Zuletzt sind einige Behandlungsempfehlungen der Knie- und Hüftarthrose mit sehr unterschiedlichen (meist negativen) Aussagen zur Injektionstherapie in diesen Gelenken erschienen, die es mitunter schwer machen, dem praktizierenden Arzt einen wirklichen „Roten Faden“ an die Hand zu geben. Die in den Artikeln getroffenen Aussagen basieren meist auf Metaanalysen oder Leitlinien unterschiedlicher internationaler Gesellschaften.
Wenn man sich jedoch die Publikationen der letzten Jahre gerade zum Thema der Eigenblut / „Platelet-Rich-Plasma“ (PRP) Injektionen ansieht, verwundert es, dass gerade diese Therapieform in den Behandlungsempfehlungen so schlecht abschneidet. Im folgen Artikel möchte ich versuchen, etwas „Licht ins Dunkel“ zu bringen, bzw. zum Nachdenken, vor allem zum eigenen Denken, anregen.
In der aktuellen Ausgabe von „Osteoarthritis and Cartilage“ geht es um gelenkerhaltende Behandlungsempfehlungen der Knie- und Hüftarthrose. In dieser Arbeit wurden Empfehlungen von internationalen Fachgesellschaften in ihrer Wertigkeit beurteilt und die Ergebnisse zusammengefasst. 25 „Guidelines“ wurden aufgenommen, von denen 7 mit einer „höheren Qualität“ bewertet wurden. Insbesondere Bewegung, Gewichtsmanagement und die Aufklärung von Patienten werden in ihrer Wertigkeit hervorgehoben. Bezüglich der Injektionstherapie werden Glukokorti-koid-Injektionen für das Kniegelenk empfohlen. Gleichzeitig wird jedoch anhand der aufgenommenen Empfehlungen von einer Hyaluronsäure (HA) Injektion des Kniegelenkes und PRP-Injektion des Knie- und Hüftgelenkes abgeraten [1]. In einer auch kürzlich erschienen Ausgabe des Deutschen Ärzteblattes wird das Thema ähnlich, wenngleich auch etwas differenzierter dargestellt. Hier werden Glukokortikoide zur kurzwirksamen Schmerztherapie bei refraktären Beschwerden empfohlen, aber es wird klargestellt, dass sich bei einer längeren Anwendung das Risiko eines Knorpelverlustes und damit der Arthroseprogression erhöht. Die Evidenz für den Einsatz von Hyaluronsäure wird anhand der zugrundeliegenden Leitlinien als gering gewertet, mit dem Zusatz, dass hochmolekulare Hyaluronsäure zu besseren Ergebnissen führen könnten als niedermolekulare. Wenn es um Injektionen mit PRP, Aspiraten aus Knochenmark/Fettgewebe oder expandierte mesenchymale Stromazellen (MSC) geht, liefern die zugrunde gelegten Quellen bisher keine überzeugenden, längerfristig anhaltenden Therapieeffekte [2]. Im Gegensatz zu den beiden oben genannten Arbeiten positioniert sich die „European Society for Sports Traumatology, Knee Surgery and Arthroscopy“ (ESSKA) in ihrem sogenannten ORBIT (ORthoBiologics InitiaTive) Consensus 2022 sehr positiv über den Einsatz und die Evidenz von injizierbaren Orthobiologica in der Behandlung der Kniegelenksarthrose. Sie empfiehlt PRP für Kniegelenke mit moderater Arthrose, bewertet PRP im Vergleich zu Glukokortikoiden als sicherer, gerade im Hinblick auf die Chondrotoxizität von Kortison, und favorisiert PRP im Vergleich zu HA. Bezüglich einer Überlegenheit von leukozytenarmen oder leukozytenreichen PRP, respektive der weiteren Verschiedenheiten der einzelnen PRP-Produkte sieht die ORBIT Gruppe keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz, um Empfehlungen abzugeben. Zur Injektionshäufigkeit wird mehr als eine Injektion empfohlen [3].
