Die Olympischen Spiele in Paris im vergangenen Sommer haben erneut gezeigt, dass der internationale Spitzensport von zwei zentralen Trends geprägt ist, die eng miteinander verbunden sind: einer zunehmenden Individualisierung der Trainingsprozesse und einer verstärkten Digitalisierung. Diese Entwicklungen prägen die Trainingssteuerung und eröffnen neue Möglichkeiten zur Optimierung von Leistung und Erholung.
Die kontinuierliche Datenerhebung mit dem Ziel der systematischen Analyse bildet die Grundlage, um ein besseres Verständnis über die einzelnen Athleten zu erhalten. Hier steht insbesondere die Identifikation von personenspezifische Adaptations- und Regenerationsmustern im Vordergrund.
Während sich Anpassungen, wie steigende Maximalkraftwerte oder eine verbesserte Sauerstoffaufnahmefähigkeit, relativ einfach dokumentieren lassen, bleibt die Erfassung von Regenerationsmustern in der Sportpraxis eine Herausforderung. Insbesondere im Ausdauerbereich können Ermüdungsprozesse durch biochemische Marker (z. B. Urea, IGF-1, CK [10]) sowie Parameter des autonomen Nervensystems (HR, HRR, HRV [3]) relativ gut gesteuert werden. In schnellkraftorientierten Sportarten gestaltet sich dies aktuell jedoch (noch) deutlich schwieriger. So wird beispielsweise der Countermovement Jump (CMJ) auf Kraftmessplatten genutzt, um neuromuskuläre Ermüdung zu bewerten. Dessen Aussagekraft wird in der Literatur hingegen kritisch hinterfragt, was u. a, auf die komplexen Einflussfaktoren der zentralnervösen Ermüdung zurückzuführen ist [6].

Einflussfaktoren der Regeneration
Laut Kehlmann [14] gibt es vier zentrale Einflussfaktoren der Regeneration: Training, Lebensstil, Gesundheitszustand und soziale Umgebung. Um diese Faktoren im Kontext der Individualisierung optimal zu nutzen, sind gezielte Maßnahmen erforderlich, die auf die spezifischen Bedürfnisse der Athleten abgestimmt sind. Das eigentliche Training umfasst oft nur zwei bis vier Stunden täglich (mit Ausnahmen im Ausdauersport). Somit verbleiben 20 bis 22 Stunden, welche die Athleten in der Regel unbegleitet von ihren Trainern verbringen. Diese Zeit birgt sowohl Potenziale als auch Risiken für die Regeneration. In diesem Kontext wird es unerlässlich, das Training nicht allein auf die physische Entwicklung zu fokussieren, sondern auch pädagogische Elemente einzubinden, um die Eigenverantwortung der Athleten zu stärken. Auch wenn der Einfluss von digitalen Trackingmöglichkeiten zunimmt, wird das subjektive Feedback weiterhin ein wesentlicher Bestandteil der Steuerung von Belastung und Erholung bleiben. Die Qualität dieses Feedbacks hängt jedoch von der Interpretationskompetenz der Athleten ab – eine Fähigkeit, die ebenso gezielt entwickelt werden muss wie Kraft, Ausdauer oder Technik.
Entwicklungen in Laufe der Leistungssportkarriere
Im Verlauf einer sportlichen Karriere folgt die Leistungsentwicklung typischerweise einer asymptotischen Kurve. Während zu Beginn der sportlichen Laufbahn noch große Leistungssprünge registriert werden, nehmen diese mit zunehmendem Alter sukzessive ab. Es wird immer schwieriger, sportlichen Fortschritt zu erzielen.
