Zur Therapie von Knorpelschäden stehen verschiedene Therapieverfahren zur Verfügung, wobei die Mikrofrakturierung als eines der am häufigsten angewandten Verfahren vor allem bei größeren Defekten Limitierungen aufweist, zu intraläsionalen Osteophytenbildungen führen kann und eine im Vergleich zur Knorpelzelltransplantation geringere Regeneratqualität aufweist.
Zur Verbesserung der Mikrofrakturierung kann diese mit synthetischen Matrizes kombiniert werden, zusätzlich mit Zellen angereichert werden oder durch Applikation von Wachstumsfaktoren (z. B. PRP) die Heilung optimiert werden. Osteochondrale Defekte am Knie sind deutlich seltener und schwieriger zu therapieren als reine chondrale Defekte. Prinzipiell ist dabei der subchondrale Knochen mit Knochenersatzmaterial, idealerweise durch autologe Spongiosa (z. B. aus dem Beckenkamm), wieder herzustellen. Anschließend erfolgt die Therapie der Knorpelschicht, wobei hier für Defekte deutlich über 1 cm2 hauptsächlich die Knorpelzelltransplantation oder die -matrixassoziierte Knochenmarkstimulation angewendet werden können [1]. Letztere hat den Vorteil, dass das Verfahren einzeitig durchgeführt werden kann und eine arthroskopisch gestützte Durchführung möglich ist. Dadurch wird die Morbidität einer Arthrotomie vermieden. Die Membran erhöht dabei die Qualität des Regeneratgewebes im Vergleich zur alleinigen Knochenmarkstimulation [2, 3]. Die Applikation von Knochenmarkaspirat verbessert dabei das Ergebnis [2], allerdings sind dabei die regulatorischen Vorgaben in Deutschland zu beachten. Der folgende Fall beschreibt dabei die Therapie eines mittelgroßen osteochondralen Defektes mittels minimal invasiver Spongiosaplastik und Knochenmarkaspirat, Knochenmarkstimulation und Anwendung einer Hyaluronsäuremembran.
Fallbericht
29 Jahre alter, sportlich aktiver männlicher Patient stellte sich bei uns mit anterioren Knieschmerzen, rezidivierenden Blockierungen und Krepitationen vor. Nativ radiologisch zeigte sich bereits der Verdacht auf einen osteochondralen Defekt in der Trochlea, der im MRT bestätigt wurde und eine Größe von 2 x 1,5 cm aufwies (Abb. 1a). Der knöcherne Defekt betrug dabei im Zentrum der Läsion ca. 2 – 3 mm. Klinisch und radiologisch gerade Beinachse, bandstabil. Daraufhin wurde die Indikation zur operativen Therapie gestellt.
OP Technik
Zunächst erfolgt eine diagnostische Arthroskopie mit Entfernung der freien Gelenkkörper (Abb. 1b). Bei der Defektpräparation ist das Entfernen aller instabilen Knorpelanteile und das Herstellen stabiler Knorpelränder wichtig. Dabei sollten möglichst scharfe Instrumente wie z. B. Küretten oder scharfe Löffel verwendet werden oder speziell für die Knorpelpräparation entwickelte Instrumente (z. B. Chondrectom™). Der so entstandene gut definierte Defekt wird dann mit einer Markierungssonde vermessen. Anschließend erfolgt die Knochenmarkstimulation mit Eröffnung des subchondralen Knochens. Neuere Studien haben gezeigt, dass tiefere Perforationen mit insgesamt kleineren Durchmessern (z. B. NanoFX®) eine bessere Regeneratqualität des Knorpelgewebes aufweisen als die häufig verwendete Perforation mittels Mikrofrakturierungsahle [4]. Bei größeren osteochondralen Defekten mit sklerotischem Knochen erfolgt die Perforation mit etwas größeren K-Drähten (1,6 bis 1,8 mm), um sicher die Sklerose aufzubrechen und die knöcherne Regeneration zu fördern (bei intaktem subchondralem Knochen kleinere Perforationen!) (Abb. 1c). Die gesamte Gelenkflüssigkeit wird entfernt (Abb. 1d). Anschließend wird die auf Hyaluronsäure basierende Matrix (Hyalofast®) auf die entsprechende Größe zugeschnitten (Abb. 1e) und die Matrix durch eine zuvor platzierte Kanüle eingeführt und mit der Sonde in den Defekt modelliert (Abb. 1f). Kleinere knöcherne Defekte bis 2(–3) mm Tiefe können dabei ohne separate Spongiosaanlagerung therapiert werden. Die minimalinvasive Gewinnung von Spongiosa und Knochenmarkaspirat erfolgt über eine kleine Stichinzision ca. 2 cm posterior der Spina iliaca anterior mittels spezieller Trokare (MarrowCelution™) (Abb. 2a – c). Hiermit lässt sich für kleinere osteochondrale Defekte genügend Spongiosa gewinnen, die dann in den Defekt eingebracht wird und mit Stößeln verdichtet wird. Zusätzlich kann das entnommene Knochenmarkaspirat appliziert werden.
