Das Konzept “Mind – Muscle – Connection” (MMC) wurde im Sport in den letzten Jahren als zur Verbesserung von Bewegungsleistungen erkannt. Publikationen dazu sind jedoch spärlich und fast ausschließlich auf Krafttraining ausgerichtet. Welches sind die neuen Erkenntnisse und praktischen Ansätze zur MMC, die über ein weiteres Geschäftsmodell der Fitness- und Wellnessindustrie hinausgehen und eine Anwendung im Bereich des sportlichen Trainings zielführend erscheinen lassen.
Im Sport fokussiert das MMC-Konzept sowohl auf die im Zentralnervensystem (ZNS) ablaufenden Wahrnehmungs-, Bewertungs-, Entscheidungs-, und Planungsprozesse als unabdingbare Voraussetzungen der Auswahl und Bildung motorischer Programme als auch auf die Schärfung des inneren Modells der Bewegung. Das schließt den wechselseitigen Informationsfluss zwischen Gehirn und Muskulatur ebenso ein wie dessen Modulation auf den verschiedenen Stufen der Sensomotorik. Der praktische Ansatz für das sportliche Training ergibt sich aus dem geschlossenen funktionellen System, das dem Verhalten zugrunde liegt und dem inneren Modell der Bewegung entspricht.
Neuropsychologische und -physiologische Untersuchungen zeigen die Ausprägung wechselnder Aktivität in den verschiedenen Hirnstrukturen in Bezug zu den geforderten motorischen oder psychischen Leistungen. Man geht davon aus, dass bei Aktivitätswechsel in verschiedenen Hirnregionen ein Informationsaustausch zwischen diesen Regionen besteht (Aktivitätsmatrix) und diese Regionen in die jeweilige Aufgabe einbezogen sind (z.B. Reizverarbeitung, motorische Aktion). In dieser Aktivitätsmatrix des Gehirns werden in den verschiedenen Phasen des Trainierens die Bestandteile Bewegungsprogramm, Efferenzkopie und Aktionsakzeptor des postulierten “dynamischen System des Verhaltens“ widergespiegelt. Aus trainingsbezogener Sicht ist eine Analyse der MMC nützlich, ausgehend von der Hypothese: „Die bewusste Ausführung von Bewegungen fördert über eine adaptive Aktivierung von Kontroll-, Wahrnehmungs-, Programmierungs- und Steuerungsprozessen das motorische Lernen und die (koordinative) Leistungsentwicklung“.
Im Leistungssport entwickelte sensorbestückte und computergestützte Test- und Trainingsgeräte, welche die geforderten Trainingsbelastungen (Kraft und Kraftdynamik) vorgeben und gleichzeitig die abgegebene Leistung mit den Vorgaben vergleichen, müssten allerdings für den Einsatz im Trainingsbereich zur Verbesserung der Bewegungsleistungen gezielt weiterentwickelt werden.
Den theoretischen Hintergrund solcher Trainingsgeräte bilden biokybernetische Aspekte der Beanspruchung und Vervollkommnung der skelettmotorischen Antriebe, d.h. mit den programmierbaren Geräten wird ein gezielter Input bereitgestellt. Über eine visuelle Rückkopplung der erreichten Zielparameter kann der Sportler während des Trainings seine Koordinationsleistung, die gleichzeitig mit und hinter der konditionellen Leistung abläuft, kontrollieren und anpassen. Aus neurophysiologischer Sicht wird über diesen Input die Afferenz für das tiefere Bewusstmachen und der Ausbildung des inneren Models der motorischen Bewegung (motor pattern), sowohl als kinematisches Muster als auch als neurophysiologische Matrix, erzeugt.
Schlussfolgerungen werden in zwei Ebenen gezogen:
- Aufzeigen und Nutzung von messbaren Merkmalen des Trainingszustandes eines Sportlers (Güte der Koordination, die auch Grundlage für Kraft und Schnelligkeit ist), die unmittelbar mit der Qualität der Koordination zusammenhängen und auf deren Basis er selbst und der Trainer die Auswirkung der Trainingsbelastung auf das zentralnervale Funktionsniveau und die Bewegungsqualität einschätzen kann.
- Entwicklung und Verbesserung von Konzepten des funktionellen Trainings unter Nutzung der MMC, die verstärkt das Bewusstsein des Athleten in die Ausführung der Trainingsbewegungen lenken. Für die Trainingssteuerung ist der allgemeine Aktivierungszustand zu kontrollieren (z. B. Messung der Flimmerverschmelzungsfrequenz, Tapping, Muskelerregbarkeit).
“Mind – Muscle – Connection” – wie gelingt die Aktivierung körpereigener Kompetenzen
Das Konzept “Mind – Muscle – Connection“ (MMC) wurde im Sport in den letzten Jahren zur Verbesserung von Bewegungsleistungen erkannt. Welches sind die neuen Erkenntnisse und praktischen Ansätze, die sich aus den Wechselbeziehungen zwischen Zentralnervensystem (ZNS) und den Muskelleistungen ergeben und die wir als MMC bezeichnen, die über ein weiteres Geschäftsmodell der Fitness- und Wellnessindustrie hinausgehen und eine Anwendung im Bereich des sportlichen Trainings zielführend erscheinen lassen?
