Vegane Ernährung liegt im Trend, und der macht auch vor Profifußballern nicht Halt. Die Grundlagen einer sportlergerechten Ernährung und die Möglichkeiten des Fleischverzichts auch für hochklassige Spieler, erläutert Sportmediziner Dr. med. Klaus Pöttgen.
Belastung führt je nach Trainingsform in der beanspruchten Muskulatur als Anpassung zum Anstieg der Proteinbiosynthese und zur Spezifizierung der Muskulatur sowie deren Fasertypen. Ebenso führt eine Reduzierung der Belastung oder eine Verletzung bis hin zur Unbeweglichkeit zum Abbau von Muskelmasse. Dies ist mit Funktionsverlust durch Atrophie und katabole Prozesse sowie durch verminderte Proteinbiosynthese verbunden. Eine verminderte Proteinbildung in Muskeln und Sehnen sowie eine verminderte Stimulierung durch Aminosäuren führt vor allem nach Verletzungen zu einem raschen und dramatischen Abbau von Muskelgröße, Muskelkraft, Sehnenstruktur und Funktion.
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt eine tägliche Proteinversorgung von 0,8 bis 1,2g/kg Körpergewicht. Leistungssportler haben einen deutlich höheren Bedarf von bis zu 2g/kg Körpergewicht. Eine Proteinaufnahme von unter 1g/kg Körpergewicht führt bei Leistungssportlern sogar zu einer negativen Stickstoffbilanz (Friedman, J.E. & Lemon, P.W., 1989).
Sport bewirkt einen erhöhten Proteinumbau und Proteinumsatz als Zeichen von Anpassungs-, Reparatur- und Regenerationsvorgängen, was zu einem täglichen Aminosäurenaustausch von zwei bis 15 Prozent führen kann. Physiologisch normal sind zwei bis sechs Prozent (Mader, A., 1990).
Eine erhöhte Proteinbiosynthese wird im Wesentlichen durch
- Hormone (Testosteron, HGH, IGF-1),
- Bewegung (aktive und passive sowie Elektrostimulation) und
- Eiweißzufuhr
erzeugt.
Eiweiß kann im Gegensatz zu Fett und Kohlenhydraten nicht gespeichert werden. Aminosäuren wirken damit an sich anabol oder werden im Stoffwechsel verbrannt bzw. in Kohlenhydrate oder Fett umgebaut. So zeigt in früheren Studien Hühnereiweiß 48 Prozent, Fleisch 32 Prozent, Kuhmilch 16 Prozent und Sojaprotein 17 Prozent anabole Verstoffwechselung. Der Rest wird oxidiert und verbrannt. Gemische von essenziellen Aminosäuren (Valin, Leucin, Isoleucin, Methionin, Phenylalanin, Tryptophan, Lysin, Threonin), als Master Amino Acids (MAP®) bekannt, sind dagegen zu 99 Prozent anabol verwertbar und können schon nach 23 Minuten resorbiert werden (Lucá-Moretti, M. et al., 2003).
Genauere Studien unterscheiden mit markierten Aminosäuren die Proteinbiosynthese, den Proteinabbau und aus der Differenz die sogenannte Nettobilanz. So gilt wie in früheren Studien, dass die Gabe von Eiweiß nach Belastung zu einer positiven Nettobilanz und Maximierung des anabolen Effekts führt. Wird dies nicht beachtet und werden dazu noch Trainingsreize zu eng gesetzt, lassen sich dadurch auch Folgen wie Übertraining und Infekte erklären (Hinweis: Antikörper bestehen aus Aminosäuren).
