Eishockey ist eine schnelle und verletzungsträchtige Kontaktsportart. Aufgrund der Häufung der so genannten „concussion“ sowie von muskuloskelettalen Verletzungen liegt der Schwerpunkt bei der Prävention, Diagnostik, Therapie und Rehabilitation auf diesen Entitäten. Ziel ist hierbei eine Verkürzung des „return to sports“ ohne funktionelle Einschränkungen.
Jedoch können auch weniger häufige Verletzungen große Auswirkungen eben auf diese sportmedizinische Zielsetzung haben. Hierbei ist insbesondere an die meist stumpfen Halsverletzungen zu denken.
Fallbeispiel
Ein 18-jähriger Eishockeyspieler wurde während eines WM-Vorbereitungsspiels durch einen Puck am Hals getroffen. Der gegnerische Spieler war gerade dabei, den Angriff neu aufzubauen, als sich beide Spieler im neutralen Drittel aufhielten und der Gegner den Puck ins Angriffsdrittel schießen wollte. Dabei traf er oben genannten Angreifer mit einem Schlagschuss am Hals. Der verletzte Spieler ließ sofort Schläger und Handschuhe fallen und verließ, sich den Hals haltend, die Eisfläche in Richtung der eigenen Bank. Hier angekommen zeigte sich bei der ersten Inspektion keine offene Verletzung, sodass sofort Kühlung und Kompression der „Prellung“ erfolgte. Zur weiteren Untersuchung wurde der Patient vom medizinischen Team in die Umkleide begleitet. Der Sportler gab lokal begrenzte Schmerzen im Bereich der Prellmarke ohne Schluckbeschwerden oder Dyspnoe an. In der klinischen Untersuchung zeigten sich eine ca. 2 x 3 cm messende Schwellung mit Prellmarke ohne offene Weichteilverletzung. Zudem zeigten sich keine Blutung intraoral sowie keine neurologischen Defizite. In der orientierenden Ultraschalluntersuchung konnte lediglich das im Musculus Sternocleidomastoideus abgrenzbare Hämatom mit einer Ausdehnung von 1,69 x 0,65 cm dargestellt werden. Eine Gefäßbeteiligung konnte im B-Mode nicht dargestellt werden.
In diesem Fallbeispiel konnte glücklicherweise eine schwerwiegende Verletzungsfolge ausgeschlossen werden, der Spieler konnte rasch auf die Eisfläche zurückkehren. Wir wollen diesen Fall bei typischem Mechanismus dazu nutzen, um auf Verletzungen der Halsgefäße als mögliche Folge von stumpfen Halstraumata mit potenziell weitreichenden Auswirkungen aufmerksam zu machen und kursorisch zu beleuchten.
blunt cerebrovascular injuries: BCVI
Generell können Gefäßverletzungen anhand des Mechanismus in penetrierende und stumpfe Verletzungen unterteilt werden. Penetrierende Gefäßverletzungen sind im Sport äußerst selten, können jedoch beim Eishockey Folge von Schnittverletzungen wie z. B. durch Kufen sein. Da hierbei oft harte Zeichen einer akuten Blutung vorliegen, werden diese zum Teil spektakulären Verletzungen meist nicht übersehen. Diese Verletzungen stehen nicht im Fokus dieses Artikels. Stumpfe Verletzungen der A. carotis sowie der A. vertebralis in ihrem gesamten Verlauf werden unter dem Begriff der so genannten blunt cerebrovascular injuries (BCVI) zusammengefasst [1]. Diese sind im Gegensatz zu den penetrierenden Verletzungen deutlich subtiler in der klinischen Präsentation und können gar erst zeitverzögert evident werden. Angesichts potenziell schwerwiegender Traumafolgen ist ein hoher klinischer Verdacht notwendig, um ein optimales Management zu ermöglichen.
Aufgrund der Seltenheit gibt es keine validen epidemiologischen Daten bei Sportlern, es mehren sich jedoch die Case Reports von sport-assoziierten BCVI (Rugby, Fahrradstürze, Basketball, etc.) [1 – 4]. Da BCVI bei Polytraumatisierten in 1 – 2 % der Fälle vorliegen, sind diese inzwischen wissenschaftlich gut aufgearbeitet [5]. Von diesen Erkenntnissen kann aufgrund ähnlicher Traumamechanismen auf Sportler geschlossen werden [4]. Typische Mechanismen sind die Überdehnung der Halsgefäße bei Hyperextension/-flexion und Rotation der Halswirbelsäule, oftmals unter Wirkung knöcherner Strukturen als Hypomochlion, die Gefäßschädigung durch direkte Gewalteinwirkung (z. B. Schläge/Tritte, Krafteinwirkung über Sicherungsgurte oder wie im Fallbeispiel durch einen Puck) oder Lazeration der Gefäße durch nahegelegene Frakturen. Insbesondere Frakturen oder Subluxationen der Halswirbelsäule sind ein aussagekräftiger Prädiktor für BCVI [6, 7].
