1931 durch Burman noch als „ungeeignet für die Arthroskopie“ deklariert, werden heute zunehmend mehr Verletzungen und Pathologien des Ellenbogengelenkes arthroskopisch behandelt. Grund hierfür sind optimierte operative Methoden, ein verbessertes technisches Equipment und die steigende klinische Erfahrung. Die Arthroskopie am Ellenbogen erfordert ein hohes Maß an Expertise und Geschick!
Ablauf
Aller Anfang ist schwer! Burman experimentierte 1931 arthroskopisch an Kadaverellenbogengelenken und kam letztlich zu dem Schluss, dass das Gelenk einer arthroskopischen Untersuchung unzugänglich sei [5].
Zwar konnte diese Aussage im Laufe der Zeit revidiert werden, dennoch waren die Anfänge der Ellenbogenarthroskopie vergleichsweise schwierig: Die aufwendige Lagerung, das eingeschränkte Verständnis von Anatomie und Pathologien sowie das technische Equipment machten die minimal-invasive Begutachtung des Ellenbogens zu einer diffizilen Operation. Durch die Erweiterung des Indikationsspektrums der Ellenbogenarthroskopie in den letzten Jahren favorisieren die Autoren die Seitenlagerung gegenüber der noch immer verbreiteten Bauchlagerung. Der Eingriff kann in Regionalanästhesie durchgeführt werden und die Atemwege sind zugänglicher als in Bauchlagerung. Ein Wechsel auf ein ggf. notwendiges offenes Verfahren kann problemlos erfolgen. Lediglich der Lagerungsaufwand ist zeitintensiv. Im Hinblick auf die Historie ist damit aber ein optimaler Kompromiss mit der Anästhesie entstanden.
Ein standardisiertes Vorgehen beginnt also bereits mit der Lagerung des Patienten (Abb. 1). Neben dem Lagerungsstandard empfiehlt es sich immer wiederkehrende OP-Handgriffe zu verinnerlichen, damit sich ein routiniertes OP-Vorgehen entwickeln kann [7]. Dazu zählt auch die Markierung knöcherner tastbarer Landmarken und die Anlage der Arthroskopieportale (ASK) (Abb. 2 a – c) vor Hautschnitt.
Die einzelnen OP-Schritte sollten anschließend ebenfalls standardisiert erfolgen: Mit Injektion von 20 ml NaCl über den Softspot vergrößert sich nach Erweiterung des intraartikulären Volumens der Abstand zu den nervalen Strukturen, allen voran des N. radialis ventral, sodass iatrogene Nervenverletzungen besser vermieden werden können. Über ein anterolaterales Portal wird anschließend eine inflow-Kanüle eingeführt, welche nach Anschluss der Spülflüssigkeit einen kontinuierlichen intraartikulären Druck mit optimaler Sicht gewährleistet. Über das hohe posterolaterale ASK-Portal wird mit der Kamera in den dorsalen Gelenkbereich eingegangen. Für das Arbeitsinstrumentarium wird ein transtrizipitales Portal angelegt, mit Hilfe dessen Kamera und Instrumente mit dem hohen posterolateralen Portal, je nach Pathologie und therapeutischem Vorgehen, gewechselt werden können.
Nach Begutachtung der Olekranonspitze, der Fossa olecrani sowie des ulnaren Rezessus erfolgt das Schwenken der Kamera in Richtung Radiuskopf und die Anlage des Soft-Spot-Portals. Hier kann bei Bedarf eine Resektion der häufig hypertrophierten Plica dorsoradialis (bzw. postero-lateralis) sowie eine Beurteilung der Knorpelverhältnisse zwischen Radiuskopf und Capitulum erfolgen. Außerdem erlaubt das Softspotportal eine Stabilitätsprüfung des Ellenbogens [1,2,3].