Aus diesen Ausführungen lässt sich folgern, dass der Verzicht auf tierische Produkte wie Hühnerei, Milch und Fleisch zu einer geringeren Proteinbiosynthese führt. Eine vierwöchige Trainingsphase mit Gabe von zehn Gramm essentieller Aminosäuren pro Tag konnten sowohl die Kraft in einer Gerätetrainingsgruppe als auch die Ausdauerleistung in einer Radgruppe gegenüber der Placebogruppe signifikant verbessern (Hottenrott & Neumann, 2008). Den höchsten Effekt zeigte die Gabe von Eiweiß und Kohlenhydraten gleichzeitig (Beelen, M., 2008; van Loon, L.J.C., 2014). Die Eiweißgabe vor dem Schlafen erwies sich als effektiv über Nacht mit einer positiven Nettobilanz (Beelen, M., 2008; Res, P.T., 2012).
Zudem ist zu beachten, dass die Eiweißgabe nicht nur nach harten Belastungen, sondern nach jeder Belastung sinnvoll ist, da hier die Proteinbiosynthese erhöht ist. So ist dies nach Verletzungen in der Reha sowie beim „Auslaufen“ nach einem Punktspiel am nächsten Tag zu beachten. Durch diesen geförderten Anabolismus lassen sich Verletzungen und Überlastungsschäden sowie die Folgen von Übertraining verhindern, welche sich über die Saison summieren können.
Eiweißmenge
Nach Gabe verschiedener Mengen von Hühnereiweiß nach dem Krafttraining konnte bei sechs jungen Männer (Alter 22 +/- 2 Jahre) gezeigt werden, dass die Proteinsyntheserate ab einer Gabe von 20 Gramm abflacht (Moore, D.R., 2009; Abb. 1).
Milch oder Soja
In Studien wurde untersucht, ob Sojaeiweiß, Molke oder Kasein zu einer höheren Proteinbiosyntheserate führt. Milcheiweiß, welches sowohl durch einen höheren Anteil an verzweigtkettigen als auch an essentiellen Aminosäuren (wie Leucin) gekennzeichnet ist, führte nach Belastung zu einer 34 Prozent höheren Proteinbiosyntheserate als die Gabe von Sojaeiweiß (Wilkinson et al., 2007; Abb. 2). Molke zeigte sich effektiver als Kasein (Pennings, B., 2011).
Zusammengefasst
- Eiweißgabe nach Belastung führt zu einem höheren Anstieg der Proteinbiosynthese und ist essentiell für die Leistungsfähigkeit, Belastbarkeit und Regeneration im Trainingsprozess.
- Eiweiß sollte mit Kohlenhydraten direkt nach der Belastung zugeführt werden.
- Milcheiweiß führt zu einer höheren Proteinbiosynthese als Sojaeiweiß.
- Bei jungen Menschen stimulieren 20 bis 30 Gamm Eiweißgabe direkt nach Belastung die Proteinbiosynthese optimal.
- Eiweißgabe vor dem Schlafen führt zu einer positiven Nettobilanz über Nacht.
- Eiweiß ist umso effektiver, je höher der Anteil der essenziellen Aminosäuren ist.
- Entzündungshemmende Substanzen (NSAR und Glucokorticoide) wirken sich negativ auf die Proteinbiosynthese aus.
- Omega-3-Fettsäuren werden über die natürliche Nahrungszufuhr empfohlen und wirken sich positiv bei Verletzungen aus.
- Inzwischen werden vegane Eiweißriegel und Eiweißpulver am Markt angeboten. Auf die Wertigkeit ist allerdings sehr zu achten, um die Proteinbiosynthese optimal zu stimulieren.
Beispiel Marco Sailer
Seit 2013 spielt Marco Sailer für den SV Darmstadt 98 und ist mit dem Team in zwei Jahren von der dritten in die erste Fußball-Bundesliga aufgestiegen. Seit Dezember 2014 ernährt er sich weitestgehend vegan. Anlass, um nach einem halben Jahr die sensiblen Werte zu kontrollieren.
Der Vegetarierbund Deutschland geht für das Jahr 2015 von ca. 7,8 Millionen Vegetariern (ca. 10% der Bevölkerung) und 900.000 Veganern (ca. 1,1% der Bevölkerung) in Deutschland aus. Studien zeigen, dass die Zufuhrempfehlungen für folgende Nährstoffe oft nicht erreicht werden: Protein, Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D, Vitamin B12, Kalzium, Eisen, Jod und Zink.