Insbesondere Trainer und Physiotherapeuten sprechen in den letzten Jahren begeistert von: MMC. Aus den zugehörigen Beschreibungen ist wenig ersichtlich, ob es sich dabei um ein theoretisches Konzept oder eine neue praktische Methode im Verlaufe des Trainings bzw. zur Leistungssteigerung handelt. Erwähnte Zielstellungen in Verbindung mit Aspekten der MMC sind: „Grenzen überwinden“, „über sich selbst hinauswachsen“, „Lebensbegeisterung und Energie spüren“, „effektiverer Workout“, „Fitness und Flow erleben“, „unterschätztes Werkzeug der Fähigkeit des Geistes“, „Förderung von Muskelwachstum“, „Verbesserung von Kraft- und Leistungssteigerung“, „Körper- und Eigenwahrnehmung“. Publikationen zu Studien in den genannten Feldern sind spärlich und fast ausschließlich auf Krafttraining ausgerichtet [1, 2].
Trotzdem zeigen die meist einzeln formulierten Zielstellungen, dass sich Nutzer des MMC-Konzeptes der Bedeutung des bewussten Handels, dem bewussten Ausführen von Bewegungen im Training und Wettkampf und der damit verbundenen Aktivierung körpereigener Kräfte für eine Leistungssteigerung, bewusst sind.
Nach einer kurzen Darstellung des Verständnisses von Neuro- und Psychophysiologen zur MMC soll dargestellt werden, welche konkreten Ansätze und Maßnahmen im Sinne einer Umsetzung des MMC-Konzeptes im Leistungstraining schon vorhanden sind und wo Entwicklungsbedarf besteht.
Wir gehen dabei analytisch von den folgenden hypothetischen Grundsätzen aus:
Die bewusste Ausführung von Bewegungen fördert über eine adaptive Aktivierung von Kontroll-, Wahrnehmungs-, Programmierungs- und Steuerungsprozessen der MMC das motorische Lernen und die (koordinative) Leistungsentwicklung.
In der Sportforschung haben sich für die Beschreibung motorischer Koordinationsvorgänge die prozess- und fähigkeitsorientierte Betrachtung etabliert [3]. Wenn es gelingt Merkmale zu differenzieren, werden koordinative Fähigkeiten messbar.
Bewegungskoordination gilt als wichtige motorische Fähigkeit, die für alle Sportarten relevant ist. Nach Hirtz [4] sind die 5 fundamentalen koordinativen Fähigkeiten (KF) die kinästhetische (sensorische) Differenzierungsfähigkeit, die Gleichgewichtsfähigkeit, die Rhythmusfähigkeit, sowie die komplexe Reaktionsfähigkeit und die räumliche Orientierungsfähigkeit. Diese Fähigkeiten können weiter differenziert werden, wenn man psychomotorische und sportpraktische Aspekte berücksichtigt. Unabhängig davon, ob man hier „allgemeine“ oder „spezifische“ KF betrachtet oder, ob es sich dabei um körper- oder gerätebezogene Gewandtheit handelt, geht es um die Fähigkeit „Raum-, Zeit- und Kraftparameter genau zu differenzieren“ [5]. Es muss betont werden, dass auch die konditionellen Fähigkeiten durch die KF maßgeblich bedingt sind, wenn sichergestellt ist, dass die energetische Seite abgesichert ist. Der Muskel (die Muskulatur) selbst, als der zweite Partner der MMC, fungiert als der „skelettmotorischer Antrieb“ [6, 7], anatomisch in einzelne Muskeln untergliedert, für unsere vielfältigen Bewegungen (und Haltungen). Für das menschliche Handeln, sind funktionell nicht einzelne Muskeln zuständig, sondern sie bilden aktive Ensemble, aktiv für ein konkretes Handlungsziel, dessen Teile sich systematisch (melodisch) und koordiniert kontrahieren oder erschlaffen.
Angelehnt an Thies und Schnabel [8, S. 19]: Kondition ist eine Komponente des Leistungszustandes, die primär auf dem Zusammenwirken energetischer Prozesse des Organismus und der Muskulatur basiert. Sie zeigt sich als Kraftfähigkeit(Schnellkraft, Maximalkraft, Kraftausdauer, Reaktivkraft), Schnelligkeitsfähigkeit (Reaktionsschnelligkeit, Bewegungsschnelligkeit, Beschleunigungsfähigkeit), Ausdauerfähigkeit (Kurzzeit-, Mittel-zeit-, Langzeitausdauer) und Beweglichkeit (Gelenkbeweglichkeit, Dehnungsfähigkeit) im Zusammenhang mit den für diese Fähigkeiten erforderlichen psychischen Eigenschaften.
Schnelligkeit ist nur bedingt den konditionellen Fähigkeiten zuzuordnen, da ihre Verursachung nur teilweise energetisch ist [9, S. 147]. Sie beruht maßgeblich auf zentralnervalen Steuerungs- und Kontrollprozessen und hat komplexe Ursachen: Beweglichkeit der Nervenprozesse, Fähigkeit, auf Reize optimal zu regieren, technisches Leistungsvermögen (Bewegungserfahrung), Fähigkeit, hohe Kraftbildungsgeschwindigkeit in der Muskulatur zu entwickeln, Schnelligkeitstalent. Genauer betrachtet ist Schnelligkeit Beschleunigung. Beschleunigung ist wiederum intra- und intermuskuläre Koordination, abhängig von der von den Motoneuronen erzeugten Folge von Aktionspotentialen (zeitliche und räumliche Summation der von jedem Aktionspotential hervorgerufenen Einzelzuckung). Diese Prozesse unterliegen auch einer zentralnervalen Ermüdung und sind damit als KF auch eine Voraussetzung für Ausdauer; bei Muskelermüdung werden die zentralnervalen Aktivierungsmuster geändert, um über den Einsatz von Hilfsmuskeln das Ermüdungsdefizit zu kompensieren. Damit können wir einführend schlussfolgern:
- Ein Mittelpunkt des MMC-Konzeptes ist der untrennbare Zusammenhang zwischen den KF und konditionellen Fähigkeiten, die alle sportartspezifischen Fertigkeiten betreffen.
