Überlastungsschäden im Radsport finden sich im Profi-, wie auch im Freizeitbereich. In der Regel entwickeln sich die Beschwerden langsam über einen längeren Zeitraum und sind in etwa doppelt so häufig wie Verletzungen. Eine Verschlimmerung tritt oft erst mit zunehmender Trainingsdauer und -intensität auf.
Die Probleme treten meist an den Kontaktpunkten von Fahrer und Fahrrad auf. So kommt es gehäuft zu Rückenbeschwerden, Knie – und Hüftschmerzen und Sitzproblemen. Ebenso können durch Fehlhaltung Nervenschmerzen an den Extremitäten entstehen.
Rückenschmerzen
Je nach Sitzposition klagen die Sportler über Nackenschmerzen und eine schmerzhafte Verspannung der Nackenmuskulatur. Hier fällt oft der Satz: „der Muskel macht zu.“ Dabei führt eine Überbeanspruchung der cervicalen Extensoren zu einer schmerzhaften Verspannung der Muskulatur. Infolge der Kompression nimmt die Blutzirkulation ab und es kann zu Dysästhesien in den oberen Extremitäten kommen. Eine Hyperextension der HWS, wie z. B. beim Zeitfahren oder Langdistanztriathlon, erfordert daher eine stabile und kräftige Muskulatur. Eine Behandlung erfolgt in erster Linie im Rahmen der Sitzpositionseinstellung (Bike-fitting), mit Anpassung des Vorbaus, der Verwendung eines adäquaten Lenkers und einer entsprechenden Sitzhöhe (Tretlager-Sattel, Abb. 1 und 2). Manuelle Therapie und entsprechen Dehnungsübungen finden ebenfalls Anwendung und dienen dazu, die Muskulatur zu lockern und die Mobilität zu verbessern.
Eine Sonderform dieser Nackenbeschwerden und in der Literatur kaum beschrieben ist der „Shermens neck“. Dies ist eine vollständige Ermüdung der Nackenmuskulatur durch überlange Radfahrten (z. B Race across America). Der Kopf kann aktiv nicht mehr gehalten werden und die betroffenen Sportler versuchen oft, den Kopf mit selbstgebauten Haltegeräten in einer Position zu halten, um das Rennen bestreiten zu können. Im Bereich der Lendenwirbelsäule kommt es bei fast der Hälfte aller Radsportler im Laufe der Karriere zu Beschwerden. Selbst im Profibereich berichten 45 % aller Sportler über wiederkehrende lumbale Schmerzen [1]. Eine angepasste Sitzposition und individuelle Gymnastik dienen zur Prävention von Rückenschmerzen. Auch die verschiedensten Kniegelenksbeschwerden können durch diese Maßnahmen beeinflusst werden.
Knieschmerzen
Eine Studie von Borgers und Mitarbeitern zeigt bei knapp 60 Radprofis mit seit mindestens 14 Monaten bestehenden Knieschmerzen sieben verschiedene Überlastungssyndrome. Bei 46 % handelte es sich um einen einfachen präpatellaren Schmerz, bei 15 % um ein Plicasyndrom, bei 10 % um eine Patellasehnenreizung, bei 7 % um eine Reizung des M.Bizeps femoris und bei 6 % um eine Hoffaitis. In knapp 10 % konnte keine definitive Diagnose gestellt werden [2]. Das Patella-femorale Schmerzsyndrom macht sich durch einen Schmerz retropatellar bei hohen Kraftbelastungen bemerkbar. Es tritt vor allem beim Berg- und Widerstandstraining und bei Fahrten mit großen Gängen und niedrigen Trittfrequenzen auf [3]. Klinisch findet sich eine schmerzhafte Patellafacette und ein patellarer Kompressionsschmerz. Ein Kniegelenkserguss ist meist nicht nachweisbar. Die Therapie reicht von manueller Therapie, Tapeverbänden, Reizstrom und Stoßwelle über Bikefitting bis hin zur Injektion. Eine Evidenz für jedwede Behandlung findet sich nicht. Bei Reizungen und Beschwerden der knieumfassenden Muskulatur findet sich häufig eine falsche Einstellung der Schuhplatten, der einzigen festen Verbindung des Fahrers zum Fahrrad. So benötigen Sportler mit z. B. einer Coxa antetorta eine innenrotierte Schuhplatte, während Fahrer mit einer retrovertierten Hüfte eine Außenrotation benötigen. Schlussendlich schafft die richtige Einstellung der Schuhplatte in den meisten Fällen Abhilfe.
