Ein in den letzten Jahren immer wieder heiß und kontrovers diskutiertes Thema ist: Muss man Vitamin D3 substituieren und wenn ja, dann in Kombination mit K2? Das Problem ist, dass selbst ärztliche Kollegen und Professoren der Medizin die wissenschaftlichen Daten zu Vitamin D3 und K2 lediglich auf die Senkung der Mortalität, die Reduktion von Krebs- oder kardiovaskulären Erkrankungen reduzieren [1]. Hierbei zeigt sich häufig kein signifikanter Effekt.
Aus Ernährungsinterventionsstudien wissen wir aber auch, wie schwierig es ist, einen signifikanten Effekt auf harte Endpunkte wie Tod nachzuweisen. Und dennoch gibt es genug Evidenz, dass eine vollwertige, ausgewogene Ernährung einen starken positiven Effekt auf unsere Gesundheit hat. Es gibt also viele „Bias“ in den Studien, wie z. B. die Dosis von Vitamin D3, die Einnahme (täglich oder wöchentlich, mit oder ohne eine Mahlzeit mit Fett), die Darreichungsform (Kapseln oder Tropfen) sowie mit und ohne K2. Die Wirksamkeit des Prohormons Vitamin D3 mit seiner Pluripotenz sollte nicht nur auf die Senkung der Mortalität oder auf die Prophylaxe gegen Osteoporose reduziert werden.
Warum dürfen wir nicht auf eine Vitamin D3/K2-Substitution verzichten?
Tun wir es, droht ein schleichender Prozess beschrieben als die 3 D`s:
Depletion → Defizienz → Dysfunktion
Der Übergang von der Depletion zur Dysfunktion dauert in der Regel Jahre und erst dann werden Betroffene symptomatisch, bereits bei einem nachweislich schweren Vitamin D3-Mangel. „Versorgungskritische“ Vitamine wie Vitamin D3 und K2 sind das Paradebeispiel für eine weitverbreitete Mangelversorgung mit konsekutiver Defizienz oder Dysfunktion in unserer Bevölkerung. Denn nur etwa 20 % des Bedarfs werden mit der Nahrung aufgenommen. Die restlichen 80 % kommen über die UV-abhängige eigene dermale Produktion. Problem: Ein relevanter UV-Index ≥ 3 ist in unserem Teil der Erde nur in der Zeit von Mai bis August und nur von 10:00 – 16:00 Uhr relativ regelmäßig gegeben. Dieser wird mindestens für eine signifikante Anregung der Vitamin D-Produktion in der Haut benötigt. Ein Lichtschutzfaktor (LSF) von 10 % senkt bereits die Vitamin D-Produktion um 97 %. Dazu kommt, dass wir bereits ab dem 50. Lebensjahr zunehmend die Fähigkeit verlieren, Vitamin D zu produzieren. Migranten sind durch eine stärkere Hautpigmentierung ebenfalls häufig betroffen. Die Aussage „die beste Vitamin D-Therapie scheint somit nicht die Pille, sondern der Weg in die Natur zu sein“ [1] ist einfach nicht richtig. Bei Vitamin K2 besteht der Mangel darin, dass die üblichen Nahrungsquellen hierzulande, wie Eier, Butter oder grünes Gemüse, nur geringere Mengen an K2 beinhalten. Die beste Nahrungsquelle ist das weniger beliebte, weil nicht besonders schmackhafte Natto, ein vergorenes Sojaprodukt aus Japan. Vitamin K2 (MK-7) kann nicht in unserem Körper hergestellt werden.
Vorteile einer Vitamin D3/K2-Substitution
Diese liegen eigentlich auf der Hand. Eine optimale Versorgung von Vitamin D3 und K2, die eben auf andere Weise in der Regel nicht erreichbar ist. Beide Vitamine wirken als „Dynamisches Duo“ synergistisch auf folgende essenzielle Körperfunktionen:
a) Knochenstoffwechsel – beide Vitamine aktivieren Osteoblasten (Knochenaufbau) und hemmen gleichzeitig Osteoklasten (Knochenabbau).
b) Kardiovaskuläres System – Vitamin D3 und K2 verhindern nachweislich eine Arteriosklerose und senken so das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse [2]
c) Immunsystem und antiinfektiv – Vitamin D3 und K2 wirken auch hier synergistisch, antiinflammatorisch und immunregulierend durch die Senkung des proinflammatorischen Zytokins NF-kB, D3 senkt die Anzahl der ACE-Rezeptoren in respiratorischen Epithelien (Bindungsstelle von SARS-CoV-2), reguliert und stimuliert die Produktion von T-Lymphozyten und damit auch die der Immunglobuline. K2 wiederum inhibiert die Produktion der proinflammatorischen Zytokine IL-1ß, IL-6 und TNFα. [3].
