Die Basis für individualisierte Mikronährstoffkonzentrationen ist ein optimiertes
Ernährungsverhalten und die richtige und umfassende möglichst zelluläre Blutanalytik sowie Bewertung der Analysedaten. Bis heute existieren weltweit noch keine validen leistungsphysiologischen Daten zur praktischen Überprüfung bisheriger Dosierungsempfehlungen von Mikronährstoffen bei Leistungs- und Spitzensportlern.
Dies hat verschiedene Ursachen:
- Die Referenzdaten der einzelnen Labore weisen große Unterschiede auf.
- Die Messmethodik der Mikronährstoffe wird aus unterschiedlichen Kompartimenten des Blutes gewonnen (auf der Serum-, Vollblut- und intraerythrozytären Ebene).
Referenzwerte und Referenzbereiche sind ein wesentliches Grundelement in der Labor gestützten Medizin. Im Leistungs- und Spitzensport sind nach unseren Erfahrungen die zellulären Blutanalysen in den Erythrozyten den Blutanalysen im Vollblut vorzuziehen, da diese einen Langzeitparameter darstellen und nicht kurzfristigen Ernährungseinflüssen unterliegen. Weitere Infos können sie in dem Artikel der Sportärztezeitung 2016 Ausgabe 3 „Mikronährstoffdefizite“ entnehmen.
Paradigmenwechsel gegenüber der bisherigen Labordiagnostik
Europaweit zeigen sich gravierende Unterschiede bei den Referenzbereichen der einzelnen Labore. Diese Referenzbereiche unterliegen einer kritischen Prüfung, da es zurzeit ein untragbarer Zustand in der Evidenz-basierten Medizin ist, dass jedes Labor seine eigenen Referenzbereiche definiert, was zum Teil kuriose Auswirkungen in der Mikronährstoff-Therapie hat. Die Referenzbereiche der Labore sind häufig völlig losgelöst von gruppenspezifischen Betrachtungen (Befindlichkeitsstörungen, möglichen Erkrankungen, sportlichen Aktivitäten etc.). Die Labore analysieren wissenschaftlich mit einer hohen Validität und Reliabilität, aber ohne weitere Informationen über den Kunden/Patienten/Sportler zu haben. Betrachtet man die Untersuchungsergebnisse, dann wird einem bewusst, dass zwar die Parameter überall gleich sind, nicht aber deren Interpretation, weil überall andere „Maßstäbe“ angelegt werden. Wann liegt eine optimale Versorgung mit Mikronährstoffen vor? Wie sind die Werte zu interpretieren? Was ist gut – Was nicht? Wer beurteilt dies?
Weltweit einmalige Datenbank eröffnet neue Möglichkeiten in der Mikronährstoffmedizin
SALUTO – Kompetenzzentrum für Gesundheit und Fitness im westfälischen Halle – hat gemeinsam mit der Stiftung für Mikronährstoffe – Prävention, Gesundheit, Lebensqualität (SfMPGL) eine weltweit einmalige Datenbank mit Analysewerten von über 60.000 Personen, davon 14.450 Leistungs- und Spitzensportlern (Tab. 1) entwickelt. Dieser Abgleich mit mehr als 10.500 Ziel-Referenzwerten von Mikronährstoffkonzentrationen und anderen Blutwerten in fast 300 Kategorien (differenziert nach Alter, Geschlecht, Befindlichkeitsstörungen, Vorerkrankungen und sportlicher Aktivität) ermöglicht eine differenzierte Bewertung der Mikronährstoffkonzentrationen und der sich hieraus ergebenen Therapieempfehlungen. Diese Datenbank ist u. a. die Basis für den Masterstudiengang Mikronährstofftherapie und Regulationsmedizin und für die Bewertung und Interpretation gemessener Mikronährstoffanalysen. In Tab. 1 sind die Ergebnisse der Leistungs- und Spitzensportlern (differenziert nach Alter, Geschlecht, Sportart) dargestellt.
Beispiel aus dem Leistungs- und Spitzensport zeigt die Problematik und die Herausforderung der Zukunft
Beispiel eines 23jährigen Profi-Fußballspielers aus der Champions-League. Neben den ganzheitlichen Blut- und Urinanalysen und der Anamnese ergibt sich folgendes Bild: häufige mentale und physische Leistungsschwankungen, nächtliches Schwitzen, schlechter Schlaf, Hausstaub-Pollenallergie, häufige kleinere Infekte mit Trainingsunterbrechungen und lange Regenerationszeit nach intensiven Trainings-/Spielbelastungen. Die gemessenen Werte der Pyridinium-Crosslinks (PD-Werte mit 102,1 nmol/mmol Kreatinin, DPD-Wert mit 25,2 nmol/mmol Kreatinin) zeigen eine starke Beanspruchung körpereigener Strukturproteine am Energiestoffwechsel. Dies führt nachweislich zu einer Überlastungsreaktion der biochemischen Reaktionskette. Betrachten wir jetzt das zelluläre Mikronährstoffprofil aus den Erythrozyten (siehe Abb. 1) und die Referenzbereiche des Labors, so lassen sich keine realen Bewertungen vornehmen. Aus unserer Datenbank und Software werden jetzt 459 vergleichbare Spieler mit ähnlichen Befindlichkeitsstörungen herausselektiert. Erst jetzt erfolgt eine Bewertung der Ergebnisse, die Sie in Abb. 1 erkennen. Oberhalb von 20 % der Ziel-Referenzdaten vergleichbarer Spieler liegen keine Aktivitätseinschränkungen bestimmter Enzyme mehr vor. Gleichzeitig zeigen neben den anderen Blutergebnissen aber vor allem die Ergebnisse des funktionellen Energiestoffwechsels (Analyse der organische Säuren und Metabolite) die in Abb. 2 gemessenen Werte des Labors. Eine Bewertung dieser Ergebnisse erfolgt mit vergleichbaren Spielern durch die Datenbank. In diesem Fall sind die Zitronensäure und Alpha-Ketoglutarsäure erhöht und zeigen eine biochemische Dysfunktion auf. Nach gezielter individualisierter Mikronährstoffzufuhr normalisieren sich diese nachweislich, die Pyridinium-Crosslinks reduzieren sich nach ca. vier Wochen.
Fazit
Nach erfolgter ganzheitlicher Analyse und Anamnese kann eine reale Bewertung der
Laborparameter erst erfolgen, wenn ein differenzierter Vergleich, hier der von Sportlern, erfolgt. Dies gilt natürlich auch für die Mikronährstofftherapie bei allen anderen Personengruppen mit unterschiedlichen Befindlichkeiten. Für diese Bewertung ist eine umfassende Datenbank notwendig. Laboreinrichtungen bewerten die Analysen nach Geschlecht und Alter, da sie über keine weiteren Informationen verfügen. Aufgrund dessen unterliegen diese Analysen fehlerhafter Interpretationen.
Autoren
studierte und promovierte an der DSHS Köln (Promotionsabschluss Sportwissenschaftler
im Fachbereich Sportmedizin/ Kardiologie). Nach Beendigung einer fünfjährigen Trainertätigkeit mit Bundesligalizenz (u.a. 2. Fußball-Bundesliga) gründete er SALUTO – das Kompetenzzentrum für Gesundheit und Fitness in Halle/Westfalen. Er hat eine Stiftungsprofessur für Sport, Ernährung und Regulationsmedizin an der FHM Bielefeld und ist Leiter des Master Studiengangs Mikronährstofftherapie und Regulationsmedizin, dazu erhielt er 2017 den Innovationspreis der Stiftung für Gesundheit und Umwelt, Schweiz.