Das Verhältnis von Input (Training) und Output (Leistungszuwachs) wird zusehend ineffizienter. Im Umkehrschluss muss das Training intensiver bzw. umfänglicher werden. Erschwerend steht den Athleten in Vorbereitung auf die anstehenden sportlichen Höhepunkte aufgrund von Wettkampf- und Regenerationsphasen nur eine begrenzte Anzahl an leistungsentwickelnden Trainingseinheiten zur Verfügung. In der vorolympischen Saison lag diese in den Kurzsprintdisziplinen der Leichtathletik bei ca. 180, womit jede einzelne Einheit 0,56 % des Jahrestrainingsumfangs ausmacht. Natürlich schwankt diese Zahl abhängig von den leistungsdeterminierenden Faktoren der Sportart bzw. Disziplin, in jedem Fall wird aber die Bedeutung der einzelnen Trainingseinheit unterstrichen.
In Kenntnis dieser Limitierung steigt zwangsläufig die Risikobereitschaft im Training: Spitzenathleten der Weltklasse sind darauf angewiesen, anspruchsvolle und hochintensive Trainingseinheiten zu absolvieren, um die notwendigen physiologischen, muskuloskelettalen und technischen Anpassungen zu erzielen, die für ihre sportliche Leistungsfähigkeit auf höchstem Niveau erforderlich sind. Besonders herausfordernd ist, dass im Laufe ihrer Karriere die Anzahl der spezifischen und zielgerichteten Trainingseinheiten kontinuierlich zunimmt. In schnellkraftorientierten Sportarten konzentrieren sich diese Einheiten vor allem auf intensive Kraft- oder Schnelligkeitstrainings, die idealerweise mit möglichst geringer oder vollständig vermiedener Vorermüdung durchgeführt werden müssen, um ihre maximale Wirksamkeit zu entfalten.
Ermüdung und Verletzungen
In der Konsequenz wird die Regeneration der kritische Faktor im Hinblick auf die frequente Durchführung intensiver Trainingseinheiten. Ist diese nicht in ausreichendem Maße gewährleistet, kann es zu Akkumulationseffekten kommen, welche häufig in einem „Übertraining“ [7, 15] resultieren. Bestwick-Stevenson et al. [2] differenzieren neben der physischen Ermüdung in neuromuskuläre Kontrolle, psychologische Ermüdung und das Wechselspiel dieser drei. Sie beschreiben Müdigkeit im sportwissenschaftlichen Kontext als „Unfähigkeit des zentralen Nervensystems, adäquat motorischen Einheiten zu rekrutieren“ – eine Basisfunktion zur Kraftgenerierung. In der Sportpraxis wird bereits seit Jahren darüber diskutiert, dass z. B. abrupte Verletzungen der ischiocruralen Muskulatur auf unzureichende neuromuskuläre Regeneration zurückzuführen ist. Auch in der Wissenschaft gibt es entsprechende Hinweise [5, 9]. Zu finden sind in der Literatur seit Jahrzehnten zahlreiche Belege für Ermüdungseffekte auf das neuromuskuläre System: Hanson et al. [12] konnten bereits früh die negativen Auswirkungen auf die Reaktionszeit darstellen. Sparto et al. [20] zeigen, dass muskuläre Ermüdung zu Veränderungen in den Bewegungsmustern führt, welche die Effizienz dieser beeinträchtigt und damit zu einem höheren Verletzungsrisiko führen kann. Diese Aussage findet Bestätigung bei Santamaria [18] und in der Studie von Gollhofer et al. [7], der nochmals unterstreicht, dass Athletinnen und Athleten nur „mental ausgeruht und voll motiviert an die Grenzen (ihrer) explosiven Leistungsfähigkeit geführt werden” können.
Aus der Sportpraxis wissen wir, dass insbesondere die Kombination aus zentralnervöser und physischer Ermüdung hohes Verletzungsrisiko birgt. Die (vollständige) Erholung des zentralen Nervensystems benötigt dabei in der Regel deutlich länger als die rein physische Regeneration. Baumert et al. [1] zeigen in ihrer Arbeit auf, dass nach einer Schnelligkeitsbelastung die muskuläre Regeneration zwar vergleichsweise rasch einsetzt, die neuronale Ermüdung aber über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt, was die komplette Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit deutlich verzögert. Hier wird in der Regel von einer Mindestregenerationszeit von 48 bis 72 Stunden gesprochen. Selbst Weltklasse Sprinter führen demzufolge höchstens ein bis zwei Schnelligkeitseinheiten bei maximaler Laufgeschwindigkeit pro Belastungswoche durch [11].
