Im Verlauf des letzten Jahres hat, u. a. durch den Erfolg der deutschen Frauen-Nationalmannschaft während der Europameisterschaft, das öffentliche Interesse am weiblichen Profifußball in Deutschland zugenommen. Im sportmedizinischen Bereich liegt der Fokus insbesondere auf der Ursachenforschung und Prävention von Verletzungen der weiblichen Athleten.
Verletzungen
Im Fußball zählen Verletzungen der unteren Extremität, insbesondere des Sprung- und Kniegelenkes, aber auch der Muskulatur, zu den Hauptgründen eines Trainings- oder Wettkampfausfalles [1]. Da neben des erstmaligen Ereignisses auch die Folgeverletzungen im Zuge der Rekonvaleszenz in gleicher oder anderer Lokalisation eine bedeutende Rolle spielen, ist neben der Prävention von Verletzungen auch eine gezielte Rehabilitation von hohem Stellenwert. Während im Geschlechtervergleich Männer eher zu Läsionen der Hamstrings und im Bereich der Leiste neigen, besteht bei Frauen eher eine Disposition zu Verletzungen der vorderen Oberschenkelmuskulatur oder schweren ligamentären Knie- und Knöchelverletzungen [2]. Demzufolge sollten Präventionsstrategien auf die Bedürfnisse von weiblichen Sportlern zugeschnitten werden.
Unterschiede Frau/Mann
Allgemein: Die Untersuchungen der biologischen Unterschiede in den Geschlechtergruppen nehmen in den letzten Jahren deutlich zu und weitere für Prävention und Rehabilitation relevante Erkenntnisse sind zu erwarten. Dennoch ist es auch aktuell noch so, dass die überwiegenden Schlussfolgerungen zur Optimierung der genannten Themen im professionellen Fußball anhand einer Studienlage getroffen werden, die überwiegend auf Untersuchungen an männlichen Sportlern beruhen [3, 4]. Unterschiede bestehen z. B. in Größe, Gewicht, Muskelmasse sowie Zusammensetzung und Art der Muskelfasern. Zusätzlich zeigen sich Unterschiede in der maximalen aeroben Leistungsfähigkeit (ca. 10 %) und im Hormonhaushalt, wobei der um 10 – 20 mal niedrigere Testosterongehalt die Hauptursache für das niedrigere Kraftpotenzial der Frau gegenüber dem Mann ist [5].
Speziell Knie: Das Risiko einer Kreuzbandverletzung für Frauen im Gegensatz zu Männern ist je nach Studie in etwa drei- bis sechsmal höher, insbesondere bei „non-contact“ Verletzungen. Anatomische und funktionelle Gegebenheiten wie häufiger auftretende Genua valga, vermehrte Hüftadduktion und damit ein vergrößerter Q-Winkel, Quadrizepsdominanz bei geringerer Hamstringaktivität, vermehrtem tibialen Slope, Notchenge sowie verringerte Rumpfstabilität und vermehrte femorale Anteversion mit resultierendem innenrotierten Gangbild sind bekannt. Resultierend im Geschlechtervergleich besteht eine vermehrte Belastung des vorderen Kreuzbandes bei weiblichen Sportlern. Ein zeitlicher Zusammenhang ligamentärer Verletzungen weiblicher Athleten, vor allem des vorderen Kreuzbandes, lässt sich in der ersten Menstruationszyklusphase finden. Die Gründe hierfür reichen von der negativen Einflussnahme des Östrogens präovulatorisch auf die Zugfestigkeit des Kreuzbandes bis zu einer größeren anterioren Laxizität in der Follikelphase. Ein eindeutiger zusätzlicher hormoneller Einfluss auf die neuromuskuläre Kontrolle findet sich nicht [6, 7]. Ob das allgemeine Risiko der vorderen Kreuzbandverletzung durch orale Kontrazeptiva reduziert werden kann, erscheint nicht abschließend geklärt [8].