- KF sind die Grundlage für Beschleunigung und wiederholte Beschleunigung und somit für Kraft (Schnellkraft, Maximalkraft und Ausdauer (Rhythmus, Halte).
- Eine Umsetzung des MMC-Konzepts im Sport erfordert ein Zusammenfügen der Erfahrungen aus Trainingswissenschaft, Psychologie und Neurophysiologie.
„Die Tragfähigkeit des Ansatzes koordinativer Fähigkeiten wird in der Trainingswissenschaft ab den 1980er-Jahren bis zum heutigen Tag zunehmend in Frage gestellt“ [10, S. 7]. Das ist möglicherweise auf eine zu starke Theoretisierung der mit KF verbundenen Unterbegriffe oder einer zu starken Aufsplitterung der sportartspezifischen KF zurückzuführen. Es scheint eine Kluft zwischen den physiologischen Grundlagen der KF und der fokussierten sportartspezifischen Sicht auf die KF entstanden zu sein, die nach einer verstärkten interdisziplinären Betrachtung der KF ruft, wie sie auch in der Formulierung von Hirtz [11] enthalten ist: „Charakteristisch für die koordinativen Fähigkeiten ist die Einheit aus Wahrnehmung („perception“) und motorischer Realisierung („action“)“. [11], so auch im aufkommenden MMC-Konzept zu verstehen.
Mind – unser motorisches Bewusstsein
MMC wird meist unübersetzt als ein eigenständiger Begriff verwendet. Als häufig verwendete Übersetzung finden wir „Geist – Muskel – Verbindung“ auch „Geist – Körper – Verbindung“. Für das englische „mind“ könnte im Deutschen neben „Geist“ auch „Seele“ und/oder „Verstand“ stehen. Die Encyclopedia Britannica erklärt „mind“ als mentale Besonderheit, mentale Eigenschaft, als das „Bewusstsein“ sowie Emotionen, Stimmungen, Glaube, Hoffnung, Furcht, Wachsein [12]. In diesem Sinne kann „mind“ mit jeglicher “menschlichen Aktivität“ verbunden sein und als das menschliche Verhalten bzw. als die neuronalen Prozesse des ZNS, die diesem Verhalten zugrunde liegen, verstanden werden. Während sich Philosophen schon seit Jahrtausenden mit dem Dualismus Körper – Geist auseinandersetzen, sind es neuerdings Neurophysiologen und Neuropsychologen, die mit modernen Untersuchungsmethoden sich den funktionellen Abläufen im Gehirn während der Auseinandersetzung des menschlichen Individuums mit der ihn umgebenden Welt widmen. Der praktische Ansatz für die Trainingswissenschaft ergibt sich aus dem geschlossenen funktionellen System, das dem Verhalten zugrunde liegt (Abb. 1).
Neuropsychologen betrachten die in diesem System ablaufenden und an das Gehirn gebundenen Prozesse als einen Kreislauf von Reiz – Wahrnehmung – Gefühlen/Gedanken – Entscheidung – Aktion (motorisches Programm) – reafferente Wahrnehmung, der durch die Aktion ausgelösten Reize aus der veränderten inneren und äußeren Umwelt. Durch die ständige Erweiterung ihres Bewegungsrepertoires – ihrer Handlungen – kamen unsere Vorfahren zu bewertendem und planend-vorausschauendem Denken. Es besteht eine Wechselwirkung der Verarbeitung von Reizen (Veränderung in der Umwelt), deren kurzfristige Speicherung und den Rückkopplungen der durch das eigene Handeln ausgelösten Informationsflüsse zum ZNS.
Neben den Informationsfüssen sind kurzfristige Speicherung von Rezeptionen und Aktivitätsänderungen im Prozess der Entscheidung, Planung und Ausführung einer Aktion die neurophysiologischen Voraussetzungen für unser Bewusstsein und Handeln.
Buson et al. [13] schlagen vor, dass die einzeln postulierten Vorgänge eines episodischen Gedächtnisses und die damit verbundenen anderen Systeme des sensorischen, Arbeits- und semantischen Gedächtnisses als Ganzes betrachtet werden sollen, die zusammen das Phänomen des Bewusstseins (memory theory of consciousness) hervorrufen. Die an die Funktion des Zentralnervensystems gebundenen Prozesse der Reizzusammenführung, ihrer Analyse und differenzierten Wahrnehmung, die damit verbundenen Prozesse der Gedächtnisbildung als Ausdruck der Plastizität des ZNS und die daraus hervorgehenden Phänomene der Wertung, Emotion, Motivation, Prädiktion, Entscheidung, Planung und Programmierung der motorischen Handlung werden mit verschiedenen Paradigmen untersucht, von denen die am meisten angewendeten wohl die Wahrnehmung von Schmerz [14], die autonome und verhaltensabhängige Anpassung von Kognition und Motivation [15]) sowie die Analyse funktioneller neurologischer Störungen [16] sind. Diese Untersuchungen zeigen und beschreiben die Ausprägung wechselnder Aktivität in den verschiedenen Hirnstrukturen in Bezug zu den im jeweiligen Experiment geforderten motorischen oder psychischen Leistungen. Man geht davon aus, dass bei gleichzeitigem Aktivitätswechsel in verschiedenen Regionen ein Informationsaustausch zwischen diesen Regionen besteht und diese in die entsprechende Aufgabe einbezogen sind (z.B. Schmerzverarbeitung, Emotion, motorische Aktion). Die Gemeinsamkeiten different beteiligter Hirnstrukturen werden als eine dreidimensionale Matrix der Aktivitäten und Verbindungen abgebildet, die die zugrundeliegenden neuronalen Leistungen widerspiegelt, u.a. auch die Steuerung und Kontrolle der Skelettmotorik. Voon [16] schlussfolgert, dass die Untersuchungsergebnisse zu diesen Aktivierungsherden (Matrix) nahelegen, „dass die regionalen Aktivitätsänderungen die dem Bewusstsein zugrundeliegenden Vorgänge vermitteln“:
- die emotionale Verarbeitung, die Regulation und das Bewusstsein (perigenual anterior cingulate Cortex/ ventromedialer präfrontaler Kortex, Insula, Amygdala),
- die kognitive Kontrolle“ (dorsolateraler präfrontaler Kortex, dorsaler anteriorer cingulärer Kortex, inferiorer Frontalgyrus),
- die selbstreferenzielle Verarbeitung (temporoparietale Verbindung/posterior cingulärer Cortex/Precuneus) und
- die motorische Planung (suplementärer Motorkortex) [17, 20].