Die Folge dieser Gewalteinwirkungen ist meist ein Intimaeinriss, der sich über eine Dissektion bis hin zu einem Gefäßverschluss entwickeln kann. Die Intimaläsion prädisponiert aufgrund der Exposition einer thrombogenen Oberfläche zur Thrombusbildung mit möglicher cerebraler Embolie und kann dadurch zu neurologischen Ausfällen führen. Ein intramurales Hämatom kann ebenfalls eine Stenosierung des Gefäßlumens verursachen und in der gleichen Symptomatik münden. Pseudoaneurysmen sind äußerst selten, können jedoch zu Rupturen und Embolien führen [8]. Die Symptome sind im Detail abhängig vom betroffenen Gefäß und vom korrespondierenden intrakraniellen Stromgebiet. Hierzu gehören Kopfschmerzen, Nackenschmerzen, ein Horner-Syndrom, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen und neurologische Ausfälle. Hier zeigt sich die Schnittmenge mit der Concussion, sodass bei dieser Diagnose immer aktiv an Verletzungen der Halsgefäße gedacht werden sollte. Die meisten Patienten (ca. 80 % in der Traumapopulation) sind jedoch initial asymptomatisch, eine neurologische Symptomatik kann aber auch noch nach Tagen bis sogar Wochen eintreten [1, 4, 7].
Um die BCVI gerade bei den asymptomatischen Patienten noch vor Entwicklung einer Symptomatik zu diagnostizieren und so ein therapeutisches Fenster zu schaffen, wurden beim Trauma-Patienten die so genannten Denver Screening-Kriterien (aktuell erweiterte Denver-Kriterien) entwickelt [6]. Diese beinhalten Symptome und aufgrund des Traumamechanismus assoziierte Risikofaktoren (Tab. 1). Ist mindestens ein Punkt erfüllt, so sollte eine CT-Angiographie der extra- und intrakraniellen hirnversorgenden Arterien durchgeführt werden [9]. Eine Anwendung der Kriterien auf Sportverletzungen mit adäquatem Trauma scheint sinnvoll. Bei Monoverletzungen ohne zeitkritische Verletzungsfolgen ist bei den meist jungen Sportlern auch eine MR-Angiographie geeignet. Die Duplexsonographie ist eine orientierende Alternative, jedoch können hierbei dezente Befunde leicht übersehen werden und sollte daher um eine Schnittbildgebung ergänzt werden. Die DSA der hirnversorgenden Gefäße ist heutzutage nur noch bei nicht aussagekräftigen Befunden der nicht-invasiven Diagnostik notwendig.
Anhand der Bildgebung können BCVI in 5 Grade eingeteilt werden (Tab. 2). Diese Einteilung zeigt eine Relevanz für die Behandlung und korreliert auch mit der Wahrscheinlichkeit ischämischer Infarkte [8]. Die Therapie der Grad I und II Verletzungen, hierbei handelt es sich um den Großteil der Fälle, basiert auf einer Thrombozytenaggregationshemmung (z. B. ASS 100 mg 1x/d per os), diese kann die Schlaganfallrate signifikant senken [1, 5]. Nach einer Woche sollte zur Verlaufskontrolle eine erneute CT-Angiographie erfolgen. Bleibt ein Progress aus, so wird die bisherige Therapie fortgesetzt und der Befund nach einem halben Jahr nochmals bildgebend kontrolliert. Bei einem Progress in der ersten Verlaufsbildgebung (relevante Stenose, Pseudoaneurysma) oder primär bei einem Pseudoaneurysma (Grad III) und einer Transsektion (Grad V) kommen endovaskuläre oder offene Therapieoptionen zum Einsatz, diese sind jedoch nur selten notwendig. Grad IV-Verletzungen müssen in Abhängigkeit von den Symptomen individuell mit den o. g. Möglichkeiten behandelt werden [6].