Wenn der Defekt gut verschlossen ist, ist kein weiteres Fixierungsmaterial erforderlich. Andernfalls kann die Matrix zusätzlich mit Fibrin-Kleber fixiert werden. Vor dem Verschluss sollte das Gelenk bewegt werden, um eine sichere Fixierung der Matrix zu gewährleisten. Die Zugangsmorbidität ist dabei minimal (Abb. 2d). Zur Nachbehandlung empfehlen wir eine mindestens 24 – 48 h Streckstellung und dann weiter nach Standardschema für Knorpeltherapie mit 10 kg Tippbelastung für 6 Wochen sowie intensiver CPM Anwendung.
Ergebnis
Im hier vorliegenden Fall war nach drei Monaten eine schmerzfreie Alltagsbelastung gegeben, größere sportliche Tätigkeit wurden nach neun Monaten wieder erlaubt. Bisher ist der Patient schmerzfrei und aktiv geblieben. Insgesamt gibt es zunehmend Studien, die den Vorteil der matrixunterstützten Knochenmarkstimulation gegenüber der alleinigen Knochenmarkstimulation darstellen [2, 3].
Diskussion
Die vorgestellte minimal invasive Entnahme von Beckenkammspongiosa sowie Beckenkammpunktat in Kombination mit einer arthroskopischen matrixunterstützten Knochenmarkstimulation ist eine technisch einfache und kostengünstige Möglichkeit der Behandlung von osteochondralen Defekten mit nur minimaler Zugangsmorbidität und sollte daher bei der Behandlung betroffener Patienten in Betracht gezogen werden. Sie kann bei einer Vielzahl von Gelenken eingesetzt werden. Eine zusätzliche Kombination mit mesenchymalen Stammzellen aus dem Knochenmark könnte vielversprechend sein, unterliegt aber länderspezifischen Zulassungsfragen. Die regulatorischen Vorgaben in Deutschland sehen vor, dass Knochenmarkaspirat bei knöchernen Defekten zur Regeneration des Knochens (homologous use) problemlos eingesetzt werden kann und bei rein chondralen Defekten (non homologous use) eine Genehmigung eingeholt werden muss. Mittlerweile liegen auch Langzeitergebnisse einer Fallstudie mit bis zu zehn Jahren Follow-Up vor, die zeigen, dass die Kombination aus Hyaluronsäurematrix und Knochenmarkaspirat langfristig gute Ergebnisse liefert [3].
Literatur
- Empfehlungen der AG Klinische Geweberegeneration zur Behandlung von Knorpelschäden am Kniegelenk. Niemeyer P, Albrecht D, Aurich M, Becher C, Behrens P, Bichmann P, Bode G, Brucker P, Erggelet C, Ezechieli M, Faber S, Fickert S, Fritz J, Hoburg A, Kreuz P, Lützner J, Madry H, Marlovits S, Mehl J, Müller PE, Nehrer S, Niethammer T, Pietschmann M, Plaass C, Rössler P, Rhunau K, Schewe B, Spahn G, Steinwachs M, Tischer T, Volz M, Walther M, Zinser W, Zellner J, Angele P. Z Orthop Unfall. 2023 Feb;161(1):57-64. doi: 10.1055/a-1663-6807.
- Long-term Clinical Outcomes of One-Stage Cartilage Repair in the Knee With Hyaluronic Acid-Based Scaffold Embedded With Mesenchymal Stem Cells Sourced From Bone Marrow Aspirate Concentrate. Gobbi A, Whyte GP. Am J Sports Med. 2019 Jun;47(7):1621-1628. doi: 10.1177/0363546519845362.
- Matrix-induced chondrogenesis is a valid and safe cartilage repair option for small- to medium-sized cartilage defects of the knee: a systematic review. Karpinski K, Häner M, Bierke S, Petersen W. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc. 2021 Dec;29(12):4213-4222. doi: 10.1007/s00167-021-06513-y.
- Depth of subchondral Perforation Influences the Outcome of Bone Marrow Stimulation Cartilage Repair. Chen H, Hoemann CD, Sun J, Chevrier A, McKee MD, Shive MS, Hurtig M, MD Buschmann. J Orthop Res. 2011 Aug;29(8):1178-84. doi: 10.1002/jor.21386.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen u.a. Sportmedizin und spezielle orthopädische Chirurgie. Er ist Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Malteser Waldkrankenhaus St. Marien, Erlangen. Außerdem ist Prof. Tischer Präsident der GOTS sowie Kongresspräsident des GOTSKongresses 2024 in Nürnberg.