeitung.com). Die Gruppendynamik von IG1 und IG2 VB-Athletinnen sind aus der 1,5 wöchigen Covid-19 Zwangspause positiver in die Belastungsanforderungen zurückgekehrt. Somit fielen sie weniger in ihre „alten Gewohnheiten“ zurück, im Gegensatz zur KG. Die hier angewendeten Interventionen sind keine Selbstverständlichkeit und sollten als ein Prozess betrachtet werden. Um diese Ergebnisse der einzelnen Probandinnen und Gruppen bei längerer Anwendung zu bestätigen, wurde die Zusammenarbeit zwischen der Autorin und der Volleyball Akademie Stuttgart verlängert. Folgenden zwei Schwerpunkte sollen dabei nochmals detaillierter analysiert und gemeinsam beobachtet werden: Implementierung der regelmäßigen 5-Smileys, um eine Routine der Selbstreflexion jeder Athletin zu ermöglichen. Sie in ihrer Selbstsicherheit und des Selbstwerts positiv zu bestärken. Als Präventionstool für den Coach zu integrieren, um die subjektive Wahrnehmung von Athleten (die individuelle subjektive Belastungsanforderungen) für entsprechend Maßnahmen zur Handlungsempfehlungen zu objektivieren.
Literatur
[1] Richlan, F. (2016). Sensible Phasen im Nachwuchsleistungssport aus neurowissenschaftlicher Perspektive. In Talentförderung: Sensible Phasen auf dem Weg zur Weltspitze (pp. 91-93): Pabst Science Publishers.
[2] Abbott, A., Button, C., Pepping, G.-J., & Collins, D. (2005). Unnatural selection: talent identification and development in sport. Nonlinear dynamics, psychology, and life sciences, 9(1), 61-88.
[3] Storch, M., Cantieni, B., Hüther, G., & Tschacher, W. (2006). Embodiment. Die Wechselwirkung von Körper und Psyche verstehen und nutzen. Bern: Huber.
[4] Seidel, I. (2011). Trends in der Talentforschung und Talentförderung. Leistungssport, 41(2), 19-23.
[5] Elbe, A.-M., Krippl, M., Melzer, M., & Teubel, T. (2013). Testgütekriterien des Fragebogens AnMS-Sport zur Erfassung des Anschlussmotivs im Sportkontext. Sportwissenschaft, 43(2), 102-115.
[6] Lienhard, L. (2019). Training beginnt im Gehirn: Mit Neuroathletik die sportliche Leistung verbessern: Riva.
[7] Terry, P. C., & Karageorghis, C. I. (2011). Music in sport and exercise.
[8] Ufer, M. (2017). Mentaltraining für Läufer: weil Laufen auch Kopfsache ist: Meyer & Meyer Verlag.
Weitere Literatur
Bohns, V. K., & Wiltermuth, S. S. (2012). It hurts when I do this (or you do that): Posture and pain tolerance. Journal of Experimental Social Psychology, 48(1), 341-345.
Bund, A. (2001). Selbstvertrauen und Bewegungslernen: Hofmann.
Coimbra, D. R., Bevilacqua, G. G., Pereira, F. S., & Andrade, A. (2021). Effect of Mindfulness Training on Fatigue and Recovery in Elite Volleyball Athletes: A Randomized Controlled Follow-Up Study. Journal of Sports Science & Medicine, 20(1), 1.
Fuchs, R., & Klaperski, S. (2018). Stressregulation durch Sport und Bewegung. In Handbuch Stressregulation und Sport (pp. 205-226): Springer.
Hartmann, P., & Trautner, H. M. (2009). Die Bedeutung des Pubertätsstatus und des Entwicklungstempos für die Geschlechtsidentität von Mädchen und Jungen in der Adoleszenz. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und pädagogische Psychologie, 41(2), 63-78.
Knight, B., & Hammel, B. (2013). The power of negative thinking: An unconventional approach to achieving positive results: Houghton Mifflin Harcourt.
Storch, M., & Weber, J. (2018). Embodiment und seine Bedeutung für das Coaching. In Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching (pp. 125- 133): Springer.
Autoren
ist Sportwissenschaftlerin und Sportpsychologin (M.A.). Sie ist Mental Trainerin in Stuttgart und bietet dabei Unterstützung für Athleten und Athletinnen an, außerdem ist sie Fortbildungsreferentin für Vereine und Verbände. Seit 2010 ist Danijela Bradfisch ehrenamtliche AssistenzTrainerin in der 1. Damen Mannschaft (RL) SV Möhringen und seit 2022 Bezirk 4 – Honorar Regionaltrainerin Großraum Alb / Bodensee.