Ursachensuche
Die geschlechtsspezifischen Unterschiede der Verletzungsmuster sind aus unserer Sicht zum einen in offensichtlichen, zum anderen in nicht offensichtlichen Ursachen (insbesondere auf professionellem, respektive semiprofessionellem Niveau) zu finden. Neben den bereits angesprochenen anatomischen Differenzen sind insbesondere die hormonellen Unterschiede relevant. Und genau hier ergeben sich die Probleme der praxisrelevanten Ursachensuche. Der Menstruationszyklus erscheint häufig ein Ausschlusskriterium zu sein, weibliche Athleten in Studien einzubeziehen. Die zyklusabhängigen Veränderungen werden als Störfaktor gesehen und wenn überhaupt werden die Athletinnen in isolierten Phasen des Zyklus getestet, um dessen Einflussnahme zu minimieren [9 – 11]. Als nicht offensichtliche Ursachen sehen wir die unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten im männlichen und weiblichen Fußball. Während in den männlichen Mannschaften der Fußballbundesliga ausschließlich Profis zu finden sind, gehen Spielerinnen der Frauen-Bundesliga häufig zusätzlich einer Arbeit nach oder absolvieren zusätzlich ein Studium. Der gesamte Fokus kann somit nicht auf die Prävention oder bei Verletzungen auf die Rehabilitation gelegt werden. Die Bedingungen hinsichtlich der allgemeinen Trainingsintensität und -qualität und der erforderlichen medizinischen und sportpsychologischen Betreuung sind nach Experteneinschätzung in den wenigsten Vereinen der 1. und 2. Frauenbundesliga auf absolut professionellem Niveau. Auch die Unterstützung im Athletiktraining oder in Ernährungsfragen sind nicht vergleichbar. Auffällig ist beispielsweise, dass die Verletzungshäufigkeit im Spiel 6 – 7mal höher als im Training ist. Es ist somit zu diskutieren, ob das Training die Spielerinnen auf die physischen Ansprüche im Spielgeschehen im Hinblick insbesondere auf „non-contact“-Verletzungen optimal vorbereitet [1].
Prävention
Allgemein: Die aktuell noch unzureichende Datenlage, einhergehend mit den multifaktoriellen Ursachen einer Verletzung beim weiblichen Athleten, erschwert die Erarbeitung einer verbesserten Präventionsstrategie. Während die gegebenen anatomischen Unterschiede nicht zu verändern sind, bleibt die Möglichkeit, in einzelne Komponenten der Verletzungsursachen einzugreifen. Beim DFB sind diesbezüglich in den letzten Jahren in Zusammenarbeit mit der Universität Freiburg die sogenannten „Performance Days“ ins Leben gerufen worden. Dabei werden bei den weiblichen Auswahlmannschaften in regelmäßigen Abständen neben medizinischen Tests auch biomechanische Untersuchungen durchgeführt und spezielles Wissen über entsprechende Module an die Spielerinnen weitergegeben. Am Ende soll zum einen für Themen wie Verletzungsprophylaxe und Leistungsoptimierung sensibilisiert werden, zum andern anhand der gewonnenen Daten eine Hilfestellung zur Aufarbeitung bewegungsspezifischer und muskulär-stabilisierender Defizite generiert und das Bewusstsein für typische Bewegungen und Verletzungssituationen geschaffen werden. Dieser individuelle Ansatz geht jedoch mit entsprechendem finanziellen Aufwand einher, der in der Regel für angehende Profifußballerinnen nicht zur Verfügung steht. Die weitere Verbreitung etablierter Präventionsprogramme wie beispielsweise FIFA11+ [12, 13] oder exzentrischem Krafttraining („Nordic Hamstring Exercise“) [14, 15] könnte eine weitere Reduktion von Verletzungen, unter anderem bzgl. des vorderen Kreuzbandes, bewirken. Diese Maßnahmen, bzw. Fokussierung, erscheinen im Hinblick auf die aktuell noch nicht vorhandene Professionalisierung im Juniorinnen-Fußball und fehlende Unterstützung im Athletikbereich empfehlenswert. Wider Erwarten sind zum jetzigen Zeitpunkt deren Einsatz auch im Profifußball gering [16].
INFO: FIFA 11+ ist ein standardisiertes Aufwärmprogramm zur Verletzungsprävention bei Fußballspielern. Es beinhaltet Laufübungen sowie weitere Übungen zu Kraft, Plyometrie und Gleichgewicht.