Zentgraf et al. [18] formulieren in einer Ergebniszusammenfassung eines multidisziplinären Symposiums (s. Progress in Brain Research, Vol 174), welches neurophysiologische Forschung zur bildlichen Vorstellung, Entscheidungsfindung, motorischen Kontrolle und Aktionsdurchführung aus unterschiedlicher Perspektive diskutierte: „Im Wesentlichen zeigen die meisten Ergebnisse die Notwendigkeit, serielle Rahmenbedingungen der Informationsverarbeitung aufzugeben, die ein schrittweises Muster von der Wahrnehmung, Bewertung und Auswahl bis zur Ausführung vorschlagen“. Johnson et al. [19] bemängeln, dass Erkenntnisse aus den angewandten Wissenschaften wie z.B. der Trainingswissenschaft, die praktische Aspekte des bewussten Handelns zum Gegenstand haben, bisher nur wenig in ihre Untersuchungsparadigmen eingebunden wurden.
Zur Überwindung der bis Mitte des vorigen Jahrhunderts vorherrschenden Reflextheorie formulierte Anochin [20, 21] die Theorie des „dynamischen funktionellen System des Verhaltens“ (FSV). Die von ihm für dieses System postulierten Bestandteile „Bewegungsprogramm, Efferenzkopie, Aktionsakzeptor“ spiegeln in der neurophysiologischen Aktivitätsmatrix unseres Gehirns unserer Tätigkeit wider (Abb. 2). Die einzelnen Begriffe sind heute allgemein anerkannt und kennzeichnen zeitweilige prozessbezogene „funktionelle Organe“ des ZNS. Sie sind an die oben beschriebenen Hirnstrukturen gebunden, werden aber funktionell entsprechend den jeweiligen Aufgaben zeitweilig funktionell zusammengeschaltet und sind dementsprechend aktiv. Aus psychologischer Sicht ist diese Aktivitätsmatrix das Äquivalent – das innere Abbild (Modell) – des Verhaltens bzw. des nach außen realisierten Bewegungsmusters. In diesem System, in dieser Matrix, in diesen funktionellen Organen des ZNS vollzieht sich der Informationsfluss im Sinne der MMC. Der neurophysiologische Tatbestand ist, dass die Verbindungen der Nervenzellen im Gehirn so viele Freiheitsgrade haben, dass ihre Anzahl durch Systembildung eingeschränkt werden muss, was mit den sportphysiologischen Erkenntnissen von Bernstein [22] übereinstimmt. Befinden sich alle an einer Bewegung beteiligten Gewebe und Funktionen in einem guten physiologischen Zustand, bestehen viele Freiheitsgrade für das Erreichen eines optimalen sportartspezifischen Bewegungsresultates. Bernstein [22] geht von einem durch viele Beobachtungen belegtem „elektiven Verhalten der motorischen Peripherie gegenüber eingehenden Impulsen von der Hirnrinde“ aus und schreibt der motorischen Peripherie „eine aktive, filtrierende Rolle (Neuromodulation) gegenüber den eintreffenden Impulsen und eine klare Bedingtheit dieser Aktivität durch das afferente Informationsfeld“ zu. Die in der Bewegung enthaltenen Muskelaktivitäten und der durch das Bewegungsprogramm hervorgerufene Informationsfluss sind wesentliche Bestandteile der Relation Mind – Muskel.
Wenn wir nach Ansätzen zur Vervollkommnung von Bewegungsleistungen oder Beseitigung von Funktionsstörungen (oft verbunden mit Schmerzen) suchen, kann eine Analyse der MMC nützlich sein, ausgehend von der Hypothese:
„Die bewusste Ausführung von Bewegungen fördert über eine adaptive Aktivierung von Kontroll-, Wahrnehmungs-, Programmierungs- und Steuerungsprozessen das motorische Lernen und die (koordinative) Leistungsentwicklung“.
Es ist anerkannt, dass sich das innere Modell der Bewegung durch ständiges wiederholendes Üben vervollkommnet, neuronale Verbindungen effektiver und Rückkopplungskreise präziser werden, aber das Finetuning der inter- und intramuskulären Koordination der bewussten Vorstellung von der Bewegung und ihrer bewussten Ausführung bedarf.
