Bis in die 1990er Jahre waren endoprothetische Operationen der Hüft- und Kniegelenke mit einem langen Krankenhausaufenthalt, häufigeren Gaben von Blutprodukten und einer längeren Immobilitätsphase verbunden. In dieser Zeit entwickelte Prof. Kehlet, ein dänischer Viszeralchirurg, die Fast Track Surgery, auch Early Recovery After Surgery genannt.
Hierbei handelt es sich um ein Evidenz-basiertes Behandlungskonzept, bei dem nicht die Operation im Mittelpunkt der Behandlung steht, sondern erstmalig dem deutlich gesteigerten Energiebedarf und der damit gestörten Homöostase intensive Beachtung geschenkt wurde. Ein weiterer Meilenstein des Konzeptes war und ist, dass es sich hierbei um einen Teamansatz handelt. Es wurde postuliert, dass der Behandlungserfolg einer bestimmten Erkrankung von allen involvierten medizinischen Behandlern der verschiedenen Fachbereiche abhängt. Es muss hierbei sowohl Hand in Hand gearbeitet als auch die gleiche Sprache gesprochen werden. Zusätzlich ist der Patient ein gleichgestelltes Mitglied des Behandlungsteams. Somit hat der Patient einen erheblichen Anteil am Ergebnis der gesamten Behandlung. Durch diesen Ansatz wurde schnell klar, dass die Behandlung nicht erst kurz vor der Operation beginnen konnte, sondern dass es einer intensiven vorherigen Untersuchung und Vorbereitung in allen Bereichen bedurfte. Hier ist die physiologische Vorbereitung mit Laboruntersuchungen und Verbesserung von Mangelzuständen gemeint, wie auch die Reduktion schädigender präoperativer Einflüsse, wie z. B. Alkohol oder Rauchen. Genauso wichtig ist auch die psychologische Vorbereitung, da hier dem Patienten Angst genommen und Sicherheit und Vertrauen gegeben werden kann.
Als dritter Bestandteil ist die Operation und die direkt perioperativen Behandlungen zu optimieren. Hier müssen Opiat-reduzierende Schmerztherapien mit Blut sparender Operation und geeigneten Operationstechniken und Implantaten kombiniert werden, um eine Mobilisierung in einem Zeitrahmen ab zwei Stunden nach einer Operation zu ermöglichen. Einen der wichtigsten Aspekte dieses Behandlungskonzeptes stellt die wissenschaftliche Überprüfung der dadurch erreichten Verbesserungen dar. Jede Neuerung wird im Vergleich zu dem geltenden Goldstandard evaluiert und nur nachgewiesene Qualitätsverbesserung in Bezug auf Outcome, Liegezeiten, Quality of Life, Frühmobilisierung, Komplikationen etc. werden übernommen. Daher ist auch erklärlich, dass es nicht das eine Konzept gibt und dass jedes Jahr das Behandlungskonzept verbessert und erweitert wird. In dem aktuellen Konsensuspapier der ERAS Society finden sich starke Empfehlungen bezüglich der Notwendigkeit einer Nikotin- und Tabakpause in ausreichender Zeit vor und nach der Operation, da es sonst zu einer deutlich erhöhten Komplikationsrate kommt. Weiter sollte der Alkoholkonsum pausiert und Übergewicht so weit gesenkt werden, dass ein BMI im hohen Normalbereich erreicht wird.
Prärehabilitativer Ansatz & gezielte Ernährungstherapie
Bezüglich eines prärehabilitativen Programmes wird aktuell aufgrund nicht ausreichender Evidenzlage keine Empfehlung ausgesprochen. Allerdings zeigt sich in der Vorbereitung von Sportlern auf Kreuzbandoperationen und in der Vorbereitung von älteren und multimorbiden Patienten, dass eine Prärehabilitation zu verbesserten postoperativen Ergebnissen führt. Es ist davon auszugehen, dass die bisherigen Programme zum präoperativen Muskelaufbau und zur Verbesserung der Koordination weder einheitlich noch standardisiert sind. Dies gilt nicht nur für die Übungen an sich, sondern auch für die ideale Zeit der Vorbereitung, auch weil valide Messinstrumente aktuell noch nicht flächendeckend verwendet werden. Generell ist eine Trainingszeit von ca. sechs Wochen mit Gehschule und Muskel stärkenden Übungen nicht schädlich und somit sinnvoll. Wenn in der Realversorgung möglich, sollte dem voraus eine unkomplizierte Ganganalyse durchgeführt werden. Hierbei ist nicht zwingend ein High Tech Labor notwendig. So können hier beispielsweise biomechanisch geschulte Exercise Physiologists, EMG, Handy-Apps mit Frontal-Analyse oder auch ein geschultes Auge zum Einsatz kommen. Die angeschlossenen Übungen sollten supervised, strukturiert und individuell angepasst werden.
