Das Risiko, eine Muskelverletzung zu erleiden, ist für Profifußballer während des Spiels sechsmal so hoch wie im Training. Beim Spiel im eigenen Stadion sind dank der medizinischen Einrichtungen vor Ort Diagnose und zügiger Therapiebeginn kein Problem. Doch auswärts? Die Mannschaftsärzte des 1. FC Mainz 05 Dres. med. Mattyasovszky, Ingelfinger und Post über die Vorzüge tragbaren medizinischen Geräts.
Der moderne Fußball hatte seinen Anfang in England im Zeitalter der frühen Industrialisierung. Seitdem hat sich nicht nur in der Spielweise ein enormer Wandel vollzogen. Während noch vor gut 30 Jahren die ärztliche Mannschaftsbetreuung von einzelnen Ärzten ausgeübt wurde, liegt heute die medizinische Betreuung meist in den Händen von Ärzteteams verschiedener Fachdisziplinen. Der Hochleistungssport erfordert von ihnen eine Hochleistungsmedizin, die geprägt ist von Schnelligkeit und Taktik.
Unverzichtbares Bindeglied
Dementsprechend hat der Mannschaftsarzt im Profifußball eine fest etablierte Position und ist bei Verletzungen und Erkrankungen ein unverzichtbares Bindeglied zwischen Spieler, Verein, den behandelnden Spezialisten und häufig auch darüber hinaus zu Managern, Landesverbänden, den Mannschaftsärzten von Auswahlmannschaften. Die häufigen sportmedizinischen Krankheitsbilder erfordern für eine zügige spezifische Therapie eine schnelle und exakte Diagnosestellung.
Verletzungen und Erkrankungen sind für Sportler mit meist langen Trainings- und Wettkampfpausen verbunden. Sowohl aus sportlicher als auch aus sozioökonomischer Sicht stellt eine Krankheit für den professionellen Sportler eine existenzielle Bedrohung und somit eine psychische Belastungssituation dar. Das Verständnis für eine Zeitverzögerung in der Abwicklung und Einleitung einer gezielten Therapie nach Verletzungen ist sowohl bei Spielern als auch in deren Umfeld (persönliche Berater, Verein) nicht selten gering. Entscheidungen, ob angeschlagene Spieler auflaufen können, fallen häufig noch im Mannschaftshotel am Vorabend oder sogar erst kurz vor einem Spiel.
Fast 60 Spiele pro Saison
Während einer Saison absolviert eine Fußball-Profimannschaft je nach Tabellenplatz der zurückliegenden Saison inklusive der Freundschaftsspiele mindestens 40 bis 44 Spiele, Nationalspieler je nach Saison sogar noch einmal zehn bis 15 Spiele mehr. Bei mehr als der Hälfte dieser Spiele handelt es sich in der Regel um Auswärtsspiele. In jeder Saison stehen außerdem mindestens zwei Trainingslager auf dem Programm, die in der Regel auch weit entfernt von zu Hause durchgeführt werden.
Die meisten Verletzungen im Profifußball ereignen sich im Wettkampf. Zum Beispiel ist das Risiko, eine Muskelverletzung zu erleiden, gemessen an den Belastungsstunden im Spiel sechsmal höher als im Training (Ekstrand et al. Am J Sports Med 2011). Studien konnten belegen, dass Fußballer auf fremden Fußballfeldern häufiger Verletzungen erleiden als bei Heimspielen.
All das bedeutet, dass der Mannschaftsarzt gerade auf Reisen für die häufigsten Krankheitsbilder gewappnet sein muss. Unabhängig davon, in welcher Trainings- oder Wettkampfphase sich eine Mannschaft befindet oder in welchem Land sie sich gerade aufhält, die medizinische Versorgung muss auch aus wirtschaftlichen Gründen stets auf höchstem Niveau gewährleistet sein.
Der Arzt im Trainingslager
Im Trainingslager ist neben der medizinischen Fachkompetenz vor allem organisatorisches Talent gefragt. Bereits im Vorfeld muss der Mannschaftsarzt die Infrastruktur erkunden. Denn er muss die medizinischen Versorgungsmöglichkeiten vor Ort kennen und für verschiedene Szenarien Versorgungskonzepte entwickeln. Die Standorte des nächstgelegenen Krankenhauses mit Ultraschall, Röntgen und Magnetresonanztomografie sollten selbst bei Auswärtsspielen im eigenen Land in Erfahrung gebracht werden. Im Ausland können die Ressourcen beschränkter sein als in der heimischen Umgebung.