Auch wenn es sich hierbei um keine Leitlinie oder registrierte Metaanalyse handelt, sei hinzugefügt, dass der leider viel zu früh verstorbene Jörg Jerosch in einem seiner wohl letzten Übersichtsartikeln zur konservativen Therapie der Arthrose auch Stellung zur Injektionstherapie von Kortison, Hyaluron und PRP genommen hat. Er schreibt der Glukokortikoid-Injektion eine kurzfristige positive Wirkung bei der aktivierten Gonarthrose zu, relativiert dies aber damit, dass schon nach acht Wochen eine Hyaluron-Injektion überlegen sei. Bezüglich der verschiedenen HA-Präparate zitiert er, dass hochmolekulare HAs bessere klinische Ergebnisse zeigen als niedermolekulare HAs. Intraartikuläre PRP-Injektionen bewertet er als positiv, wobei er sich ausschließlich auf das oben genannte Konsensuspapier der ESSKA bezieht [4].
PRP in der aktuellen Literatur
Wenn man sich die oben angegebenen Empfehlungen ansieht [1, 2], verwundert es doch etwas, dass insbesondere die Rolle von PRP in der Behandlung der Knie- und Hüft-Osteoarthrose so negativ dargestellt wird, und dass nach wie vor Glukokortikoid-Injektionen empfohlen werden. In der aktuellen Literatur sieht das eigentlich anders aus. So sind in den letzten Monaten verschiedene Metaanalysen erschienen, die in großen Patientengruppen sehr eindeutig positive Ergebnisse in der Anwendung von PRP beschreiben. Xue et. al. fassen 16 randomisierte und kontrollierte Studien mit insgesamt 1.652 Patienten zusammen, die PRP gegenüber allen anderen injizierbaren Substanzen in Bezug auf Schmerz, Steifigkeit und Funktion favorisieren [5]. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen weitere große Metaanalysen mit 1.805, 1.292 und 1.042 inkludierten Patienten [6 – 8].
PRP und HA in der aktuellen Literatur
Die meisten aktuellen vergleichenden Untersuchungen favorisieren PRP im Vergleich zu HA. Belk et al. vergleichen in einer Metaanalyse 811 Patienten nach PRP-Injektionen mit 797 Patienten nach HA-Injektionen [9]. Im Bereich verschiedener klinischer Scores (WOMAC, VAS und IKDC) zeigte sich für die PRP-Gruppe ein besseres Ergebnis im Vergleich zur HA-Gruppe. Innerhalb der PRP-Gruppe zeigen die Leukozyten-armen Präparate signifikant bessere Ergebnisse als die Leukozyten-reichen Präparate. Zu ähnlichen Ergebnissen im Vergleich zwischen PRP und HA kommt auch eine andere Metaanalyse mit 1.077 Patienten in der PRP-Gruppe und 1.009 Patienten in der HA-Gruppe [10]. Sehr interessant sind auch aktuelle Metaanalysen zur Kombination von PRP und HA. So zeigen alle vorliegenden Studien bei einer Kombination beider Präparate keine erhöhten Nebenwirkungen im Vergleich zur singulären Therapie mit PRP oder HA [11 – 13]. Interessanterweise beschreiben Zhang et. al sogar, dass bei der Kombinationstherapie von PRP und HA weniger Nebenwirkungen auftreten als bei der singulären Therapie mit PRP. Bezüglich verschiedener klinischer Scores zeigen die vorliegenden Metaanalysen verbesserte Ergebnisse für eine Kombination von PRP und HA im Vergleich zur singulären Therapie mit PRP oder HA [11 – 13].
Die Rolle der Glukokortikoide
Auch hier wundert man sich beim Blick in die aktuelle Literatur etwas über die getroffenen Aussagen in den anfangs diskutierten Empfehlungen [1, 2]. Wenn man nun direkt PRP- und Glokokortikoid-Injektionen vergleicht, finden sich signifikant bessere Ergebnisse für Patienten nach PRP-Injektion [14]. Ähnlich Ergebnisse präsentieren Donavan et al. (auch in Osteoarthritis and Cartilage), die wiederholte Kortison-Injektionen eindeutig als minderwertig im Vergleich zu PRP oder HA darstellen [15]. Noch entscheidender ist allerdings der Blick auf verschiedene Untersuchungen, die die Kortison-Injektionen mit einer beschleunigten Progression der Arthrose in Verbindung bringen. So sieht man an großen Datengruppen der „Osteoarthritis Initiative“ in den USA, dass Glukokortikoid-Injektionen mit einem erhöhten Risiko vergesellschaftet sind, im Verlauf eine Knie Totalendoprothese (TEP) zu bekommen [16]. In einer anderen Analyse einer noch größeren Datenbank zeigen sich sehr vergleichbare Ergebnisse, die die dosisabhängig intraartikuläre Kortison-Injektion mit einem erhöhten Risiko für eine Knie TEP innerhalb der kommenden fünf Jahre korrelieren [17].