Kleinste aktive, auch bewusst ansteuerbare Einheiten sind die motorischen Einheiten, ein spinales Motoneuron mit einer bestimmten Anzahl Muskelfasern. Mehr oder weniger, diesen Einheiten zugeordnet, verfügt ein Muskel über so genannte Propriosensoren, welche die aktuelle Kontraktion bzw. Dehnung proportional und deren Änderung differential über die Muskellänge messen und diese afferent als Bahnen des Eigenreflexes rückkoppeln, primär spinal und darüber hinaus bis zum sensorischen Kortex. Da sich bei jeder Muskelkontraktion auch Gewebe zu einander verschieben (Gelenkstrukturen, Faszien, Sehnen u.a.) und diese Strukturen ebenfalls Sensoren enthalten, die auf Druck, Zug oder Scherung reagieren, vervollkommnen diese die bewegungsevozierte Rückmeldung über die spinale Ebene zu den höheren Zentren des ZNS – bekannt als Rückkopplungskreise der dynamischen und statischen Eigen- und Fremdreflexe.
Die spinalen monosynaptischen Eigenreflexe sind an jeder Willkürbewegung unbewusst beteiligt, da sie wesentlich die Wirkung der Gravitationskraft ausbalancieren. Sie unterliegen einer Modulation unter Beteiligung von Interneuronen durch die Afferenzen der anderen Sensoren und durch Bahnen des absteigenden aktivierenden Systems, welches die höheren Halte- und Stellreflexe vermittelt und auch unter Einfluss der mit Motivation und Emotion in Verbindung gebrachten Großhirnareale stehen. Es gibt auch motorische Systeme, die eingeengt auf spezifische Aufgaben der Okulomotorik, des Kauens und der Atmung den gleichen Aufbau aufweisen, wie in Abb. 2 dargestellt.
Das dynamische motorische System berücksichtigt neben den spezifischen sensorischen Afferenzen auch die von diesen abzweigenden kollateralen Bahnen, die ihre Spezifik verloren haben, aber das zentralnervale Aktivierungsniveau (Vigilanz) und die die emotionale Bewertung wesentlich beeinflussen.
Aus heutiger Sicht kann man feststellen: Die theoretische Formulierung der im „funktionellen System“ enthaltenen Vorstellungen bilden eine konzeptionelle Brücke zwischen den Beobachtungen bei den sportartspezifischen Bewegungsanforderungen und den Ergebnissen subtiler analytischer neurophysiologischer und neuropsychologischer Experimente.
Bestandteile des Systems
- Das ZNS als Entscheider, Programmbildner, Kontrolleur und Regler empfängt als Information die komplette Afferenz von den Sensoren aus dem Bewegungssystem, aus dem Körper und über die Sinnesorgane aus der Umwelt.
- Direkte afferente Bahnen vermitteln Information zu Qualität, Stärke, Topik und Dauer der Reize, eingeschaltet sind verschiedene neuronale Mechanismen, so z.B. zur Kontrastverschärfung. Die Afferenzen der aktuellen Situation beinhalten nicht nur den bzw. die triggernden Reize, sondern auch alle Nebenreize (Afferenzsynthese), die mit der Erfahrung und dem Zustand der Motivation verglichen werden und damit Motivation und das Aktionsziel beeinflussen.
- Die differenzierte und wertende Wahrnehmung erfolgt als Afferenzsynthese in den Kernen der jeweiligen Bahnen und in der Großhirnrinde.
- Von den afferenten Kollaterale Information zu verschiedenen Abschnitten des ZNS verteilt, die auch Informationen aus dem vegetativen Nervensystem und hormonelle Rückkopplungen erhalten und Verbindung zum limbischen System und zum präfrontalen Kortex haben.
- Hier wird die aktuelle Information mit gespeicherter Information (Gedächtnis, Erfahrung) und dem Bedürfnis des Gesamtorganismus (inneres Milieu, Motivation) verglichen. Das motorische Gedächtnis bezieht sich auf angeborene und erlernte Bewegungsstrategien und Bewegungsroutinen.
- Die Motivation beruht neben dem Zustand des inneren Milieus und der allgemeinen Aktivierung auf individuellen und sozialen Beweggründen, welche die Willenskraft beeinflussen, gleichzeitig aber die für das Aktivwerden nötige Kompetenz erfordern.
Unser bisheriges Wissen über den Aufbau und die Funktion unseres Gehirns lassen den Schluss zu, dass Reizaufnahme, Wahrnehmung, Engrammbildung, Prädiktion, Entscheidung, Zielsetzung und Handlung auf das Engste miteinander verknüpft sind. Ihnen liegen die gleichen elementaren, neuralzellulären Mechanismen und die Beteilung quasi aller Hirnstrukturen zugrunde – programmierend, modulierend, kontrollierend, systembildend.
Aus der phylogenetischen Entwicklung der einzelnen Hirnstrukturen ergibt sich ihr funktionell hierarchischer Aufbau und ihre ständige funktionelle Verknüpfung in unter- und übergeordneten rückkoppelnden Kontrollkreisen. Aus der wechselnden Stärke des Informationsaustausches zwischen den different beteiligten Hirnstrukturen ergibt sich eine dreidimensionale Matrix der (motorischen) Aktivität, die die Steuerung und Kontrolle der Skelettmotorik (skelettmotorische Antriebe) widerspiegelt, entsprechend der neuropsychologischen Teilprozesse als auch der postulierten „funktionellen Organe“ der Programmbildung, Efferenzkopie, Aktionsakzeptor.