Menstruationszyklus
Eine allgemeine Präventionsstrategie, basierend auf der zyklusabhängigen Leistungsfähigkeit und Verletzungsanfälligkeit lässt sich nach aktueller Datenlage nicht ableiten [17]. Unterschiedliche Leistungsparameter werden während des Menstruationszyklus beeinflusst, aber ein direkter Einfluss der Parameter und damit signifikante Rückschlüsse hinsichtlich Empfehlungen und Trainingsindividualisierung können nicht sicher gezogen werden [18]. Basierend auf Selbstauskünften von 1.086 weiblichen Athleten aus 57 Sportarten konnte gezeigt werden, dass zyklusbedingte Beschwerden, insbesondere Dysmenorrhoe und prämenstruelle Beschwerden weit verbreitet sind. Dabei erscheint die Einnahme oraler Kontrazeptiva diese zumindest zu lindern. Eine Planung der Trainings- und Wettkampfbelastung in Abhängigkeit von diesen Symptomen erfolgt in seltenen Fällen [19]. Verschiedene Wahrnehmungen in Bezug auf die sportliche Belastung unterscheiden sich in den einzelnen Menstruationsphasen.
Die empfundene Anstrengung wurde durch die einzelnen Phasen des weiblichen Zyklus nicht beeinflusst. Die Motivation und Wettbewerbsfähigkeit hingegen wurde in der späten Follikel- bis Ovulationsphase besser beurteilt. Stimmungsstörungen bestanden eher prämenstruell, Menstruationssymptome und Abnahme der Vitalität waren unmittelbar mit der Menstruation vergesellschaftet [20]. Das hormonelle Profil während des Menstruationszyklus variiert sowohl zwischen den einzelnen Sportlerinnen, als auch zwischen den einzelnen Zyklen einer Person. Dies stellt ein großes Problem der Verallgemeinerung von Trainings- und Präventionsempfehlungen dar. Die derzeitigen Erkenntnisse sind uneinheitlich, zum Teil widersprüchlich. Einigkeit herrscht allerdings in der angepassten Trainings- und Wettkampfsteuerung, um die individuellen Reaktionen auf die körperliche Leistungsfähigkeit während der einzelnen Zyklusphasen zu berücksichtigen [17]. Vor der Annahme, dass die Spielperformance nicht signifikant durch die Zyklusphasen beeinträchtigt wird [21], erscheint es schwierig, vor allem im Mannschaftssport mit mehreren Spielerinnen und vollem Rahmenterminkalender eine Akzeptanz aller Beteiligten der Individualisierung zu erreichen. Der personenadaptierte und auf die Zyklusphasen abgestimmte Trainingsaufbau ist bei Einzelsportlerinnen wesentlich einfacher durchzuführen. Zuletzt könnten die Aufzeichnung von Symptomen der weiblichen Athleten während des Menstruationszyklus sinnvoll sein, um das Bewusstsein der beteiligten Akteure hinsichtlich der physischen und psychologischen Aspekte und damit die Einflussnahme des Menstruationszyklus auf die Leistung zu fördern.
Fazit
Die Veränderung von Präventionsstrategien zur Verletzungsvermeidung unter Beachtung der Bedürfnisse von weiblichen Sportlerinnen ist wünschenswert. Ursachen wie anatomische und physiologische Geschlechterunterschiede lassen sich, wenn überhaupt, nur begrenzt beeinflussen. Problematisch ist die unzureichende Studienlage von isolierten Untersuchungen an weiblichen Athletinnen. Ursachen und Präventionsstrategien von Verletzungen im Zusammenhang mit dem weiblichen Zyklus sind, aufgrund der aktuellen Datenlage, nicht eindeutig und allgemein zu benennen.
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Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin. Er ist Oberarzt an der Sportklinik Hellersen sowie Teil des Teams im Prâvent Centrum Dortmund. Als Mannschaftsarzt betreut er die Frauen-Nationalmannschaft des DFB.
ist Facharzt für Orthopädie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin, Manuelle Medizin, Akupunktur, Gesundheitsförderung und Prävention. Er ist seit 2013 Gesellschafter des Prâvent-Centrums in Dortmund. Darüber hinaus ist er seit 2010 Mannschaftsarzt der FrauenNationalmannschaft des DFB.