Prof. Dr. med. Thomas Vogl1, Prof. Dr. med. Ingo Marzi2 Dr. med. Thomas Meyer3, Dr. med. Benjamin Kaltenbach1, Prof. Dr. med. Katrin Eichler1
1 Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Universitätsklinikum Frankfurt
2 Klinik und Poliklinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Frankfurt
3 Institut für Sportmedizin, Uniklinik Homburg/Saar
Sowohl im Spitzensport als auch im Freizeitsport spielen Muskelverletzungen eine zunehmende Rolle sowohl für die Diagnostik als auch für die Evaluation. Dabei muss unterschieden werden zwischen direkten Muskelverletzungen, die durch ein stumpfes Anprall- oder Kompressionstrauma entstehen und einhergehen mit Einblutungen, einem interstitiellen Ödem oder Hyperämie und indirekten Muskelverletzungen, bei denen die Scherkräfte eine Ruptur von Muskelfasern und Bindegewebsscheiden bedingen.
Direkte Muskelverletzungen
Die direkten Muskelverletzungen können bei oberflächlich betroffenen Muskelgruppen primär sonografisch erfasst werden. Die Magnetresonanztomografie (MRT) als Ergänzung zur Sonografie kommt immer dann zum Einsatz, wenn der Verdacht besteht, dass mehrere benachbarte Muskelgruppen betroffen sind und Strukturen im Übergangsbereich muskulo-tendinös evaluiert werden müssen.
Indirekte Muskelverletzungen
Bei indirekten Muskelverletzungen führen Scherkräfte zu einer Ruptur der Muskelfasern. Prädisponiert sind dabei Muskeln mit einem sehr hohen Anteil an rasch kontrahierenden Fasern (sogenannte fast-twitch-Fasern) oder mehrköpfige Muskeln (die zwei Gelenke überschneiden). Andere prädisponierende Faktoren stellen Vorschäden durch vorausgegangene Verletzungen dar.
Klassifikation der Muskelverletzungen
Für die Klassifikation der Muskelverletzungen existieren verschiedene Klassifikationen. Die etablierteste Klassifikation ist die nach Müller-Wohlfahrt et al [1], die in Typ 1A / B, Typ 2 A / B, Typ 3A / B und Typ 4 unterteilt ist. Weiterhin existiert die Britsh Athletes muscle injury classification [2], die Klassifikation nach Peetrons 2002 [3] sowie eine Expertenkonsensus-Klassifikation von Valle X et al. [4]. Sowohl für die sonografische wie auch für die MRT-Diagnostik sind wichtige Informationen die Anamnese, der Unfallhergang, die Erfassung von Vortherapien wie z. B. Muskelinjektionen, um Fehlinterpretationen zu vermeiden. Ebenso ist die Lagerung von ganz entscheidender Bedeutung.
Untersuchungstechnik der Sonografie
Die Ultraschalldiagnostik von Muskelverletzungen gewinnt eine immer größere Bedeutung in der Sportmedizin, da durch die weiterentwickelte Technik und durch die Verwendung aktueller Software mittlerweile eine gute Auflösung bei Weichteilverletzungen möglich ist. Mittels der Sonografie ist eine zeitnahe, mobil verfügbare und kostensparende Erstdiagnostik möglich. Allerdings lassen sich nicht alle Körperareale gleich gut darstellen. Auch kann die Beurteilung der Sonografie beeinträchtigt werden durch die Nähe von Strukturen wie Bänder oder Knochen mit deutlich abweichendem Schallverhalten. Zudem hängt die Bildinterpretation aufgrund der hohen Artefaktanfälligkeit sehr von der Erfahrung des jeweiligen Radiologen ab. Daher ist die Sonografie für die Erstdiagnose oder als Ergänzung zum MRT zwar sinnvoll, kann aber die MRT-Bildgebung nicht ersetzen
Untersuchungstechnik der MRT
Bezüglich der MRT-Untersuchungstechnik sollte sowohl am 1.5 Tesla sowie auch 3 Tesla Gerät möglichst kleinvolumig untersucht werden. Beim Seitenvergleich sollte die maximal mögliche Auflösung erzielt werden. Bei den Spulen sollte darauf geachtet werden, dass so viele Kanäle wie möglich eingesetzt werden. Auch flexible Loop-Spulen sind dabei hilfreich. Standardsequenzen stellen Protondichte und T2-gewichtete Sequenzen dar. Die TIRM Sequenz und angulierte protonengewichtete Sequenzen koronar / frontal und sagittal sind weitere gute Sequenzprotokolle. Hier ist dabei wichtig, dass die Schichtdicke max. 2 bis 3 mm betragen sollte.
