Die große Range of Motion des Schultergelenks bringt den Nachteil mit sich, dass sie nicht gerade standhaft gegenüber äußeren Einflüssen ist. Deshalb ist eine starke Muskulatur so wichtig für eine stabile Schulter.
Kein Gelenk des Menschen ist so beweglich und vielseitig wie das Schultergelenk. Der Oberarmkopf bildet zusammen mit der Pfanne des Schulterblatts ein Kugelgelenk, das einen Bewegungsradius von nahezu 360 Grad ermöglicht. Der Arm lässt sich nach vorne, hinten, zur Seite und nach innen anheben, außerdem nach innen und außen rotieren. Allerdings würde man dem komplexen Konstrukt der Schulter nicht gerecht werden, würde man es lediglich auf das Kugelgelenk reduzieren. Für die Gesamtfunktion der Schulter spielen neben diesem Hauptgelenk zwei weitere Gelenke eine entscheidende Rolle: Das Schultereckgelenk sowie das Pseudogelenk zwischen Schulterblatt und Brustkorb – durch die freie Beweglichkeit des Schulterblatts auf dem Brustkorb erhöht sich der Bewegungsumfang der Schulter beträchtlich und nur durch die Beteiligung des Schulterblatts lassen sich die Arme überhaupt erst seitlich über 90 Grad anheben.

Genialer Aufbau mit kleinen Macken
Die außergewöhnliche Konstruktion, die die Schulter zu Höchstleistungen im Sinne der Beweglichkeit befähigt, birgt leider auch einige Schwächen, durch die das Gelenk im Laufe eines Lebens kleinere oder größere Probleme verursachen kann. Zu den größeren gehört, dass die Schulter schneller als andere Gelenke luxieren kann. Da die Stabilität der Schulter nicht primär durch „wie die Faust aufs Auge“ passende Knochen gewährleistet ist und zudem auch keinen straffen Bandapparat zur Verfügung hat, kann ein Sturz auf den ausgestreckten Arm beispielsweise beim Fußballspielen, Radfahren oder Skifahren dazu führen, dass der Oberarmkopf aus der Pfanne herausrutscht. Entkoppelt sich das Gelenk so durch eine von außen einwirkende Kraft, rutscht die Oberarmkugel zumeist nach vorne unten weg. Dies ist für den Betroffenen ein sehr schmerzhaftes Ereignis, weshalb man das Gelenk so schnell wie möglich wieder fachmännisch reponieren muss. Oft ist es allein damit allerdings nicht getan, denn in vielen Fällen reißt bei einer solchen Luxation die Gelenkkapsel ein und ein Teil der Gelenklippe an der Pfanne ab – oftmals eine OP-Indikation.

Mehr Power für die Muskelmanschette
Mehr noch als bei anderen Gelenken lassen sich Probleme und Beschwerden an der Schulter verhindern, indem die entsprechenden Muskeln gezielt trainiert werden. Das ist vor allem bei einseitiger Belastung im Alltag, Beruf oder beim Sport wichtig. Denn aus einem solchen funktionellen Ungleichgewicht kann sich eine manifeste Schultererkrankung entwickeln. Da hauptsächlich die Muskeln der Schulter Halt und Stabilität geben, sollte bei der Kräftigung der vier Muskeln der Rotatorenmanschette beim Training auch ein besonderes Augenmerk auf die zumeist schwächeren hinteren Muskeln gelegt werden, d. h. auf die Muskeln zwischen den Schulterblättern sowie auf den Musculus latissimus dorsi. Die beiden aufgeführten Übungen zeigen exemplarisch, wie man seinen Schultern die nötige Stabilität verleihen und sie vor Verletzungen schützen kann. Neben der Kräftigung des Schultergelenks ist auch eine regelmäßige Dehnung der die Schulter umgreifenden Muskeln wichtig. Diesbezüglich zeigt das abgebildete Übungsbeispiel „Dehnung in Seitlage“ eine einfache und effektive Möglichkeit. Sowohl bei der Kräftigung als auch bei der Dehnung heißt die Devise: Dranbleiben und mindestens zwei Mal pro Woche durchführen.

Buchempfehlungen

Fitte und starke Gelenke
Autor: Dr. med. Wolfgang P. Schillings
Verlag: Stiftung Warentest 2025
ISBN: 978-3-7471-0924-3
Autoren
ist Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Diplom-Sportlehrer und Gründungsmitglied des Athleticums – dem Kompetenzzentrum für Sport- und Bewegungsmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Außerdem ist er seit 2012 Mannschaftsarzt des HSV. Spezialgebiete: konservative Orthopädie, Sport-/Fußballmedizin, Naturheilverfahren.
ist Sportwissenschaftler, M. Sc. und seit 2013 Angestellter des UKE Athleticums. In seiner nunmehr zehnten Saison als Rehabilitationstrainer beim Hamburger SV ist er dafür verantwortlich, die Profifußballer bestmöglich wieder fit zu bekommen.