In der heutigen Sportmedizin ist die Kreuzbandruptur nicht nur ein chirurgisches, sondern ein ganzheitliches Thema. Der Operateur bleibt ein maßgeblicher Erfolgsfaktor – insbesondere in Bezug auf Technik, Timing und individualisierte Zugangswege. Dennoch liegt die entscheidende Stellschraube zunehmend in der Indikationsstellung und der frühzeitigen differenzierten Diagnostik.
Nicht nur eine kernspintomografische Untersuchung entscheidet über das weitere Procedere, sondern vor allem auch die Anamnese und der klinische Befund sowie der Patient in seinem beruflichen und sozialen Umfeld. Auch eine sonografische Untersuchung in Bewegung und unter Belastung kann sehr hilfreich sein, auch wenn dies am Knie nicht standardmäßig gemacht wird. Die Operation ist kein Selbstzweck, sondern Teil eines integrierten Prozesses zwischen präoperativer Evaluation, OP-Technik, funktioneller Nachbehandlung und interdisziplinärer Rückkehrstrategie.
Gerade im Profifußball – etwa in der Bundesliga – entstehen besondere Herausforderungen. Therapieentscheidungen stehen häufig unter hohem zeitlichen, wirtschaftlichen und öffentlichen Erwartungsdruck. Dieser Kontext darf jedoch nicht dazu führen, dass vorschnell operiert wird oder konservative Optionen unzureichend geprüft werden. Eine saubere medizinische Begründung und eine fundierte funktionelle Diagnostik sind auch hier unverzichtbar. Gleichzeitig muss deutlich werden: Wer sich gegen eine Operation entscheidet, braucht eine klare konservative Strategie. Es reicht nicht zu sagen „wir machen das erst einmal ohne OP“. Vielmehr muss definiert werden, was konkret therapeutisch geschieht, wer den Prozess steuert und welche Ziele verfolgt werden. Gerade außerhalb des Spitzensports, in der breiten Versorgungsrealität, stellt sich zusätzlich die Frage: Kann der Patient diesen Weg gehen? Will er ihn gehen? Und ist die erforderliche interdisziplinäre Betreuung in der Fläche verfügbar?
Die moderne Versorgung bei Kreuzbandverletzungen erfordert daher:
- eine präzise Indikationsstellung, die nicht automatisch zur Operation führt
- ein spezialisiertes operatives Setting, das individuelle anatomische und sportliche Anforderungen berücksichtigt
- eine strukturierte Rehabilitationsplanung, die bereits vor dem Eingriff beginnt (Prähabilitation)
- eine Return-to-Sport-Diagnostik, die funktionell und nicht ausschließlich zeitgesteuert erfolgt
- ein interdisziplinäres Betreuungsteam, das Athlet und Mensch gleichermaßen im Blick hat
Fazit
Zukunftsweisende Versorgung am Knie bedeutet daher nicht nur die Frage, wer operiert – sondern wann, warum und mit welchem Ziel. In der Bundesliga ebenso wie in der Regelversorgung entscheidet die Qualität des Gesamtkonzepts. Übrigens: Diese Prinzipien gelten nicht nur bei Kreuzbandverletzungen, sondern zunehmend auch bei degenerativen Kniegelenkerkrankungen. Die neue S3-Leitlinie Gonarthrose betont nicht nur moderne operative Verfahren, sondern auch die gestufte konservative Therapie und die aktive Mitwirkung des Patienten im Entscheidungs- und Behandlungsprozess. Die Eigenverantwortung wird ausdrücklich als Teil einer gemeinsamen Entscheidungsfindung (shared decision making). In Bezug auf Meniskusverletzungen sei auf den Artikel von Prof. Dr. Wolf Petersen „Meniskusverletzung – Handlungsalgorithmus. Neue Aspekte zur Therapie der nicht traumatischen medialen Meniskusläsion“, erschienen in der sportärztezeitung 03 / 24 verwiesen.
Autoren
ist Facharzt für Chirurgie und Allgemeinmedizin, u.a. Sporttraumatologie Südwest, Böblingen und Ethianum Heidelberg. Er war lange Jahre Teamarzt des VfB Stuttgart und der TSG 1899 Hoffenheim und ist wiss. Beirat der sportärztezeitung.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Sportmedizin und Chirotherapie. Er ist Leitender Arzt, Gesellschafter und Ärztlicher Direktor der ARCUS Sportklinik in Pforzheim. Von der Deutschen Kniegesellschaft e.V. wurde er als einer der ersten zertifizierten Kniechirurgen ausgezeichnet. Seine operativen Schwerpunkte sind: Kniegelenksarthroskopie, Bandchirurgie, Beinachsenkorrektur und Knieendoprothetik. Außerdem ist Dr. Ellermann wiss. Beirat der sportärztezeitung.