Idealerweise umfasst die Therapie bei arterieller Hypertonie ein multimodales Konzept. Dazu gehören auch nicht-medikamentöse Maßnahmen, mit denen eine Absenkung des Blutdrucks erreicht werden kann.
Gemeinsam sollen mit Betroffenen zu Beginn und wiederholt im Verlauf individuelle Therapieziele vereinbart werden. Dazu gehören auch Empfehlungen zur körperlichen Aktivität, die bei regelmäßiger Ausübung einen klinisch relevanten Effekt haben [1]. Von Bedeutung ist, dass trotz der methodischen Limitationen der verfügbaren Studien zu körperlicher Aktivität bei Hypertonie (Trainingsinterventionen teilweise uneinheitlich, kleine Fallzahlen) in der Nationalen Versorgungsleitlinie (2023) eine starke Empfehlung dazu ausgesprochen wird. Genaue Trainingsformen werden in der Nationalen Versorgungsleitlinie nicht genannt, sondern der Hinweis auf einen Zeitumfang von mindestens zwei Stunden gegeben, der möglichst gleichmäßig über die Woche verteilt ist [1].
Datengrundlage 2023
Im letzten Jahr hat eine Metaanalyse breiteres Interesse geweckt, in der 270 randomisierte, kontrollierte Studien aus 33 Jahren mit insgesamt 15.827 Teilnehmern statistisch aufwändig untersucht wurden [2]. Die Autoren unterteilten die publizierten Trainingsformen in aerobes Ausdauertraining (AET), dynamisches Widerstandstraining (RT), kombiniertes Training (CT), hochintensives Intervalltraining (HIIT) und isometrisches Training (IET). Zusätzlich wurden Subgruppen festgelegt: AET = Laufen, Radfahren, Gehen / HIIT = Sprintintervalltraining, aerobes Intervalltraining / IET = Handgriff, Beinextension, Wandsitz. Untersucht wurde der Effekt der Trainingsintervention sowohl auf den systolischen (SBP) als auch den diastolischen Blutdruck (DBP). Außer aerobem Intervalltraining hatten alle Interventionen einen signifikanten Effekt zur Blutdruckabsenkung. Etwas überraschend war dieser Effekt im Vergleich zu den anderen Formen bei IET am größten mit –8 mmHg für SBP und –4 mmHg für DBP. Für AET lagen die Effekte beim Radfahren und Laufen für SBP –7 mmHg und DBP –3 bis –6 mmHg, beim Gehen geringer (SBP -3mmHg, DBP –1 mmHg). Auch RT (SBP –5 mmHg, DBP –3 mmHg) und CT (SBP – 6mmHg, DBP –3 mmHg) sowie Sprintintervalltraining (SBP –5 mmHg, DBP –3 mmHg) waren effektiv. Untersucht wurden dabei Personen mit normalem Blutdruck, Grenzwerthypertonie und Hypertonie. Die Effekte waren bei der manifesten Hypertonie am größten.
Ausführung isometrisches Training
Es gibt eine Vielzahl von isometrischen Übungen, die sich dadurch auszeichnen, dass eine definierte Körperhaltung angenommen und unter Anspannung für einen definierten Zeitraum gehalten wird. In die Analyse wurden die drei genannten Formen eingeschlossen. Am effektivsten war dabei der Wandsitz, bei dem die typische Haltung über zwei Minuten in vier aufeinanderfolgenden zunehmend anstrengenden Intervallen eingenommen wird. Zwischen den Intervallen liegt eine Pausenzeit von ein bis vier Minuten. Die Trainingsfrequenz lag bei drei Tagen / Woche. Auch wenn die Gesamtdauer der Trainingsintervention nicht angegeben wurden, kann mit blutdrucksenkenden Effekten nach verfügbarer Originalliteratur nach frühestens vier, eher acht bis zwölf Wochen gerechnet werden. Als Vorteile der isometrischen Trainingsform können dabei die Ausführung zu Hause sowie die in Relation kurze Trainingsdauer angesehen werden. Dies dürfte bei den Betroffenen die Adhärenz steigern, die auch bei dieser Trainingsform von besonderer Bedeutung ist. Die Mechanismen, die bei isometrischem Training zur Blutdruckabsenkung führen, sind weiter Gegenstand der Forschung und können in Zusammenhang mit einer endothel-abhängigen Vasodilatation und verminderten arteriellen Gefäßsteifigkeit stehen.