Durch Wiederholen gleicher Bewegungsabläufe – in einem Prozess des motorischen Lernens – verbessert sich nicht nur das Ergebnis der Bewegung (Kinematik, koordinative und damit verbundene konditionelle Merkmale), sondern es vervollkommnen sich auch die Abläufe in den Organen des funktionellen Systems (Optimierung im Sinne einer Ökonomisierung des energetischen Aufwandes) bzw. das innere Modell in diesem Lernprozess. Auch das ist eine Ökonomisierung, denn Synapsen werden effektiver, die Informationsübertragung beschleunigt sich, Engramme werden gefestigt, Prädiktion wird möglich und die Freiheitsgrade für die Programmbildung erweitern sich. Zusammenfassend verbessert sich die sportartspezifische koordinative Leistung.
Für die Erklärungsmodelle zum Bewegungslernen besteht damit aus unterschiedlicher wissenschaftlicher Perspektive Übereinstimmung. Auf Einzelheiten kann hier nicht eingegangen werden. Trainingswissenschaft, Psychologie und teilweise auch Neurophysiologie arbeiten mit dem Konzept des inneren Modells der Bewegung. Daraus ergeben sich die
- Notwendigkeit der Einschätzung und Überwachung essenzieller Parameter der Ausbildung des inneren Modells und die
- Forderung nach Ableitung und Entwicklung von Methoden zur Ausbildung des inneren Modells, die schon frühzeitig (nicht erst bei den Kadern) eingesetzt werden sollten.
So wird von Golle et al. [10] aufgrund der Analyse zum Koordinationstraining im Leistungssport geschlussfolgert, dass „… unabhängig vom koordinativen Anforderungsprofil der Sportart ein allgemeines akzentuiertes Koordinationstraining als ganzjährig begleitender Trainingsinhalt im Nachwuchsbereich“ erfolgen muss.
Die Dynamik innerhalb der Aktivitätsmatrix, die dem inneren Modell einer motorischen Aufgabe entspricht, widerspiegelt nicht nur die geplanten Bewegungsparameter, sondern auch deren Grad bewusster und automatisierter Bewegungsanteile bzw. des gesamten Bewegungsablaufes.
Nach diesen neurophysiologischen und theoretischen Erörterungen zu den Grundlagen der MMC mit dem Fokus auf bewusste Bewegungskontrolle soll nun auf daraus ableitbare Ansätze für die Praxis im Leistungstraining bzw. auch in der Rehabilitation gestörter Bewegungen eingegangen werden.
Ansätze für die Praxis im Leistungstraining und der Rehabilitation gestörter Bewegungen
Sandbakk et al. [23] analysieren: „Es ist schwierig, sich im Training auf qualitative Daten zu verlassen aufgrund ihres interpretativen Charakters. Subjektive Wahrnehmungen der Trainingsqualität können unvorhersehbar sein. Eine hohe Trainingsqualität kann nur direkt vom Athleten erreicht werden.“ Also wird nach Möglichkeiten gesucht, die den Athleten in die Lage versetzen, seinen bewussten Einfluss auf die Verbesserung seiner Leistung zu erhöhen und diese auf hohem Niveau zu halten. Fortschritte gibt es dabei mit dem in letzter Zeit aufkommendem „funktionellen Training“, das aber noch sehr uneinheitlich aufgefasst wird und somit auch uneinheitlich realisiert wird [24, 25].
Erstens, ist es notwendig, nach qualitativen Merkmalen des Trainingszustandes und der aktuellen Bewegungsleistung des Sportlers zu suchen, auf deren Basis er selbst und der Trainer die Auswirkung der Trainingsbelastung auf das zentralnervale Funktionsniveau einschätzen kann, um danach die Belastung zu steuern. Dazu gehört auch das Messbarmachen von Merkmalen der KF, um diese dem Bewusstsein stärker zugänglich zu machen. Damit können die hauptsächlich zur Trainingssteuerung eingesetzten Assessments mit den üblichen, leicht messbaren Parametern der Kraft und Geschwindigkeit eine qualitative Ergänzung finden. Kraft und Schnelligkeit fußen auf KF, was bisher nur unterschwellig beachtet wurde; Geschwindigkeit – eigentlich Beschleunigung(!), wie auch Kraft sind ein Ergebnis intra- und intermuskulärer Koordination.
Die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Bewegungen, die Wahrnehmung des eigenen Körpers und seiner handlungsinhärenten Veränderungen ist eng mit dem allgemeinen Aktivierungsgrad verbunden, und damit mit einer Aktivierung und Verstärkung der MMC als Optimierung des Informationsflusses und damit der koordinativen sportlichen Leistungen.
Auf den aktuellen Aktivierungszustand [26] zur Trainingssteuerung wurde von uns bereits hingewiesen [27, 28]. Leider sind die dafür nutzbaren Methoden in den letzten Jahren nicht weiterentwickelt worden und daher ihr Einsatz zurückgegangen: EEG, Flimmerverschmelzungsfrequenz, Tapping, Tracking, Reizschwelle u.a.
Zweitens sind Konzepte zu verbessern bzw. zu entwickeln, bei denen das Bewusstsein des Athleten konzentriert in die Ausführung der sportartspezifischen und Trainingsbewegungen einbezogen wird. Bekannt sind z.B. die Verbalisierung des Bewegungsablaufes, das bewusste mentale Vorstellen und Durchspüren des Bewegungsablaufes, welche den Informationsfluss der zentralnervalen Aktivitätsmatrix und MMC optimieren können. Wir schlagen vor, dass die Möglichkeiten weiterentwickelt werden, die es gestatten bzw. sogar erzwingen, eine ganze Bewegung oder Teilbewegungen bewusst auszuführen, den koordinationsbedingten Erfolg zu messen und zurück zu koppeln.