Beim Wechsel in den anterioren Gelenkabschnitt wird über die inflow-Kanüle ein Wechselstab eingebracht, der bis nach ulnar vorgeschoben wird, um so die Anlage des anteromedialen Portals zu erleichtern. Wahlweise kann der Austrittspunkt im Bereich der ulnaren Kapsel auch mit der Kamera aufgesucht werden. Während der Trokar Kontakt zur Kapsel behält, wird die Kamera entfernt und der Wechselstab eingeführt. Mit Hilfe diesem als Inside-Out-Technik beschriebenem Shuttlemanöver kann das Risiko einer iatrogenen Nervenverletzungen ulnar minimiert werden (vergleiche Abb. 3 a – b). Anschließend wird nach Anlage des anteromedialen Zugangs zuerst der Wechselstab, dann der Trokar transartikulär geschoben, um das Instrumentarium ins Gelenk einzuführen. Die Kamerasicht ist standardmäßig zuerst von anterolateral. Zur vollständigen Adressierung aller Pathologien ventral kann auch ein Kamerawechsel auf das anteromediale Portal, ebenfalls in Inside-Out-Technik, erfolgen.
Indikationen
2012 erfolgte durch die Arbeitsgruppe um Yeoh [16] eine „evidence-based“ Einteilung der Operationsindikationen für die Ellenbogenarthroskopie. Eine Empfehlung zur Ellenbogenarthroskopie mit sicherem Vorgehen könne lediglich zur Synovektomie bei rheumatoider Arthritis und im Rahmen einer Tenotomie des M. extensor carpi radialis brevis (ECRB) bei lateraler Epicondylitis empfohlen werden.
Die Pathologien, die in diesem systematischen Review mit „geringer Arthroskopieempfehlung“ betitelt wurden (Arthrolyse, Radiuskopfresektion etc.), werden heute in den meisten Fällen als „state of the art“ arthroskopisch therapiert! Knorpelschäden bei Arthrose oder aber auch umschriebene chondrale Defekte im Rahmen einer osteochondralen Läsion sind gängige Indikationen zur Durchführung einer minimal-invasiven Versorgung.
Vor allem die Entfernung freier Gelenkkörper ist eine Domäne der arthroskopischen Behandlung (Abb. 4). Auch Ellenbogensteifen lassen sich je nach Schweregrad erfolgsversprechend arthroskopisch therapieren [9,14] (Abb. 5).
In der eigenen Praxis hat sich die Arthroskopie zur Behandlung des therapierefraktären lateralen Ellenbogenschmerz bzw. „Tennisellenbogen“ etabliert [8]. Vorteile sind die Begutachtung aller Gelenkabschnitte und die hohe Patientenzufriedenheit [13]. Eine Limitation des arthroskopischen Vorgehens können vollständige Ablösungen der gemeinsamen Extensorensehne vom Epicondylus sein. Mehr und mehr können auch einfachere Frakturen wie zum Beispiel Radiuskopffrakturen (Typ Mason II) inklusive möglicher Begleitverletzungen oder auch nicht-dislozierte Coronoidfrakturen arthroskopisch stabilisiert werden (Abb. 6).
Kontraindikationen
Klare Kontraindikationen ergeben sich vor allem bei offenen Wunden und oberflächlichen Infektionen. Keine Kontraindikation an sich aber dennoch einer sorgfältigen Risiko-Nutzen-Abwägung sollte der Eingriff nach erfolgter Verlagerung des N. ulnaris unterliegen, um aufgrund der veränderten Anatomie eine iatrogene Nervenschäden zu vermeiden [12]. Gerade nach erfolgter ventraler Transposition sollte bei Entscheid zur Arthroskopie unbedingt die kurzstreckige offene Darstellung des Nervus ulnaris in Betracht gezogen werden.
Vorteile und Grenzen
Die Vorteile der minimal-invasiven Technik liegen auf der Hand. Die Genesungszeit gegenüber einem offenen Vorgehen ist meist verkürzt, die funktionelle Beübungsmöglichkeit postoperativ beschleunigt, was insbesondere im Spitzensport notwendig ist [4, 10]. Weniger Schmerz aufgrund geringerer Zugangsmorbidität durch eine arthroskopische Technik und effektiveres postoperatives Schmerzmanagement erhöhen die Möglichkeit ambulanter Operationen [15].
Bei dislozierten Frakturen oder auch relevanten Seitenbandrupturen bedarf es nach Meinung der Autoren nach wie vor einem offenen Vorgehen, um anatomisch korrekte Verhältnisse schaffen zu können. Hier kann die Ellenbogenarthroskopie ggf. unterstützend eingesetzt werden, um beispielsweise intraartikuläre Pathologien wie freie Gelenkkörper etc. zu adressieren [6,11].