Bei Verletzungen bei Auswärtsspielen und engem Zeitfenster zwischen Spielende und Rückfahrt stellt sich oft die Frage nach dem Zeitpunkt der Untersuchung. Leider lassen sich muskuloskelettale Erkrankungen nicht immer ohne Weiteres mit einer einfachen körperlichen Untersuchung sicher diagnostizieren. In der Sportmedizin und der Betreuung von Leistungssportlern gewinnt aus diesem Grund der Einsatz von portablen Ultraschallgeräten mehr und mehr an Bedeutung.
Therapie beginnt in der Kabine
Dem Ärzteteam des 1. FSV Mainz 05 stehen auf Reisen ein automatisierter externer Defibrillator (AED) und ein portables Ultraschallgerät der Firma Philips zur Verfügung. Neben Muskel- und Sehnenverletzungen zählen Knie-, Sprunggelenks- und Schulterverletzungen zu den häufigsten Verletzungen im Fußballsport. Gerade diese Erkrankungen lassen sich mit den verschiedenen Schallköpfen bereits sonografisch eingrenzen und erleichtern dem Mannschaftsarzt vor Ort die Entscheidung über die Notwendigkeit weiterführender diagnostischer Maßnahmen wie Röntgen oder Magnetresonanztomografie.
Darüber hinaus kann dank Datenspeicherung der Verlauf von Verletzungen objektiv dokumentiert werden. So kann bereits in der Umkleidekabine nach erfolgter Ultraschalldiagnostik umgehend eine gezielte Therapie eingeleitet werden, ohne dass sich der Fußballer in eine entfernte Klinik begeben muss.
Selbst kleine Knochen und Gelenke der Extremitäten können mit hoher Auflösung beurteilt werden, eine Kortikalisunterbrechung des Knochens oder ein Gelenkerguss können schon sonografisch erkannt werden. Das Vorliegen eines Hämatoms in der Muskulatur nach einem akuten Schmerzereignis kann dem Untersucher wichtige Hinweise bezüglich der Ausprägung der vorliegenden Muskelverletzung liefern.
Unverzichtbar bei Spielerverpflichtung
Nach längeren Reisen können muskuläre Probleme von Beinvenenthrombosen diagnostisch abgegrenzt werden. Selbst kardiologische Untersuchungen wie eine Echokardiografie stellen mit einem portablen Gerät kein Problem mehr dar.
So kann nach stumpfem Thoraxtrauma ein Perikarderguss sicher ausgeschlossen werden. Beim DFL-Check ist eine Echokardiografie ohnehin gefordert. Auch bei Spielerverpflichtungen, die oft unter Zeitdruck durchgeführt werden, können so kardiale Vorschädigungen, die bisher nicht bekannt waren, diagnostiziert werden.
Aus unserer Sicht erleichtert ein portables Ultraschallgerät gerade bei der professionellen Sportlerbetreuung heutzutage die tägliche Arbeit ungemein. Die Diagnosesicherheit und der Zeitgewinn sind evident. Voraussetzung ist allerdings die Ausbildung in der bildgebenden Diagnostik. Es ist zu erwarten, dass gerade im hochprofessionellen Bereich portable Bildgebung ein unverzichtbarer Standard wird.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit den Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Manuelle Therapie, Spezielle Unfallchirurgie und Spezielle Orthopädische Chirurgie. Er besitzt als Wirbelsäulenchirurg seit 2017 das Masterzertifikat der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG) und ist seit 2021 gemeinsam mit Dr. med. Philipp Appelmann leitender Arzt des GALENOS in Mainz. Außerdem ist er seit 2012 Mannschaftsarzt des 1. FSV Mainz 05 und wiss. Beirat der sportärztezeitung.
ist Chefarzt der Inneren Medizin/Kardiologie am Katholischen Klinikum Koblenz-Montabaur und war langjähriger Teamarzt des 1. FSV Mainz 05. Seit 2015 ist er wiss. Beirat der sportärztezeitung, gehört zu deren Redaktionsteam und ist seit 2023 Mitherausgeber.