Biokybernetischer Ansatz zur Optimierung der MMC
Aus der Biokybernetik entliehene Erfahrungen können nützlich sein und eine bewusste Bewegungsausführung, als Schulung von KF mit einer variablen Palette von Freiheitsgraden, an entsprechend konzipierten Trainingsgeräten durch programmierte Anforderung erzwungen werden. Durch das bewusste Variieren der Bewegungsabläufe werden die Freiheitsgrade (bewusste Variabilität) erhöht, da bisherige Studienergebnisse vermuten lassen, dass Kraftvariablen möglicherweise von größerer Bedeutung für die Verbesserung der funktionellen Leistung sein können [24]. Es sei betont, dass dies alle im Training eingesetzten Bewegungen betrifft, ganz gleich ob es um sportartspezifische Leistungen oder z.B. „nur“ um ein Athletiktraining geht. Es gibt auch im Training viele Momente, die von einer bewussten Ausführung der Bewegung ablenken, diese Momente sollten minimiert werden.
Die menschliche Bewegung ist eine Integration von Kraft und Beschleunigung (Schnelligkeit), die meist intuitiv gewählt wird oder vom Trainingskonzept (teils rigid) vorgegeben wird. Die Muskulatur passt sich physiologisch an diese verschiedenen Bedingungen an und ein Spektrum verschiedener Muskelfasern hat sich entwickelt mit unterschiedlichen, biochemischen und kontraktilen Eigenschaften und mit den zugehörigen nervalen Verschaltungen der spinalen und supraspinalen Neuromodulation. Muskeln und ihre komplexe sensomotorische Kontrolle als Informationsflüsse in den MMC entwickeln und adaptieren sich individuell entsprechend ihrer spezifischen Beanspruchung. Entsprechend der Beanspruchung und der Optimierung der Lernprozesse ergibt sich das Niveau der individuellen Leistungsfähigkeit.
In den Kampfsportarten wurde in der DDR die Reaktion der sensomotorischen Systeme der Skelettmotorik auf definierte Belastungen (ihre Funktionalität) getestet und trainiert. Die Geräte wurden später in der Rehabilitation und Forschung eingesetzt. [6, 29, 30] Hierfür wurden sensorbestückte und computergestützte Test- und Trainingsgeräte entwickelt, welche die geforderten Trainingsbelastungen vorgaben und gleichzeitig die abgegebene reaktive Leistung mit den Vorgaben vergleichen konnten. Den theoretischen Hintergrund solcher Trainingsgeräte bilden biokybernetische Aspekte der Beanspruchung und Vervollkommnung der skelettmotorischen Antriebe [30]. Das Konzept realisiert und kombiniert in Einheit Test- und Trainingsgerät, wie sie zunehmend auch in Fitness-Trainingsgeräten realisiert werden. Gemessen werden konditionelle Leistungen und KF als Basis für die unmittelbar anschließende, auf Vervollkommnung der motorischen Kontrolle ausgerichteten, funktionellen Trainingsprogramme, in denen konditionelle Ziele mit koordinativen Aspekten gekoppelt werden. Defacto handelt es sich um computerbasierte Trainingsgeräte, die als Ansatz so genannte „Trackingverfahren“ (technisch: Folge-Regel-Verfahren) beinhalten [6, 7, 29, 31-33].
Bei diesen Verfahren wird das eigene motorische Folgeverhalten in Abhängigkeit von definierten, optisch vorgegebenen Signalen (Führungsfunktion), beurteilt (Abb. 3), d.h., diese Verfahren stellen die Grundstruktur eines auf SOLL-IST-Vergleich arbeitenden Systems dar und sind primär durch die visuell-motorische Informationsumsetzung (Übertragungsverhalten) determiniert [33]. Diagnostizierbar ist die Ausprägung der KF durch den SOLL-IST-Vergleich.
Regelkreisstruktur bei der Untersuchung des sensomotorischen Übertragungsverhaltens sowie beim Training koordinativer Fähigkeiten [29, 33] x(t) Vorgabefunktion als Test oder Trainingsanforderung; y(t) erreichtes fortlaufendes Ergebnis rückgekoppelt auf den Monitor: Regler ist das ZNS; Regelstrecke erbringt die Leistung als Kraft oder Amplitude / Zeit – erfasst über Sensoren am Gerät.
Aufgrund des sensorisch regulierten Feedbacks unterscheidet man zwischen „ballistischen“ und „geführten“ Bewegungen [21, 34]. Pickenhain et al. [35] folgend sollen für relativ schnelle ballistische Bewegungen das Kleinhirn und für relativ langsame Zielbewegungen die Basalganglien verantwortlich sein. Dementsprechend lassen sich Vorgabefunktionen mit unterschiedlich hohen geregelten bzw. gesteuerten Anteilen differenzieren.
Unabhängig von der Vielzahl der Variationen wurden für sportdiagnostische Fragestellungen vorwiegend Vorgabefunktionen verwendet, die sich dem Grundtyp der Sprungfunktionen, Sinusfunktionen und stochastischen Funktionen und damit ballistischen, regelmäßig geführten und unregelmäßig geführten Bewegungsanforderungen zuordnen lassen [33]. Sinusfunktionen können diskret mit konstanter Frequenz und Amplitude oder „gewobbelt“ als linear ansteigende Frequenz mit konstanter Amplitude dargeboten werden; sie haben einen regelmäßigen Verlauf und sind damit vorhersehbar. Stochastische Funktionen sind durch sich ständig ändernde Frequenz und Amplitude gekennzeichnet und haben damit einen unvorhersehbaren Verlauf.