Empfehlungen für die Praxis
Durch eine Belastungsuntersuchung gilt es im Idealfall, Menschen zu erkennen, bei denen eine unkontrollierte Belastungshypertonie vorliegt, um ein zu intensives Training zu verhindern. Durch eine solche Untersuchung sollten Intensität, Dauer und Art der Aktivität abgeleitet werden können [1]. Bei der Auswahl der Aktivität sollten auch die Gewohnheiten, Fähigkeiten und Wünsche einbezogen werden, sodass die regelmäßige Ausführung der Aktivität unterstützt wird und zusätzlich synergistische Effekte bei Kombinationen der Trainingsformen möglich erscheinen. Falls Ausdauertraining bspw. aufgrund orthopädischer Einschränkungen nicht möglich ist oder die Motivation dafür fehlt, kann gut auf isometrisches Training zurückgegriffen werden, auch Kombinationen sind möglich.
Von Bedeutung ist ferner, dass sich auch dynamisches Widerstandstraining positiv auf die Blutdruckregulation auswirkt und im Allgemeinen in kontrollierten Blutdrucksituationen keine Kontraindikation dafür abgeleitet werden kann [3].
In der Praxis bietet es sich an, die einfachen isometrischem Übungen, wie den Wandsitz, kurz zu demonstrieren, um den Zugang zu den Übungen zu erleichtern. Nach konsentierter Empfehlung kann körperliche Aktivität in Abhängigkeit der individuellen initialen Blutdruckwerte verschrieben werden [4].
Fazit
Sowohl Menschen mit normalem Blutdruck und Grenzwerthypertonie als auch Betroffene mit arterieller Hypertonie profitieren von körperlicher Aktivität als Prävention und als effektive Therapiemaßnahme. Auch wenn aerobes Ausdauertraining weiterhin eine Bedeutung hat, stellt isometrisches Training nach aktuellen Daten eine wirksame nicht-medikamentöse Strategie dar, die zukünftig von größeren randomisierten Längsschnittstudien unterlegt werden sollte.
Literatur
[1] Leitlinien.de [Internet]. 2023 [zitiert 28. April 2024]. NVL Hypertonie (2023). Verfügbar unter: https://www.leitlinien.de/themen/hypertonie/version-1
[2] Edwards JJ, Deenmamode AHP, Griffiths M, Arnold O, Cooper NJ, Wiles JD, u. a. Exercise training and resting blood pressure: a large-scale pairwise and network meta-analysis of randomised controlled trials. Br J Sports Med [Internet]. 30. Juli 2023 [zitiert 13. September 2023]; Verfügbar unter: https://bjsm.bmj.com/content/early/2023/08/31/bjsports-2022-106503
[3] Mancia G, Kreutz R, Brunström M, Burnier M, Grassi G, Januszewicz A, u. a. 2023 ESH Guidelines for the management of arterial hypertension The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Hypertension: Endorsed by the International Society of Hypertension (ISH) and the European Renal Association (ERA). J Hypertens. Dezember 2023;41(12):1874.
[4] Hanssen H, Boardman H, Deiseroth A, Moholdt T, Simonenko M, Kränkel N, u. a. Personalized exercise prescription in the prevention and treatment of arterial hypertension: a Consensus Document from the European Association of Preventive Cardiology (EAPC) and the ESC Council on Hypertension. Eur J Prev Cardiol. 1. Januar 2022;29(1):205–15.
Autoren
ist Facharzt für Innere Medizin/Kardiologie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Notfallmedizin, Zusatzqualifikation Sportkardiologie Stufe 3 (DGK). Er ist Partner der Praxis Kardiologie Dreisamtal, Sprecher der Arbeitsgruppe Sport und Prävention im Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK e.V.) und internistisch/kardiologischer Mannschaftsarzt des Sportclub Freiburg e.V.