Protein
Zwar wird Sojaprotein wie Protein aus Eiern und Milch vom Körper resorbiert, jedoch ist die anabole Wirkung unterschiedlich, denn im Sport zählt die Einbaurate und nicht nur die Menge. Die Non-Profit-Organisation Vegetarian Resource Group empfiehlt eine Zufuhr von 0,9 g/kg/KG für Veganer und 1,3 bis 1,8 g/kg/KG für vegetarische/vegane Athleten.
Vegane Proteinpulver können bei der richtigen Mischung biologische Wertigkeiten von über 150 erreichen.
Wert Marco Sailer
Albumin: 4780 mg/dl (Norm 3500-5200)
Jod
Veganer sollten ausschließlich jodiertes Speisesalz verwenden. Die Tagesempfehlung liegt bei 200 μg, um Kropfbildung zu vermeiden. Eine zu hohe Aufnahme von Nitrat durch die Nahrung (Spinat, Rettich, Radieschen, Mangold) oder durch Trinkwasser mit Werten >50 ml/l hemmt den aktiven Jodidtransport in der Schilddrüse und im Gastrointestinaltrakt. Eine Schilddrüsenunterfunktion lässt sich durch die Bestimmung der Schilddrüsenhormone ermitteln, und eine Sonografie der Schilddrüse zeigt deren Struktur. Obwohl die Jodbestimmung im Blut kontrovers diskutiert wird, gibt diese trotzdem Hinweise.
Werte Marco Sailer:
Jod (Serum) 52 µg /l (Norm 46-70)
TSH 1,93 mU/l (Norm 0.30 – 4.00)
freies T3 5,9 pmol/l (Norm 3.90 – 6.70)
freies T4 13,7 pmol/l (Norm 12.0 – 22.0)
Zusammengefasst: euthyreote Stoffwechsellage (= im Normbereich), Sonografie der Schilddrüse homogen, regelrechte Größe, keine Knoten, keine Zysten.
Zink und Eisen
Die Zink- und Eisenaufnahme wird durch manche sekundären Pflanzenstoffe wie Phytate (Vollkorn, Hülsenfrüchte) bei einem hohen Phytat-Zink-Verhältnis (> 15:1) und Polyphenole (Tee, Kaffee) in der Nahrung gehemmt. Bei Zufuhr phytatreicher Lebensmittel über einen längeren Zeitraum erfolgt eine Anpassung der Resorptionsleistung im Darm an die erschwerten Bedingungen.
Die Zufuhrempfehlung für Zink liegt bei 10 mg (Männer) und 7 mg (Frauen) pro Tag. Zink ist für die Funktion von mehr als 200 Enzymen nötig, für die Eiweißsynthese sowie die Zellteilung unerlässlich und wesentlich für das Immunsystem. Es konkurriert bei der Resorption mit z.B. Kalzium, Eisen und Kupfer.Die akkurate Zink-Bestimmung mit einem Parameter ist schwierig. Der Serumwert allein bietet keine sichere Aussage, da der größte Zinkanteil (95-98%) in den Geweben und Organen liegt. Sowohl intra- als auch extrazelluläres Zink ist überwiegend an Proteine gebunden. Daher sollten ein Vollblutzinkspiegel und die alkalische Phosphatase bestimmt werden. Auch eine Haaranalyse kann Auskunft über die vergangenen Monate geben. In der Haaranalyse wird allgemein von einer Wachstumsrate der Haare von einem Zentimeter pro Monat ausgegangen. Dementsprechend wurden sechs Zentimeter Haar analysiert.