Neuralgien
Weitere Probleme sind Nervenkompressionssyndrome, hier vor allem die ulnare Neuropathie, das Carpaltunnelsyndrom, vertebral bedingte Dysästhesien und das „burning Feet Syndrome“. Sie treten oft nach langen Fahrten auf, verschlimmern sich auf unebenem Grund und können in chronischen Beschwerden enden [4]. Prophylaktisch kann die Neuropathie im Handgelenksbereich mit ergonomischen Handgriffen, gepolsterten Lenkern und/oder entsprechenden Handschuhen zur Reduktion des Druckes auf den Nerven meist verhindert werden. Sind die Beschwerden erst aufgetreten, besteht die Behandlung aus exzentrischem Krafttraining, dem Tragen einer Nachtschiene und der Gabe von Schmerzmitteln. Beim Burning Feet Syndrom zeigt sich ein brennender Schmerz mit Kribbeldysästhesien zwischen Metatarsale 3 und 4. Der Fuß muss häufig vom Pedal genommen und entlastet werden. Eine Veränderung der Schuhplatten, andere Schuhe und/oder Einlagen schaffen häufig Abhilfe. In hartnäckigen Fällen und bei Versagen der konservativen Therapien besteht die Möglichkeit einer Injektion oder gar in der operativen Resektion des schmerzhaften Neurinoms.
Iliakale Endofibrose
Ein weiter kaum bedachtes und schwer zu diagnostizierendes Krankheitsbild im Radsport ist die iliakale Endofibrose. Repetitive Traumata der Beckenarterien führen zu einer Verletzung der Arterienwand und der Ausbildung einer Endofibrose. Klinisch macht sich diese Problematik durch einen Kraftverlust im Bein unter Belastung, Schmerzen und Krämpfen bemerkbar. Differentialdiagnostisch ähneln die Symptome einer Claudicatio intermittens. Die endgültige Diagnose erfolgt mit Hilfe der Dopplersonographie und ggf. einer Angiographie. In einer Studie mit 70 Radsportlern (25 gesunde, 45 symptomatische Sportler) konnten Kleinhoog und Mitarbeiter zeigen, dass eine Minderung der Maximalkraft von 5 % im Seitenvergleich der beste Prediktor zur Diagnose einer iliakalen Endofibrose ist. Die Sensitivität dieser Untersuchung lag bei 76 % die Spezifität bei 88 % [5]. Die Therapie dieser im Profiradsport doch häufigen Erkrankung besteht zunächst in einer Umstellung der Sitzposition. Meist ist dieses jedoch nicht ausreichend und es muss an eine Operation mit Endarteriektomie und Patchanlage gedacht werden.
Sitzprobleme
Abschließend müssen noch die Beschwerden im Sitzbereich erwähnt werden. Reibung und Feuchtigkeit können zu Prostatitis, Urethritis und Vulvitis führen. Zum Teil müssen hier lokale Antibiotika zum Einsatz kommen. Abszesse, subkutane Knötchen und Follikulitiden können durch die Benutzung einer entsprechenden Sitzcreme und Radhosen mit Polsterung verhindert werden. Jeder Sportler ist individuell und so können angepasste Trainingspläne und ein professionelles Bikefitting Überlastungssyndrome verhindern [6].
Literatur
[1] Mellion MB: Common cycling injuries. Management and prevention. Sports Med. 1991 Jan;11(1):52 – 70.
[2] Borgers A, Claes S, et al: Etiology of knee pain in elite cyclists: A 14-month consecutive case series. Acta Orthop Belg. 2020 Jun;86(2):262 – 271.
[3] Benjamin C., Krosshaug T.: Overuse injuries in professional road cyclists Am J Sports Med. 2010 Dec;38(12):2494 – 501.
[4] Richmond D.:Handlebar problems in bicycling Clin Sports Med. 1994 Jan;13(1):165 – 73.
[5] Kleinloog JPD, van Hooff M: Pedal power measurement as a diagnostic tool for functional vascular problems. Clin Biomech (Bristol, Avon). 2019 Jan;61:211 – 216.
[6] Quesada JI, Kerr ZY et al: The association of bike fitting with injury, comfort, and pain during cycling: An international retrospective survey. Eur J Sport Sci. 2019 Jul;19(6):842 – 849.
Autoren
ist Facharzt für Allgemeinchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin, Chirotherapie, Akupunktur, niedergelassen in eigener Praxis in Siegburg und Hennef. Erfahrungen im Profiradsport und in der Betreuung von ProfiTriathleten. 2-maliger Ironman Hawaii Finisher. Begeisterter MTB und Rennradfahrer.