Liebe Daniela, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zu Deinem Sieg beim IRONMAN Germany in Frankfurt. Es war Dein insgesamt fünfter Ironman-Sieg (mit der Challenge Roth 2018 der insgesamt sechste Langdistanz-Sieg) und was viele nicht wissen, Sieg Nummer 4 hast Du nur zweieinhalb Monate zuvor beim IRONMAN South Africa in Port Elizabeth geholt. Das Sportjahr könnte besser nicht laufen, oder?
Vielen Dank für die Glückwünsche! Ja, das ist richtig, mit den Erfolgen im ersten Jahr nach der Babypause bin ich sehr zufrieden und freue mich, dass ich mich so gut zurückmelden konnte. Gerade der Sieg in Südafrika hat mir eine große Last von den Schultern genommen. So konnte ich mir früh die Qualifikation für das Highlight dieser Saison, die Ironman Weltmeisterschaft auf Hawaii, sichern und damit mein erstes Saisonziel abhaken. Sportlich liefen die Rennen noch nicht hundertprozentig rund, ich konnte nicht in jedem Rennen zeigen, wofür ich eigentlich trainiert habe – aber am Ende zählt das Ergebnis und da bin ich natürlich mehr als zufrieden mit dem bisherigen Saisonverlauf.
Nun sind solche Erfolge kein Selbstläufer und vor allem kein Zufall, sondern es steckt harte Arbeit und eine Menge Disziplin drinnen. Bei Dir kam in den letzten zwei Jahren etwas hinzu, das natürlich eine Menge Freude bedeutet, für den Leistungssport allerdings auch mit einer Menge Probleme verbunden sein kann: Nachwuchs. Im Sommer 2021 kam Dein zweites Kind zur Welt und Du hast eine Auszeit bis 2022 genommen. Nun interessiert uns natürlich brennend Dein „Geheimrezept“, womit Du es geschafft hast, nach einer Auszeit gleich zweimal einen Ironman zu gewinnen.
So „geheim“ ist das Rezept vermutlich gar nicht. Ich denke, dass es in erster Linie einer guten Organisation und Disziplin zu verdanken ist, dass ich wieder gut in den Trainingsalltag zurückfinden konnte – auch mit Baby. Vor allem der Rückhalt meiner Familie hat mir geholfen. Dafür bin ich sehr dankbar und ohne diese Unterstützung wäre es nicht möglich. Mit Blick auf die Physis darf ich mich glücklich schätzen, dass sich mein Körper schnell von der Schwangerschaft erholt hat und ich gesund geblieben bin. Auch das ist sicher nicht selbstverständlich, aber ebenso eine Voraussetzung für sportliche Leistungsfähigkeit.
Einhaken muss ich bei dem Wort „Probleme“, denn das stört mich persönlich in dem Zusammenhang doch sehr. Meine Kinder sind für mich die größte Kraftquelle und das Schönste im Leben. Sicherlich sind die Rahmenbedingungen als Mutter im Profisport anspruchsvoller als die bei kinderlosen Athleten – aber so ist das in jedem anderen Beruf auch.
Alle Eltern kleiner Kinder werden es wissen, mit einem Neugeborenen können die Nächte kurz werden und Schlafentzug ist im „Kinder-Abo“ quasi mit dazu gebucht. Wie wirkt sich das auf das Training bzw. die Vorbereitung aus? Hast Du Techniken, um den Schlaf nachzuholen oder auf andere Art und Weise die Entspannung zu fördern? Achtest Du z.B. auch auf spezielle Atemtechniken oder gibt es in diesem Bereich andere Techniken, die Du anwendest?
Die Herausforderung von fehlendem Schlaf darf keinesfalls unterschätzt werden. Um ehrlich zu sein, hatte ich das auch ein wenig vergessen – mein großer Sohn ist bereits 11 Jahre alt, die schlaflosen Nächte lagen also schon eine Weile zurück…
Auch damals habe ich aber die positive Erfahrung gemacht, dass der Körper das sehr gut selbst reguliert und sich den Schlaf und die Regeneration holt, die er benötigt. Schlaf „nachholen“ ist meiner Meinung nach nicht möglich, aber es gibt viele Maßnahmen, die die Regeneration unterstützen können. Eine gesunde Ernährung, Meditation, Atemübungen, regelmäßige Termine bei Osteo- und Physiotherapeuten, regelmäßige medizinische Check-Ups – all das gehört wie vor der Babypause bei mir zum Trainingsalltag mit dazu. Vielleicht kommt mir auch in diesem Bereich die Disziplin zugute, die ich durch mehr als 20 Jahren im Triathlon gelernt habe.
Hier schließt sich nahtlos der Bereich der Regeneration an. In Deinem Sport sowieso ein extrem wichtiger Faktor, bei Deiner besonderen Situation vielleicht sogar noch wichtiger. Was kannst Du uns darüber sagen? Gibt es spezielle Dinge, die Du zur besseren Regeneration machst?
Die wichtigste Erkenntnis im ersten Jahr war für mich, dass Belastung und Erholung weiterhin im richtigen Verhältnis stehen müssen. Die Regeneration kann man wie schon angesprochen zwar unterstützen, dies geht aber bis nur zu einem gewissen Grad. Die einfachste „Methode“ war für mich tatsächlich erst einmal, die Belastung zu reduzieren. Soll heißen, ich bin nach wie vor noch nicht bei 100% meiner Trainingsumfänge von vor der Geburt, sondern versuche stattdessen, die Qualität der einzigen Trainingseinheiten zu erhöhen, ebenso wie die Qualität der Regeneration: wie oben beschrieben durch regenerative Einheiten, wie z.B. Yoga, Atemübungen, Meditation, etc. und natürlich durch eine gesunde Ernährung. Als Profisportlerin bin ich es gewohnt, auf die Versorgung mit allen Nährstoffen zu achten – was in der Stillzeit im ersten Jahr umso wichtiger war.
Du sprichst den wichtigen Bereich der Ernährung an. Stichwort „Regenerative Ernährungsmedizin“? Gerade hierbei gibt es enorme Entwicklungen und für eine Sportart wie dem Triathlon natürlich von enormer Bedeutung. Dabei geht es aber sicher nicht nur darum, was man isst, sondern auch wann man was ist, wie man isst (Stichwort Kauen) und wie etwas zubereitet wird. Ernährung nicht nur zur Leistungssteigerung, sondern auch zur Regeneration und Entzündungshemmung.
Absolut! Ernährung gilt nicht umsonst als „vierte Disziplin“ im Triathlon. Ich achte sehr auf eine ausgewogene Ernährung, frische und regionale Produkte und passe die Mahlzeiten so genau wie möglich an meinen Trainingsplan an. Sprich, die Verteilung von Proteinen, Kohlehydraten und Fetten richtet sich nach den Intensitäten, die im Training anstehen. Beim Kochen für die ganze Familie nicht immer ganz einfach, da man nicht nur an die eigene, sondern an die Ernährung aller Familienmitglieder denken muss… Grundsätzlich achten wir hier auf die Verwendung antientzündlicher Nahrungsmittel.
Die Belastungen im Triathlon sind hoch, gerade auch in der Vorbereitung. Entzündungen keine Seltenheit. Wie sehen bei Dir die Therapieoptionen aus? Welche Rolle spielen Phytopharmaka (pflanzliche Arzneimittel) und entzündungshemmende Ernährung, wie Kurkumin, Bromelain etc., um nur ein paar Beispiele zu nennen? Gibt es verletzungsprophylaktische Maßnahmen in Deiner Vorbereitung?
Als wichtigste verletzungsprophylaktische Maßnahme würde ich immer zuerst meine Besuche bei Osteopath und Physiotherapeut erwähnen, die ich sehr konsequent und regelmäßig einplane, auch ohne verletzt zu sein: Dysbalancen ausgleichen und vorbeugen, den Bewegungsapparat immer wieder „gerade“ rücken – und das mit fachkundiger Unterstützung – ist für mich die wichtigste Verletzungsprophylaxe.
Was pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel angeht, so habe ich z.B. mit Kurkumin und Sauerkirschkonzentrat gute Erfahrungen gemacht, esse viel Ingwer und versuche, wie oben beschrieben, immer mit frischen Produkten zu kochen und entzündungsfördernde Nahrungsmittel zu vermeiden.
Auch in Bezug auf ein mögliches Übertrainingssyndrom (OTS) oder paradoxical deconditioning syndrome (PDS), gilt es vor allem auf eine optimale Energiezufuhr und Regeneration zu achten. Ernährung, Schlaf, aber auch ein Verzicht auf digitale Medien zur Vorbeugung und als Therapie von OTS/PDS. Siehst Du dies auch als wichtige Faktoren an und was kannst Du gerade in Bezug auf diese Themen den jüngeren Nachwuchstriathleten raten?
Ein insgesamt gesunder Lebensstil ist als Leistungssportler essenziell. Ohne diesen geht es nicht – das lernt man als Athlet schnell. „Gesund“ bedeutet für mich auch, mir ein gutes Umfeld zu schaffen, in dem ich mich auf meinen Sport konzentrieren kann. Sicherlich ist daher auch auf den Umgang mit Einfluss- und Störfaktoren von außen zu achten. Es ist wichtig, immer „bei sich“ zu bleiben und auf seinen eigenen Weg zu vertrauen. Das bedeutet, man sollte zwar über den Tellerrand hinausschauen – gleichzeitig aber nicht zu viel Energie darauf verschwenden, zu schauen, was andere machen, sondern sich auf sich selbst konzentrieren… Ob dies nun bedeutet, auf digitale Medien zu verzichten, muss meiner Meinung nach jeder individuell für sich entscheiden.
Gerne würden wir noch etwas von Dir zum Bereich der Diagnostik / Screening wissen. Sicher auch wichtig in Bezug auf Verletzungsprophylaxe. Wie sieht das bei Dir in der Vorbereitung aus? Lässt Du z.B. Deine Blutwerte checken? BIA-Messung? EMG?
Ich lasse regelmäßig meine Blutwerte kontrollieren, mache zwei bis drei Leistungsdiagnostiken und mindestens einen ärztlichen Check-Up pro Jahr sowie bei Bedarf frühzeitig zur Unterstützung der klinischen Untersuchung bildgebende Verfahren. Mit BIA-Messungen und EMG arbeite ich nicht regelhaft.
Wenn Du auf Deine bisherige Karriere zurückblickst, was sind für Dich die entscheidenden Faktoren für den Erfolg als Profi/Leistungssportlerin und was können wir in der Zukunft noch von Dir erwarten, außer dem Sieg beim Ironman Hawaii 😉 ?
Die zwei wichtigsten Erfolgsfaktoren sind für mich, immer die Leidenschaft für den Sport zu behalten und gleichzeitig meine Familie hinter mir zu wissen. Als Profisportler muss man immer an die Grenze gehen – mindestens genauso wichtig ist es aber, dabei mit sich selbst in Balance zu bleiben. Wenn man das schafft, kann man nur gewinnen. Ich bin noch längst nicht satt, werde natürlich weiterhin mein Bestes geben und habe noch große Ziele. 😉
Autoren
ist eine deutsche Triathletin und fünffache Ironman-Siegerin (2015, 2017, 2018, 2x2022).
Foto: Marcel Hilger
ist Chefredakteur der sportärztezeitung.