Werte Marco Sailer
Alkalische Phosphatase 122 (Norm 40-129) U/l
Zink Haaranalyse 99,7 (Norm 150-272) µg /g
Zink im Serum 6,2 (Norm 4-7,5) mg/dl
Zink im Vollblut (PL/SE) 1,01 (Norm 0,7-1,2) mg/dl
Zink im Vollblut (Erythrozyten) 12,6 (Norm 8,8 -16,0) mg/dl
Zink im Vollblut (Leukozyten) 2,29 (Norm 1-5) Fetogramm /Zelle
Da in der Haaranalyse niedrige Werte gefunden wurden, in allen anderen zellulären Parametern jedoch Normalwerte vorliegen, besteht kein Handlungsbedarf. Für diese Befundkonstellation könnte die oben genannte Anpassung des Darms verantwortlich sein.
Eisenmangel und dessen Symptome sind im Leistungssport sehr verbreitet. Müdigkeit sowie mangelnde Leistungsfähigkeit sind die häufigsten Anzeichen. Hier ist es sinnvoll, Serum-Ferritin und Hämoglobin zu bestimmen. Ferritin-Werte im Bereich von 20 µg /l bedürfen sicher einer Therapie. Oft wird noch mit Eisentabletten behandelt, was im Leistungssport obsolet ist. Die Eisengabe sollte hier intravenös erfolgen.
Werte Marco Sailer
Ferritin 60,2 (Norm 22-322) µg /l
HB 16,8 ( Norm 13,5 -17,5) g/dl
Kalzium
Kalzium lässt sich gut im Serum bestimmen. Oxalatreiche Lebensmittel (z.B. Rhabarber, Spinat, Mangold und Kakao) hemmen die Kalziumaufnahme; hohe Kochsalz- und Koffeinzufuhr fördert Kalziumverluste.
Wert Marco Sailer
2,4 (Norm 2,2 -2,65) mmol/l
Vitamin D
Mehr als 50 Prozent des täglichen Vitamin-D-Bedarfs wird aus der körpereigenen Produktion gedeckt und überwiegend in Fett und Muskulatur mit langer biologischer Halbwertszeit gespeichert. Als Lieferanten eignen sich Vitamin-D-angereicherte Lebensmittel (z.B. Margarine, Orangensaft) oder Pilze. Mittlerweile gibt es auch Präparate mit Vitamin D3 aus pflanzlichen Quellen. Labor im Serum: 25-OH-Vitamin-D3.
Wert Marco Sailer
54,4 (Norm 20-70) ng/ml
Vitamin B12
Vitamine der Gruppe B dienen als Vorstufen für Coenzyme. Sie sind an vielen Prozessen zur Metabolisierung (Verstoffwechselung) von Proteinen (Eiweiß), Fetten und Kohlenhydraten beteiligt. Vitamin B12 kommt fast ausschließlich in tierischer Nahrung vor. Die Gefahr eines Vitamin-B12-Mangels bei Vegetariern und Veganern ist daher sehr viel höher als bei einer Ernährung mit Mischkost. Vitamin B12 ist nur in äußerst geringen Mengen in Wurzel- und Knollengemüse, vergorenen Lebensmitteln und fermentierten Sojaprodukten enthalten. Auch in Meeresalgen befinden sich oft nur Vitamin-Analoga ohne Vitaminwirksamkeit.
Holotranscobalamin (Holo-TC) entspricht dem bioverfügbaren, an Transcobalamin gebundenen B12 im Blut. Es ist der früheste Marker einer beginnenden Unterversorgung und kann einmal im Jahr bestimmt werden. Bei einem Wert <35 pmol/l ist ein Mangel wahrscheinlich, und es sollten weitere Parameter (Methylmalonsäure MMA im Urin, Homocystein und Vitamin B12 im Serum) untersucht werden.
Werte Marco Sailer
Holotranscobalamin (Holo-TC) 79,9 (Norm > 50) pmol/l
Methylmalonsäure (MMA) im Urin 1,44 mg/g Krea (Norm <3)
Homocystein 11,9 µg /l (Norm <10; 10-15 tolerabel)
Vitamin B12 im Serum 402 ng/l (Norm 211-911)
Omega-3-Fettsäuren
Sie schützen vor kardiovaskulären Risiken und unterstützen Regenerationsprozesse nach dem Sport. Raps-, Lein- und Walnussöl sowie Nüsse liefern Veganern Omega-3-Fettsäuren. Auf eine vermehrte Zufuhr sollten Veganer achten. Das optimale Verhältnis der Omega-3/Omega-6-Aufnahme soll etwa 0,4 betragen.