Das sensomotorische Folgeverhalten kann mit den Merkmalen Bewegungsschnelligkeit und
-genauigkeit beurteilt werden. Die Quantifizierung des Übertragungsverhaltens kann im Zeit- oder Frequenzbereich (Spektralbereich) erfolgen, wobei nur im Frequenzbereich eine Differenzierung zwischen räumlicher (Amplitudenabweichung) und zeitlicher Bewegungsgenauigkeit (Phasenverschiebung) möglich ist. Hinzu kommt der sog. „Rauschanteil“, der über eine Kohärenzfunktion geschätzt wird, d.h. die Kohärenzfunktion beschreibt den Grad der linearen „Übereinstimmung“ zwischen Bewegungsanforderung und realisierter Bewegungsleistung. Damit schätzt die Kohärenzfunktion den Gültigkeitsbereich von Amplituden- und Phasengang für einen definierten Frequenzbereich und kann Werte zwischen 0 (kein Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangssignal) und 1 (im System besteht kein „Rauschen“) annehmen. „Grenzfrequenzen“ gelten in diesem Kontext als Merkmal der Bewegungsschnelligkeit [33].
Diskussion und Folgerungen
Das MMC-Konzept beinhaltet sowohl die Beachtung der im ZNS ablaufenden Wahrnehmungs-, Bewertungs-, Planungs- und motorischen Programmierungsprozesse wie auch den wechselseitigen Informationsfluss zwischen Gehirn und Muskulatur und seine Neuromodulation. Deshalb befassen sich damit verschiedene Wissenschaftsdisziplinen: Neuropsychologie, Neurophysiologie, Rehabilitationsmediziner und Trainingswissenschaftler.
Aus der Analyse physiologischer Grundlagen der MMC können Thesen für die praktische Anwendung des motorischen Bewegungslernens abgeleitet werden.
Die bewusste Ausführung von Bewegungen fördert über eine adaptive Aktivierung von Kontroll-, Wahrnehmungs-, Programmierungs- und Steuerungsprozessen das motorische Bewegungslernen und die (koordinative) Leistungsentwicklung. Neuropsychologische und neurophysiologische Untersuchungen beschreiben die Ausprägung wechselnder Aktivität in den verschiedenen Hirnstrukturen in Bezug zu den im Experiment geforderten motorischen oder psychischen Leistungen
Unsere Hypothese: „Die bewusste Ausführung von Bewegungen fördert über eine adaptive Aktivierung von Kontroll-, Wahrnehmungs-, Programmierungs- und Steuerungsprozessen das motorische Lernen und die (koordinative) Leistungsentwicklung.“ Der innerhalb der MMC fließende afferente und efferente Informationsaustausch wird auf spinaler Ebene neuromoduliert, ein Prozess, der ebenfalls unter Kontrolle des ZNS steht.
Schlussfolgerungen werden in zwei Ebenen gezogen:
- Es erscheint notwendig, nach qualitativen Merkmalen des Trainingszustandes des Sportlers zu suchen, auf deren Basis er selbst und der Trainer die Auswirkung der Trainingsbelastung auf das zentralnervale Funktionsniveau einschätzen kann. Entsprechende Tests wurden bzw. werden bereits auch in der Trainingsteuerung eingesetzt, sind aber neu zu evaluieren.
- Im Sinne des funktionellen Trainings und unter Nutzung der MMC sind Konzepte zu verbessern bzw. zu entwickeln, die das Bewusstsein des Athleten in die Ausführung der Trainingsbewegungen lenken. Die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen Bewegungen, die Wahrnehmung des eigenen Körpers und seiner Veränderungen führen zu einer Aktivierung der MMC. Für die Diagnostik KF haben Trackingverfahren (Folgeverhaltens-Tests) einen besonderen Stellenwert, weil die eigene konkrete Bewegungsleistung (Folgeverhalten) Analogieschlüsse auf die Leistungsfähigkeit des sensomotorischen Systems und damit auf die zugrundeliegenden KF ermöglicht.
Im Leistungssport entwickelte und später in der Rehabilitation eingesetzte sensorbestückte und computergestützte Test- und Trainingsgeräte, welche die geforderten Trainingsbelastungen vorgeben und gleichzeitig die abgegebene reaktive Leistung mit den Vorgaben vergleichen, harren weiteren gezielten Einsatzes und der Weiterentwicklung. Den theoretischen Hintergrund solcher Trainingsgeräte bilden biokybernetische Aspekte der Beanspruchung und Vervollkommnung der skeletmotorischen Antriebe. Über eine visuelle Rückkopplung der erreichten Zielparameter kann der Sportler so laufend seine Koordinationsleistung, die gleichzeitig mit und hinter der konditionellen Leistung abläuft, kontrollieren und anpassen. Das biokybernetische Konzept stellt mit den programmierbaren Geräten einen gezielten Input bereit.
Sowohl die vorliegende Studienlage als auch die aufgestellten Hypothesen verlangen eine weitere vertiefte Auseinandersetzung mit den verschiedenen Aspekten der MMC und ihrer Nutzung in Sport und Rehabilitation. Dazu ist eine verstärkte interdisziplinäre Arbeit erforderlich.
Literatur
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Autoren
ist Facharzt für Physiologie mit Lehrauftrag an der Ernst-Abbe-Hochschule Jena. Er ist Herausgeber der Zeitschrift Manuelle Medizin.
absolvierte ein Psychologiestudium an der Technischen Universität Dresden und promovierte zum Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) an der Universität Leipzig. Sie ist Forschungsgruppenleiterin Psychophysiologie am Institut für Präventivmedizin - Universitätsmedizin Rostock & Assoziierte Forschungsgruppenleiterin p2HEALTH am Center for Life Science Automation CELISCA der Universität Rostock.