Wir beanspruchen es beim Spazierengehen ebenso wie beim Sprinten oder beim Hürdenlauf – das Sprunggelenk ist an so gut wie jeder Art der Fortbewegung beteiligt. Entsprechend anfällig ist es für Verletzungen, sowohl im Sport als auch in der Freizeit. Im Rahmen des Steinbach-Talks haben renommierte Experten aus dem Bereich der Sportmedizin ihre Diagnose- und Therapieempfehlungen für Sprunggelenksverletzungen aktualisiert. Das Schema unterstützt Orthopäden, Allgemeinmediziner und Internisten unter anderem bei der Entscheidung zwischen einer Operation und einer konservativen Behandlung. „Allein in Deutschland kommt es täglich zu 8.000 Distorsionen des oberen Sprunggelenks (OSG). Hochgerechnet sind das drei Millionen Fälle pro Jahr. Etwa die Hälfte davon ereignen sich beim Sport“, erklärte Dr. Manfred Thomas aus Augsburg beim Expertentreffen. Als Orthopäde und Spezialist für Fuß- und Sprunggelenkschirurgie weiß er, welche Folgen eine schlecht ausgeheilte Verletzung haben kann: „In manchen Fällen bleibt eine Rest-Instabilität bestehen, die erst mal nicht weiter auffällt. Sie kann jedoch Jahre später beispielsweise zu einer Arthrose führen.“
Diagnose stellen
Bei einer frischen Sprunggelenksverletzung gilt es zunächst den Schweregrad und das Ausmaß der Verletzung zu bestimmen. Im Falle einer OSG-Distorsion können zusätzliche Schäden an Knorpel, Knochen, Retinacula, Sehnen, oder Bändern auftreten. Eine ausführliche Anamnese sowie ein Tastbefund und umfassende klinische Untersuchungen einschließlich verschiedener Tests wie der Überprüfung des Talusvorschubs bilden die Grundlage der Diagnostik. Weiteren Aufschluss liefern gegebenenfalls Ultraschall, Röntgen und/oder eine Magnetresonanztomographie (MRT). „Eine weiterführende Diagnostik sollte auf jeden Fall bei anhaltenden Schmerzen unter Belastung, bei Schmerzen entlang der Fibula mit proximaler Ausstrahlung und beim Schmerzen im medialen sowie lateralen Bandapparat erfolgen“, so Thomas.
Die genaue Vorgehensweise bei der Diagnose und worauf es bei der Behandlung von frischen und chronischen Verletzungen des Sprunggelenks ankommt, wird im aktualisierten Therapieschema beschrieben1.
STEINBACH-TALK THERAPIESCHEMA Sprunggelenksverletzungen
OP-Indikation prüfen
Eine Operation ist klar angezeigt bei schweren Verletzungen wie einer Syndesmosenruptur, einer Totalruptur des Innenbandes, einer Fraktur oder einer Peronealsehnenverletzung. Darüber hinaus kann ein operativer Eingriff bei chronischen Instabilitäten, Rezidivverletzungen, einem knöchernen Ausriss oder einer Ruptur aller drei Außenbänder sinnvoll sein. Bei weniger komplizierten Verletzungen reicht nach Erfahrung der Expertenrunde eine umfassende konservative Therapie in der Regel aus. „Die Behandlungsziele liegen in der Wiederherstellung einer stabilen, normalen Gelenkfunktion sowie der Reduktion von Schwellungen. Schwellungen gehen mit einer Einschränkung der Mikrozirkulation einher und verzögern so den Heilungsprozess“, erklärte Dr. Stefan Pecher aus Fichtelberg.
Welche Konsequenzen sich daraus für die Praxis ergeben, führte der Sportmediziner wie folgt aus: „Nicht jede Sprunggelenksverletzung muss mit einer Orthese behandelt werden. Wenn ich beispielsweise bei einer OSG-Distorsion vom Grad I mit starker Schwellung, aber ohne Bänderriss eine Orthese anlege, dann ist die Mikrozirkulation und somit auch die Abschwellung beeinträchtigt. Dahingegen macht die Entlastung, beispielsweise mit Unterarmgehstützen, in den ersten Tagen fast immer Sinn.“ Im Anschluss daran kann je nach Bedarf mit Lymphdrainagen, kinesiologischem Taping und einer manuellen Therapie begonnen werden. Nach spätestens sieben Tagen sollte eine Nachkontrolle erfolgen. Im weiteren Verlauf sind unter Umständen eine frühfunktionelle Behandlung sowie ein Stabilisationstraining nötig.
Regeneration fördern
Unterstützend zu den oben genannten Therapiemaßnahmen bietet sich eine Behandlung mit Traumeel® S als Creme, Tabletten und/oder lokale Injektion in Kombination mit Lymphomyosot und gegebenenfalls einem kurzwirksamen Lokalanästhetikum an. Die Wirksamkeit des natürlichen Arzneimittels bei akuter Sprunggelenksdistorsion ist wissenschaftlich belegt: In einer Nichtunterlegenheitsstudie verbesserte Traumeel® S-Creme die Gelenkfunktion im gleichen Umfang wie Diclofenac-Gel 1%.2 In einer weiteren, kürzlich veröffentlichten und bisher größten Studie zu Distorsionen des oberen Sprunggelenks mit topischer Behandlung erzielte das natürliche Arzneimittel eine schnellere Schmerzreduktion als Placebo und Diclofenac (6,0 vs. 7,1 und 7,0 Tage).3 Der Steinbach-Talk ist ein jährlich stattfindendes interdisziplinäres Treffen führender Sportmediziner und Physiotherapeuten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Teilnehmenden sind u.a. für Profivereine, den Deutschen Olympischen Sportbund, den Deutschen Skiverband, den Deutschen Leichtathletik Verband und in der individuellen Betreuung von Leistungssportlern aktiv. Dabei werden Therapieschemata zu muskuloskelettalen Beschwerden aktualisiert oder neu aufgesetzt und mittlerweile auch durch Video-Tutorials für die Praxis ergänzt.
Quelle: Steinbach-Talk 2023 – Sprunggelenksverletzungen am 20./21. Oktober 2023 in Baden-Baden. Veranstalter: Heel GmbH, Baden-Baden
Literatur:
- Pecher S et al. Abstract auf der 72. Jahrestagung der VSOU e. V. vom 25.–27.04.2024 in Baden-Baden; Abstract-Nr.: VSOU24-517
- González de Vega C et al. Int J Clin Pract 2013; 67(10): 979-89.
- Gerdesmeyer L et al. J Clin Med 2024; 13(3):84.