Handlungsempfehlung & Fazit
Wenn auch selten vorkommend, so sind Halsverletzungen oft mit weitergehenden Verletzungen verschiedener anatomischer Strukturen assoziiert. Zur optimalen Versorgung dieser Traumata ist zunächst ein klinischer Verdacht („daran denken“) notwendig, um eine zielgerichtete Diagnostik einleiten zu können. Wie auch bei den muskuloskelettalen Verletzungen wird die Sonographie als erste orientierende Untersuchung verwendet, sollte aber eine Duplexsonographie beinhalten. Bei Hinweisen oder begründetem klinischen Verdacht auf eine Gefäßverletzung sollte eine CT-Angiographie der Hals-/Kopfgefäße angeschlossen werden. Die meisten stumpfen Gefäßverletzungen können mit einer einfachen Thrombozytenaggregationshemmung behandelt werden [12], die Vorstellung der Patienten bei einem Gefäßmediziner ist zu empfehlen.
Literatur
[1] Hundersmarck et al., Blunt cerebrovascular injury: incidence and long-term follow-up; Eur J Trauma Emerg Surg; 2021 Feb; 47(1):161-170 doi: 10.1007/s00068-019-01171-9.
[2] Long M.K., Arevalo O., Ugalde I.T.; Case Series of Adolescents With Stroke-Like Symptoms Following Head Trauma; J Emerg Med; 2019 May;56(5):554-559. DOI: 10.1016/j.jemermed.2019.01.029
[3] Cuellar A.T.; Blunt cerebrovascular injury in rugby and other contact sports: case report and review of the literature; World J Emerg Surg; 2014 May 4;9:36. DOI: 10.1186/1749-7922-9-36
[4] Cuellar TA, Lottenberg L, Moore FA, Blunt cerebrovascular injury in rugby and other contact sports: case report and review of the literature; World J Emerg Surg; 2014 May; 4(9):36 doi: 10.1186/1749-7922-9-36.
[5] Harrigan MR, Ischemic Stroke due to Blunt Traumatic Cerebrovascular Injury; Stroke; 2020 jan; 51(1):353-360 doi: 10.1161/STROKEAHA.119.026810.
[6] Engelhardt M., Orend K.H., Gefäß- und Thoraxverletzungen, De Gruyter Verlag, 1. Auflage 2021; ISBN 978-3-11-063971-1
[7] Ban VS et al., Neurosurgical Emergencies in Sport Neurology; Curr Pain Headache Rep; 2016 Sep; 20(9):55 doi: 10.1007/s11916-016-0586-4.
[8] Rutman AM, Vranic JE, Mossa-Basha M, Imaging and Management of Blunt Cerebrovascular injury; Radiographics; 2018 Mar-Apr; 38(2):542-563 doi: 10.1148/rg.2018170140.
[9] Brommeland T. et al., Best practice guidelines for blunt cerebrovascular injury (BCVI), Scand J Trauma Resusc Emerg Med; 2018 Oct 29;26(1):90. DOI: 10.1186/s13049-018-0559-1
[10] Geddes et al., Expanded screening criteria for blunt cerebrovascular injury: a bigger impact than anticipated; Am J Surg, 2016 Dec; 212(6):1167-1174. DOI: 10.1016/j.amjsurg.2016.09.016
[11] Biffl et al., Blunt carotid arterial injuries: implications of a new grading scale; J Trauma; 1999 Nov; 47(5):845-53. DOI: 10.1097/00005373-199911000-00004
[12] Catapano et al., Management of Extracranial Blunt Cerebrovascular Injuries: Experience with an Aspirin-Based Approach; World Neurosurg; 2020 Jan ;133:e385-e390. DOI: 10.1016/j.wneu.2019.09. 013
Einen Vortrag zu diesem Thema hält Claudia Frenz auf dem 13. Symposium der sportärztezeitung am 30.09.2023 in der ARCUS Sportklinik.
Autoren
ist Sanitätsstabsoffizier der Bundeswehr und derzeit Weiterbildungsassistentin in der Allgemeinchirurgie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Von 2020 bis 2022 war sie Truppenärztin im Gebirgsjägerbataillon in Mittenwald. Nachdem sie bereits Teamärztin im Bereich American Football, Handball und Eishockey war, ist sie seit 2020 Teamärztin der U18 und U20 Eishockey-Nationalmannschaft.
ist Sanitätsstabsoffizier der Bundeswehr. Er ist Facharzt für Allgemeinchirurgie und Gefäßchirurgie sowie Oberarzt der Klinik für Gefäßchirurgie und endovaskuläre Chirurgie am Bundeswehrkrankenhaus Ulm. Außerdem absolvierte er eine Ausbildung zum Einsatzchirurgen.