Fazit
Die Indikationen der Ellenbogenarthroskopie konnten mit verbessertem und weiter entwickeltem Instrumentarium stetig erweitert werden. Zur Senkung der intra- und postoperativen Komplikationen sind Kenntnisse der topographischen Beziehungen und originären Anatomie des Ellenbogens Voraussetzung. Außerdem sollte ein standardisiertes OP-Vorgehen beginnend bei der Lagerung und Portalanlage Beachtung finden.
Aufgrund der relativ flachen Lernkurve der Ellenbogenarthroskopie ist eine Durchführung durch erfahrene Operateure und in spezialisierten Zentren empfehlenswert.
Literatur
[1] Amarasooriya M, Phadnis J. Arthroscopic Diagnosis of Posterolateral Rotatory Instability of the Elbow. Arthrosc Tech. 2020 Nov 25;9(12):e1951-e1956. doi: 10.1016/j.eats.2020.08.035.eCollection 2020 Dec.
[2] Arrigoni P, Cucchi D, D’Ambrosi R, Butt U, Safran MR, Denard P, Randelli P. Intra-articular findings in symptomatic minor instability of the lateral elbow (SMILE). Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2017 Jul;25(7):2255-2263. doi: 10.1007/s00167-017-4530-x. Epub 2017 Mar 24.
[3] Arrigoni P, Cucchi D, D’Ambrosi R, Menon A, Aliprandi A, Randelli P. Arthroscopic R-LCL plication for symptomatic minor instability of the lateral elbow (SMILE). Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2017 Jul;25(7):2264-2270. doi: 10.1007/s00167-017-4531-9. Epub 2017 Mar 23.
[4] Brach P, Goitz RJ. Elbowarthroscopy: surgical techniques and rehabilitation. J Hand Ther. 2006 Apr-Jun;19(2):228-36. doi: 10.1197/j.jht.2006.02.013.PMID: 16713869
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[8] Kwon BC, Kim JY, Park KT. The Nirschl procedureversus arthroscopic extensor carpi radialis brevis debridement for lateral epicondylitis. J Shoulder Elbow Surg. 2017 Jan;26(1):118-124. doi: 10.1016/j.jse.2016.09.022. Epub 2016 Oct 31.PMID: 27810264
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[12] Sahajpal DT, Blonna D, O’Driscoll SW. Anteromedial elbow arthroscopy portals in patients with prior ulnar nerve transposition or subluxation. Arthroscopy. 2010 Aug;26(8):1045-52. doi: 10.1016/j.arthro.2009.12.029.Epub 2010 Jun 16.
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[15] White CHR, Ravi V, Watson J, Badhrinarayanan S, Phadnis J. A Systematic Review of Arthroscopic Versus Open Debridement of the ArthriticElbow. 2021 Feb;37(2):747-758.e1. doi: 10.1016/j.arthro.2020.09.005. Epub 2020 Sep 17.PMID: 32949630
[16] Yeoh KM, King, GJW, Faber KJ, Glazebrook MA, Athwal GS. Evidence-based indications for elbow arthroscopy. 2012 Feb;28(2):272-82.doi: 10.1016/j.arthro.2011.10.007.
Abbildungen: Mit freundlicher Genehmigung © orthio Praxisklinik Karlsruhe, alle Rechte vorbehalten
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Von 2013 bis 2020 war er als eigenständiger Operateur der Oberen Extremität in den Arcus Kliniken in Pforzheim tätig. Seit 2020 führt er zusammen mit seinem Kollegen die orthio Praxisklinik in Karlsruhe mit Schwerpunkt Schulter- und Ellenbogenchirurgie.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Er ist Oberarzt in den Arcus Kliniken in Pforzheim und seit 2021 Gastwissenschaftler der Klinik für Orthopädie am Universitätsklinikum Greifswald.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin und Chirotherapie. Er ist Sektionsleiter für arthroskopische und rekonstruktive Schulter- und Ellenbogenchirurgie im MVZ Praxisklinik Orthopädie Aachen. Als zertifizierter Schulter- und Ellenbogenchirurg der DVSE und AGA-Arthroskopeur liegt sein Fokus auf der Schulter- und Ellenbogenchirurgie.