Fazit
Sieht man sich die hier zitierte aktuelle Literatur (nur Quellen ab 2020) an, bekommt man den Eindruck, dass die angeführten Metaanalysen von den gezeigten großen Patientenkollektiven nicht unbedingt den Aussagen der ersten beiden kürzlich erschienenen Behandlungsempfehlungen entsprechen. Die PRP-Behandlung, insbesondere der Arthrose des Kniegelenkes, verfügt über eine sicherlich gute und positive Basis in der Literatur. Gerade die Kombination aus PRP- und HA-Injektionen erscheint als eine sichere und vielversprechende Kombinationstherapie. Die intra-artikuläre Injektion von Glukokortikoiden sollte überdacht werden und birgt das Risiko einer Progression der Knorpelschädigung.
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Anmerkung der Redaktion
Siehe in diesem Zusammenhang auch die Artikel in dieser Ausgabe von Prof. Dr. Oliver Werz /
Dr. Markus Werner „Glukokortikoide – Neue Wirkmechanismen entschlüsselt – in der Therapie zählt das Timing“ sowie von Aranka Brockmüller und Prof. Dr. Mehdi Shakibaei „Epigenetische Wirksamkeit
von Curcumin als therapeutisches Ziel bei Osteoarthritis“ & „Resveratrol – Perle der Natur mit prophylaktischem, therapeutischem und regenerativem Potenzial“.
Außerdem sei auf weitere Artikel zur Arthrose-Therapie hingewiesen, u.a. von Dr. Weisskopf, Prof. Dr. Jerosch u.w. online auf unserem sportmedizinischen Portal.
Die vom Innovationsfond geförderte S3-Leitlinie Gonarthrose wird zum Ende des nächsten Jahres (Dezember 2024) veröffentlicht werden. Die Aktualisierung der S2k-Leitlinie wird zum Ende des Jahres 2023 publiziert.
Informationen dazu finden Sie in der nächsten Ausgabe der sportärztezeitung (01.24).
Passend zum Thema
Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts dürfen Heilpraktiker ihren Patienten kein Blut zur Herstellung von Eigenblutprodukten entnehmen (Az.: BVerwG 3 C 3.22, BVerwG 3 C 5.22 und BVerwG 3 C 4.22).
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Literatur
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- Ossendorff R, Thimm D, Wirtz DC, Schildberg FA. Methods of Conservative Intra-Articular Treatment for Osteoarthritis of the Hip and Knee. Dtsch Arztebl Int 2023;120(35-36):575-581. DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0154.
- Laura de Girolamo LL, Isabel Andia, Lars Blønd, Berte Bøe, Tomislav Cengic, Ignacio Dallo, Philippe Heuberer, Kaywan Izadpanah, Ladislav Kovacic, Koen Lagae, Laura Mangiavini, Jacques Menetrey, Stefan Mogos, Emmanuel Papakostas, Yiannis Pengas, Helder Pereira, Tim Spalding, Tomasz Piontek, Patricia Thoreux, Trifon Totlis, Kerem Tekin Ulku, Peter Verdonk, Yaniv Yonai, Stefano Zaffagnini ESSKA ORBIT Consensus Use of injectable orthobiologics for the treatment of knee osteoarthritis. ESSKA 2022.
- Jerosch J. Konservative Schmerztherapie bei der Arthrose. Orthopädische und Unfallchirurgische Praxis 2023;12:236-243.
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Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und ärztlicher Leiter des UKE Athleticum am Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf. Er hat seit 2021 eine Professur für Orthopädische Sportmedizin am UKE. Außerdem ist er leitender
Mannschaftsarzt der HSV Fußball AG. Sein klinischer Fokus liegt im Bereich der regenerativen Knorpeltherapie, der Behandlung von Sportverletzungen und Überlastungsschäden. Prof. Welsch ist wiss. Beirat der sportärztezeitung.