Noch weniger Evidenz basierte Empfehlungen gibt es bezüglich der Erhebung des Ernährungsstatus und der damit verbundenen notwendigen Ernährungstherapie. Hier gibt es lediglich Empfehlungen bezüglich eines Diabetes oder eines deutlichen Übergewichtes. Bei letzterem sollte eine Diät erfolgen. Ein besserer Ansatz beruft sich auf die Ernährungsempfehlungen der Sportwissenschaften. Hier wird eine ausführliche Analyse des Ernährungsstatus gefordert und festgestellt, dass auch übergewichtige Personen eine Mangelernährung haben können. Somit geht es im Vorfeld nicht um Diäten oder Ernährungsumstellungen, sondern um eine gezielte Ernährungstherapie. Hierdurch werden krankhafte Ernährungs-(Mangel-)zustände durch Mahlzeitenersatz oder Mahlzeitenzusatztherapien / Trinkmahlzeiten mit geeigneter individueller Zusammensetzung z. B. als ernährungsbilanzierte Diät behandelt und durch standardisierte BIA-Messungen und /oder Laborbefunde kontrolliert (siehe hierzu auch NRS Nutrition Risk Score). Ein operatives Vorgehen findet erst nach erfolgreicher Verbesserung statt. Durch Fortsetzung und Anpassung dieser Ernährungstherapien sollte dann das postoperative Ergebnis ebenfalls verbessert sein.
Die orthopädisch bisher am häufigsten Fast Track Konzepte finden sich aktuell noch im Bereich der auch am häufigsten durchgeführten Operationen, nämlich bei den geplanten Implantationen von künstlichen Gelenken im Bereich der Hüfte und des Kniegelenkes (siehe hierzu Valle / Marshall / Mengis „Prähabilitation bei Verletzungen des vorderen Kreuzbandes.” Knie Journal 5.1 (2023): 3 – 11. Mehr dazu in der nächsten Ausgabe der sportärztezeitung sowie Vortrag auf dem „Kongress Prähabilitation – prehab & prepare your patients“, 1.3.2025 Elisabethenstift Darmstadt). Allerdings erweitert sich der interdisziplinäre Behand-
lungsansatz als Fast Track Konzept zusehends vermehrt in fast alle Bereiche der Orthopädie. Hier kann als weiteres häufiges operatives Feld die Wirbelsäulenchirurgie genannt werden. Auch die Patienten bei Wirbelsäulenversteifungen können von interdisziplinären Konzepten profitieren. Betrachtet man die Konsenspapiere im Vergleich, so zeigen sich kleinere Unterschiede, insgesamt kann aber der Vorteil der erreichbaren Frühmobilisierung durch eine geeignete Vorbereitung klar nachgewiesen werden. Eine ausführliche präoperative Schulung der zu erwartenden Abläufe mit Kennenlernen des Behandlungsteams ist eine der wichtigen Vertrauen-aufbauenden Säulen. Dies kann durch eine speziell ausgebildete Krankenpflegekraft, die Fast Track nurse, noch verstärkt werden. Sie ist das Bindeglied zwischen Patient und den Abläufen im Krankenhaus um die Operation herum. Der Ablauf im Speziellen sieht nun vor, dass ein Patient in einer Indikationssprechstunde gesehen wird und nach den EKIT-Kriterien (Evidenz und Konsensus basierte Indikationskriterien Totalendoprothetik) zu einer operativen Versorgung geplant wird. Ab diesem Zeitpunkt findet dann eine ca. 6-wöchige Vorbereitungsphase statt. Hierbei werden sowohl Schulungstermine für den Patienten als auch Kontrollen bezüglich der BIA-Messungen, des Laborstatus, des Blutbildes und der Ernährung mit und durch die Fast Track nurse geplant und von dem Patenten absolviert. Sollte es im Bereich der Ernährung zu Auffälligkeiten, wie z. B. einer Mangelernährung oder Überernährung kommen, so würde sich eine sofortige Mahlzeitenersatz- oder Zusatztherapie anschließen und die Erfolge im Zwei-Wochen- Rhythmus kontrolliert werden. Bei Mangelerscheinungen im Bereich des Hämoglobins würde der Eisenstoffwechsel kontrolliert und, wenn nötig, auch substituiert werden. Ein körperliches Trainingsprogramm, idealerweise mit physiotherapeutischer Begleitung wird ebenfalls sofort begonnen, sodass der Patient bestmöglich physiologisch und psychologisch vorbereitet in die OP gehen kann. Es erfolgt die Aufnahme am OP-Tag und, nach schonender Operation unter Verzicht auf Toruniques, Drainagen und Katheter sowie einer opiatarmen Narkose und Schmerztherapie, die sofortige Mobilisierung postoperativ nach zwei bis drei Stunden. Es erfolgt am ersten postoperativen Tag die Mobilisierung auf der Station und das Treppensteigen, alles unter Vollbelastung, sodass eine Entlassung ab dem 1. postoperativen Tag möglich wäre. Aufgrund der Regularien in Deutschland ist die Entlassung regelhaft am 3. postoperativen Tag in eine, zumeist ambulante, Rehabilitation. In diesem Zusammenhang wichtig ist die weitere Beobachtung und Betreuung des Patienten auch über die Operation hinaus. Die vor der Operation begonnenen Verbesserungen im physiologischen und psychologischen Bereich müssen für einen sehr guten Behandlungserfolg auch postoperativ fortgeführt werden.
Fazit
Durch diesen interdisziplinären Behandlungsansatz, welcher sich durch die Fachgesellschaften auch immer weiterentwickelt, konnte ein deutlicher Zugewinn in allen Qualitätsparamatern in den ersten zwölf Monaten nach Totalendoprothetik für alle Patienten nachgewiesen werden und dies bei kurzer Verweildauer im Krankenhaus mit deutlich höherer Zufriedenheit der Patienten und auch der Mitarbeiter.
Autoren
ist Facharzt für Allgemeinchirurgie mit Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie. Er ist Chefarzt an der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sportmedizin, Agaplesion Elisabethenstift Darmstadt und wiss. Beirat der sportärztezeitung.