Diffusions-Sequenzen haben derzeit für die Forschung eine außerordentliche Bedeutung insbesondere für z. B. sogenannte Tracking-Sequenzen. Hinzu kommen sogenannte T1-Mapping-Sequenzen, die es erlauben, Muskelgewebe besser zu charakterisieren. Die Fractional Anisotropy, das FA-Mapping, sowie das Fiber-Tracking in einer Map-Darstellung sind derzeit neue Tools, um die Muskelausrichtung und die Muskelveränderungen zu dokumentieren. Der Zeitraum der Untersuchung ist laut Ekstrand et al. [5] optimal zwischen 24 und 48 Stunden nach einer Verletzung. In der Regel hat die Muskelverletzung mit Ödem-Reaktion nach 24 Stunden die maximale Ausdehnung erreicht. Bezüglich der Lokalisation der Muskelfaserrisse entstehen diese hauptsächlich in der Oberschenkelregion mit 56 % der Fälle, in der Leistenregion mit 23 % und in der Wadenregion mit 13 %. Bei den Hamstring-Verletzungen kann das MRT hilfreich sein, um die Diagnose abzusichern und die Layoff-time zu prognostizieren. Die Graduierung für die Hamstring-Verletzungen ist dabei wie folgt:
- Grad 0 negatives MRT, keine Pathologie,
- Grad 1 Ödem ohne Faserverletzung,
- Grad 2 Faserverletzung mit partieller Ruptur,
- Grad 3 komplette Muskel- / Sehnenruptur.
In der Literatur wird dabei die Wertigkeit der diagnostischen Bildgebung von Muskulatur und Muskelverletzungen unterschiedlich gewertet. Wenn notwendig, sollte initial sonografiert werden. Der Einsatz der MRT ergänzt diese Informationen. Gemeinsam mit der DFB-Akademie haben die diagnostische interventionelle Radiologie der Uniklinik Frankfurt und das Institut für Sportmedizin Homburg / Saar mit einer Studie begonnen, die Amateurfußballer untersucht, die sich an der dorsalen Oberschenkelmuskulatur verletzt haben. Dabei sollen Erkenntnisse über den Verlauf der Muskelverletzungen gewonnen werden, sowie auch Faktoren bestimmt werden, wann die Trainingsbelastung wieder gesteigert werden kann. Dafür werden noch Teilnehmer gesucht.
Fazit
Zusammenfassend beruht die bildgebende Diagnostik von Muskelverletzungen auf dem Einsatz von Sonografie und MRT, angepasst an die Fragestellung und mit hoher anatomischer Ausrichtung. Bei beiden Verfahren ist eine hochauflösende Bildgebung notwendig, um die Anwendung einer einheitlichen Befundmatrix zu unterziehen. Die neuesten Forschungsanstrengungen sind ausgerichtet auf die Abschätzung des Return-to-Play oder auf das Risiko einer Re-Ruptur.
Literatur
[1] Müller-Wohlfahrt HW, Haensel L, Mithoefer K et al. Terminology and classification of muscle injuries in sport: The Munich consensus statement. Br J Sports Med 2013; 47:342–350
[2] Pollock N, James SLJ, Lee JC, et al. British athletics muscle injury classification: A new grading system. Br J Sports Med 2014; 48: 1347–1351
[3] Peetrons P. Ultrasound of muscles Eur Radiol 2002; 12: 35–42
[4] Valle X, Alentorn-Geli E, Tol JL, Hamilton B, et al. Muscle injuries in sports: a new evidence-informed and expert consensus-based classification with clinical application. Sports medicine 2017; 7: 1241–1253
[5] Eckstrand J, Healy JC, Walden M, et al. Hamstring muscle injuries in professional football: the correlation of MRI findings with return to play. Br J Sports Med 2012; 46:112–117
Autoren
ist Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Universitätsklinik Frankfurt am Main. Er ist Träger mehrerer Wissenschaftspreise der Radiologie, Funktionsträger und Mitglied zahlreicher Wissenschaftsverbände und Organisationen sowie Mitglied im wissenschaftlichen Beirat zahlreicher Fachzeitschriften.