Was, wieviel, wie oft und wann substituieren
Es können Kapseln oder Tropfen genommen werden. Von der Galenik her scheint es keine relevanten Unterschiede zu geben. Die empfohlene Tagesdosis sind 50 IE D3 pro Kg Körpergewicht pro Tag sowie 100 – 200μg K2 MK-7 pro Tag, gerne aus Adhärenzgründen als Kombinationspräparat zu einer Mahlzeit, zur besseren Resorption mit Fettgehalt. Die tägliche Einnahme wird zum Erhalt gleichmäßiger Spiegel favorisiert. Man sollte immer bei einem Vitamin D3-Mangel (<20 ng/ml D3 im Serum) und bei einem schweren Mangel (<10 ng/ml D3 im Serum) subsituieren. Zur schnellen Aufsättigung bei schwerem Mangel zunächst auch hochdosiert, z. B. mit 3 x 20.000IE in der ersten Woche. Welchen Vitamin D3-Spiegel möchten wir erreichen:
Mindestens > 30 ng/ml (gut), Besser 40 – 50 ng/ml (sehr gut), Optimal ≥ 50 ng/ml
Messung & besondere Gruppen
Generell gilt, dass der Vitamin D3-Spiegel im Serum gemessen werden muss. Nur dann kann eine individualisierte Dosierung und Therapieempfehlung erfolgen. Der K2-Spiegel ist in der Routinediagnostik wesentlich schwerer zu messen und es ist auch schwieriger, verlässliche Werte zu bekommen. Vitamin K2 sollte deshalb nach den Standarddosisempfehlungen verabreicht werden. Wir kennen aber bestimmte Gruppen und Situationen, in denen eine Vitamin D3-Substitution zwingend erforderlich ist:
1. Chronisch Kranke und Ältere (spätestens ab 50 Jahre, bei Frauen schon früher wegen des postmenopausal erhöhten Osteoporoserisikos). Gute Evidenz gibt es bei KHK, Immundefizienz (HIV), Depression, Erschöpfungszuständen (Burn-out) und Menschen in Pflegeeinrichtungen.
2. Menschen mit Migrationshintergrund (dunkler Hauttyp) in Mittel- und Nordeuropa.
3. Leistungssportler, da der Muskel- und Knochenstoffwechsel maßgeblich von Vitamin D3 und K2 beeinflusst wird [4]. Die optimalen Spiegel von ≥50ng/ml sind ohne Substitution, insbesondere bei Anwendung von Sonnenschutz und im Herbst und Winter, aber v.a. auch bei Indoor-Sportlern, ohne adäquate Substitution nicht zu erreichen. Vitamin K2 scheint sich auf unterschiedliche Art und Weise als ein „Wundermittel“ zu outen. In einer Studie zeigten trainierte Athleten nach einer achtwöchigen K2 MK-7-Supplementierung ein um 12 % höheres maximales kardiales Output im Vergleich zu trainierten Athleten in der Placebogruppe unter Belastung. Diese Leistungsverbesserung entspricht etwa einem Trainingsequivalent von 6–9 Monaten [5].
Literatur
[1] Gastbeitrag: Keine Vitamin-D-Pillen, sondern Therapie an der frischen Luft! Von Prof. Dr. Stephan Martin, Ärztezeitung, 2. März 2022 Nr. 14
[2] Kheiri et al. „Vitamin D Deficiency and Risk of Cardiovascular Disease: A Narrative Review“ Clinical Hypertension 2018, 24: 9
[3] Simplifying the COVID Puzzle – How Two Essential Vitamins Fortify the Immune System, Dr. Grace McComsey and Dr. Andrew Myers
[4] Alonso et al. „Role of Vitamin K in Bone and Muscle Metabolism“ Review (Springer Verlag), Published online 12 February 2022 https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00223-022-00955-3.pdf
[5] McFarlin et al. „Oral Consumption of Vitamin K2 for 8 Weeks Associated With Increased Maximal Cardiac Output During Exercise“ Altern. Ther. Health Med., 2017 23(4): 26-32
Autoren
ist Facharzt für Innere Medizin, Infektiologie und Ernährungsmediziner. Er führt gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Cseke die Hausärztliche Internistische Gemeinschaftspraxis Cseke & Friese in Gießen. Dr. Friese erlangte 2000 die Zusatzqualifikation „Ernährungsmediziner DAEM/DGEM“ und ist auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM).