Im September 2018 ist die neue AWMF-Leitlinie für die Versorgung der vorderen Kreuzbandruptur in Kraft getreten, deren federführender Autor ich sein durfte. Im Folgenden möchte ich kurz die Neuerungen und Schwerpunkte der aktuellen Leitlinie zusammenfassen.
Eine besondere Beachtung und Erwähnung erhält in der aktuellen VKB-Leitlinie das prophylaktische Training von Risikogruppen. Ziel muss es sein, möglichst viele VKB-Rupturen mit diesem wirklich hoch effizienten Training, insbesondere bei sehr jungen Sportlern, zu verhindern.
Es haben sich weiterhin seit dem 1. Juli 2018 Neuerungen im Bereich des BG´lichen Heilverfahrens ergeben:
- Folgende Kreuzbandverletzungen sind ausschließlich in einer Einrichtung zu versorgen, die nach Verletzungsartenverfahren (VAV) eingestuft ist:
- Kindliche VKB-Rupturen und Avulsionsverletzungen
- VKB-Rupturen mit Gefäß- und / oder Nervenverletzungen oder hochgradigen Weichteilschädigungen
- VKB-Ruptur in Kombination mit Seitenbandruptur, Knorpelverletzungen, Meniskusverletzungen
Folgende Kreuzbandverletzungen sind in einer Schwerstverletzungsartenverfahren (SAV)-Klinik durchzuführen:
- Multiligamentverletzungen mit Beteiligung des HKB
- Behandlung von VKB-Rupturen als komplikationsbedingte Eingriffe oder Revisionseingriffe
Im Rahmen der Leilinien-Novellierung wurde noch einmal der protektive Effekt der VKB-Rekonstruktion hervorgehoben. Viele Studien konnten eine deutliche Reduktion von Folgeverletzungen nach bestehender VKB-Insuffizienz mit resultierender Instabilität durch die Bandrekonstruktion nachweisen. Insbesondere die bestehende Instabilität nach kindlichen VKB-Rupturen stellt ein großes Risiko für Folgeverletzungen der Menisken und des Knorpels dar, sodass bei Kindern die OP-Indikation sorgsam geprüft werden sollte.
Neue Aspekte
Ein absolut neuer Aspekt, welcher in den Leitlinien aufgenommen wurde, sind die Vordere Kreuzband erhaltenden Operationstechniken. Nach aktueller Studienlage stellen sie eine relevante Alternative zur VKB-Rekonstruktion mit Sehnenplastik im begrenzten Indikationsrahmen dar.
Begleitverletzungen haben hohen Stellenwert
Die Bedeutung der Begleitverletzungen von VKB-Rupturen und deren adäquate konservative oder vor allem auch operative Therapie sind in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus geraten. Mannigfaltige Studien haben wichtige synergistische Effekte von Begleitverletzungen wie Seitenbandverletzungen, Kapselbandverletzungen (ALL) oder Meniskusverletzungen auf die Rotationsstabilisierung des VKB insuffizienten Kniegelenkes zeigen können. Diesem wichtigen Aspekt der Berücksichtigung von Begleitverletzungen wurde auch in der aktuellen Leitlinie Rechnung getragen.
Ein weiterer wichtiger Bereich der Behandlung von VKB-Rupturen ist die differenzierte Rehabilitation, Rückführung in die Aktivität und die gezielte Prävention von Folgeschäden und Folgeverletzungen. In diesem Zusammenhang wurden sehr effektive Trainingsprogramme wie das „STOP-X“-Training der Deutschen Kniegesellschaft empfohlen. Auf die Wichtigkeit dieser Maßnahmen wurde im Rahmen der aktuellen Leitlinie besonders hingewiesen.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie/ Unfallchirurgie und spezielle Unfallchirurgie und seit Januar 2019 in der OCM Klinik in München tätig (seit 2021 als Leitender Arzt und Gesellschafter). Seit 2016 ist er Vorstandsmitglied der Deutschen Kniegesellschaft. Außerdem ist Professor Herbort wiss. Beirat der sportärztezeitung.