Als ein mögliches Maß dient die Bestimmung der Konzentrationsverhältnisse der Eikosapentaen- (EPA; C20:5(n-3)) und der Arachidonsäure (AA; C20:4(n-6)). Beide Fettsäuren konkurrieren um den Einbau in Zellmembranen. Die Bestimmung des EPA/AA-Quotienten im Serum erfolgt in unserem Labor mittels Gaschromatografie-Massenspektrometrie. In einer kanadischen Studie ergab sich ein Mittelwert von 0.08 (Streuung 0.01 bis 0.41) bei nicht supplementierten Probanden (Angaben des Labors).
Wert Marco Sailer
Es wurden zehn Fettsäuren bestimmt. Der EPA/AA-Quotient lag bei 0.09 und damit im Normbereich.
Fazit
Bei Marco Sailer zeigte sich ein Zinkmangel in der Haaranalyse. Im Serum und Vollblut bestätigte sich der Mangel nicht. Dies könnte durch die Umstellung der Ernährung und die spätere Adaptation des Darmsystems erklärt werden. Eine Substitution ist nicht erforderlich.
Die Harnsäurewerte liegen trotz veganer Kost zwischen 6,6 und 8,1 mg/dl (Norm 3,5 – 7,2). Da Purine vor allem in Fleisch vorkommen, ist dies zunächst einmal überraschend. Oft ist jedoch nicht bekannt, dass einige vegane Lebensmittel, welche ggf. vermehrt kompensatorisch zugeführt werden, einen hohen Puringehalt haben (insbesondere Linsen, Erbsen, Nüsse). Hohe Harnsäurewerte können sich negativ auf den Muskel-Sehnen-Apparat auswirken und sind Ursache der Gicht. Bei allen anderen Nährstoff- und Stoffwechselanalysen zeigte sich kein Hinweis auf einen Mangel.
Nahrungsergänzung
Inzwischen gibt es speziell auf Veganer zugeschnittene Nahrungsergänzungsmittel (NEM). Sie können die Defizite in der fleischlosen Kost ausgleichen. Ihr Einsatz ist daher unter Umständen sinnvoll. Zwei Beispiele:
Kreatin
An der Biosynthese von Kreatin sind drei Aminosäuren beteiligt: Glycin, Arginin und Methionin. Kreatin ist vor allem in Fleisch und Fisch in Mengen von etwa zwei bis sieben Gramm pro Kilogramm Nahrung enthalten, Obst und Gemüse enthalten nur Spuren davon.
Die Wirkung von Kreatin ist vor allem bei wiederholten Radsprint- und Eislaufsprint-Zeiten bei Eishockeyspielern, wiederholten Laufsprint-Zeiten sowie bei der Aufrechterhaltung von Sprunghöhen während wiederholter Sprungtests bei Fußballspielern belegt. Kreatin kann daher sinnvoll von Veganern zur Leistungssteigerung supplementiert werden.
L-Carnitin
L-Carnitin ist eine körpereigene Substanz, die der Organismus aus den beiden Aminosäuren Lysin und Methionin selbst herstellen kann. Carnitin fehlt in einer vegetarischen Ernährung weitestgehend. Bei einer gemischten Kost können täglich zwischen 100 und 300 mg L-Carnitin durch die Nahrung aufgenommen werden. Ovo-Lakto-Vegetarier nehmen nur 15 bis 25 Prozent und Veganer um die drei bis zehn Prozent dieser Menge auf. Der restliche Bedarf wird durch die endogene Synthese mit den essentiellen Kofaktoren Vitamin C, Vitamin B6, Niacin und Eisen gedeckt, wenn diese in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Es gibt Hinweise, dass es nach intensiven Ausdauerbelastungen zu einem messbaren Carnitin-Defizit kommen kann. Die Rolle von L-Carnitin wird daher im Leistungssport und bei Veganern aktuell diskutiert.
BIA-Messung
Die Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) ist ein wissenschaftlich anerkanntes und etabliertes Messverfahren. Das Prinzip beruht auf der Messung des Körperwiderstands (Impedanz, Z). Die Körperzellmasse (BCM) ist der Ort des Zellstoffwechsels und des Energieumsatzes und damit ein Maßstab für die Leistungsfähigkeit, während die extrazelluläre Masse (ECM) die Versorgungssituation beschreibt. Stabile, intakte, gesunde Zellmembranen zeigen einen hohen Reaktanzwert (kapazitiver Widerstand, Xc) und damit einen guten Ernährungs- und Trainingszustand an.
BIA-Messungen werden in Italien im Sport (Fußball) systematisch eingesetzt. Bei Darmstadt 98 wird diese Messung zur Steuerung des Regenerationsprozesses und der Belastbarkeit seit dem Jahr 2012 genutzt. Marco Sailer wird seit 2013 mit BIA-Messungen begleitet. Mittelt man alle seine Werte bis Dezember 2014 (Mischkost) und vergleicht sie mit denen aus dem Jahr 2015 (weitgehend vegane Ernährung), so lässt sich feststellen, dass sich der Ernährungszustand Sailers sogar verbessert hat. Ein positiver Effekt jeder Ernährungsumstellung ist, dass sich der Athlet intensiver mit Ernährung beschäftigt und wählerischer wird. Allein daraus entstehen positive Effekte.
Die Gefahr einer Verschlechterung besteht vor allem infolge fehlgesteuerter Diäten, bei denen die Eiweißzufuhr anteilig mitreduziert wird. Marco Sailer hat insgesamt, trotz seiner Athletik, einen messbaren Fettanteil von 15 bis 16 Prozent. Dieser Wert ist relativ hoch für den Kaderdurchschnitt, vor allem jedoch im viszeralen Fettanteil begründet.
Die Widerstandsfähigkeit eines Menschen ist nicht umsonst ein umgangssprachlicher Begriff, der eine solche Stabilität meint, die Gesundheit, Leistungsfähigkeit und zum Beispiel geringe Infektanfälligkeit unterstellt. Im Fußball kann man mithilfe der BIA insbesondere zu Beginn der Saison einen guten Ausgangszustand definieren.
In Abbildung 5 finden Sie ein Beispiel eines Spielers, der sich bereits im Topzustand befindet und in Abbildung 6 einen Spieler, der mit (für einen Leistungssportler) relativ schlechten Werten in die Saison startet. Die Abbildung 7 zeigt am Beispiel eines Darmstädter Spielers, der am Durchmarsch in die 1. Bundesliga beteiligt war, welche Verbesserungen am Ernährungszustand des Athleten innerhalb von zwei Jahren erzielt werden konnten.
Wir bedanken uns ausdrücklich bei Marco Sailer, der mit der Veröffentlichung seiner Daten einen Einblick in die Ernährung im Spitzensport erlaubt und so anderen Sportlern die Umstellung auf vegane oder vegetarische Ernährung in professioneller Begleitung erleichtert.
Autoren
ist leitender Arzt BAD Gesundheitsvorsorge und Sicherheitstechnik GmbH. Von 2011 bis 2016 und 2019 bis 2020 war er Teamarzt des SV Darmstadt 98 und von 2015–2022 Arzt im Nachwuchsleistungszentrum. Von 2022–2023 ergänzte er das medizinische Team des 1. FC Kaiserslautern in den Bereichen Ernährungsmedizin, Regeneration und Leistungsmedizin und als Mannschaftsarzt. Von 2002 bis 2014 war er medizinischer Leiter Ironman Germany und ist im wiss. Beirat der Deutschen Triathlon Union (DTU). Außerdem ist er wiss. Beirat der sportärztezeitung.