Wechselwirkungen von regenerativen Maßnahmen
Auch wenn jeder Trainingsreiz Ermüdung hervorruft, ist es ein erklärtes Ziel der Trainingsplanung, mittel- bis langfristig akkumulierte Ermüdung zu vermeiden. Die Zeit zwischen einzelnen Trainingseinheiten sinnvoll zu nutzen, die Regeneration möglichst zu optimieren und so die kommende Trainingseinheit optimal vorbereiten zu können ist ein wesentlicher Faktor. Skorski et al. [19] unterscheiden in diesem Zusammenhang zwischen zwei Wirkweisen der Regeneration: 1. Auf der einen Seite ermöglichen sie den Sportlern nachfolgende Trainingseinheiten mit höherer Intensität oder Qualität durchzuführen, was sich in einer optimierten Adaptation bemerkbar machen kann. 2. Auf der anderen Seite können bestimmte Interventionen die trainingsinduzierte Ermüdung reduzieren und dadurch potenziell die gewünschten Anpassungen abschwächen. Entsprechend müssen sich die Athleten und ihre Betreuerteams fortwährend die Frage stellen, was Regeneration letztendlich unterstützen soll: Die Anpassung nach einer Einheit oder die Vorbereitung der folgenden. Ein passendes Beispiel sind in diesem Kontext Kälteapplikationen (z. B. die Nutzung von Eisbändern oder Kältekammern) Während diese den intendierten Einfluss eines Krafttrainings reduzieren können, bergen sie auf der anderen Seite das Potenzial, physiologische Anpassung nach Ausdauereinheiten zu unterstützen [15]. Da sich die Haupttrainingsschwerpunkte im Rahmen der Periodisierung während der unterschiedlichen Trainingsphase verändern, müssen entsprechend auch die Regenerationsmethoden angepasst werden. Während in der allgemeinen Vorbereitungsphase zu Gunsten maximaler Trainingseffekte verzichtet werden könnte, macht es unter Umständen Sinn, diese während der Wettkampfphase regelmäßig einzusetzen.

Fazit
Die Bedeutung der Regeneration im Spitzensport nimmt mit den gestiegenen Anforderungen an Intensität und Spezialisierung des Trainings kontinuierlich zu. Eine gezielte Regenerationsplanung, die individuelle Bedürfnisse, wissenschaftliche Erkenntnisse und spezifische Belastungen berücksichtigt, ist essenziell, um Verletzungen zu vermeiden, Übertraining vorzubeugen und das Leistungspotenzial der Athleten langfristig auszuschöpfen. Regeneration ist somit nicht nur ein Mittel zur Erholung, sondern ein entscheidender Leistungsfaktor.
Literatur
- Baumert, P., Temple, S., Stanley, J. M., Cocks, M., Strauss, J. A., Shepherd, S. O., Drust, B., Lake, M. J., Stewart, C. E., & Erskine, R. M. (2021). Neuromuscular fatigue and recovery after strenuous exercise depends on skeletal muscle size and stem cell characteristics. Scientific Reports, 11(1)
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Autoren
ist Geschäftsführer des Olympiastützpunkts Bayern (OSP Bayern) und hat sich mit über 12 Jahren int. Erfahrung auf die Trainerausbildung, Athletenförderung und strategische Sportentwicklung spezialisiert. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit liegt in der Förderung und Entwicklung interdisziplinärer Teams im Hochleistungssport. Darüber hinaus engagiert er sich stark für den Olympic Sports Medicine Congress im Münchener Olympiapark, den er federführend organisiert.