Correct and Incorrect Reporting of the Principles of Focused and Radial Extracorporeal Shock Wave Therapy (fESWT and rESWT)
Leon Jokinen, Tobias Wuerfel, Christoph Schmitz / Preprints 2023, 2023081523. https://doi.org/10.20944/
preprints202308.1523.v1
Wie genau unterscheiden sich eigentlich radiale und fokussierte Stoßwellen? Zu dieser Frage gibt es einen tiefgreifenden wissenschaftlichen Diskurs. Dieses Paper fügt sich in diese Debatte ein und beschreibt als Antwort auf eine andere Forschungsarbeit die aktuellen physikalischen Prinzipien von radialer und fokussierter Stoßwellentherapie.
Einige Wissenschaftler und Hersteller von Stoßwellengeräten unterscheiden streng zwischen der ursprünglichen fokussierten extrakorporalen Stoßwellentherapie (fESWT) und der neueren Form der radialen extrakorporalen Stoßwellentherapie (rESWT), welche häufig aufgrund ihrer offenbar anderen physikalischen Eigenschaften lediglich als „radiale Druckwellen-Therapie“ bezeichnet und vermarktet wird. Ihr Hauptargument lautet, bei radialen Stoß- bzw. Druckwellen sei die akustische Welle keine definitionsgemäße Stoßwelle, ballistischen Ursprungs und werde nicht fokussiert, wodurch kein gewebepenetrierender Effekt entsteht.
Im Jahr 2001 definierte eine Arbeit (Odgen et al., 2001) extrakorporale Stoßwellen im streng physikalischen Sinn als „akustische Wellen mit einem hohen Druck von mehr als 1.000 bar (100 Megapascal, MPa), einer extrem kurzen Anstiegszeit (<10 Nanosekunden, ns), einer kurzen Dauer (<10 Millisekunden, ms) und einem breiten Frequenzspektrum (16 – 20 Megahertz, MHz)“. Dieser Definition entsprechen die vom fESWT-Gerät F10G4 (R. Wolf) mit der höchstmöglichen Einstellung generierten Stoßwellen, während auf niedrigeren Einstellungen die Grenzwerte der Definition nicht erreicht werden. Das Gerät Duolith SD1 (Storz Medical) beispielsweise erreicht selbst auf höchsten Geräteeinstellungen nicht diese Definition; der maximal erreichbare Spitzendruck beim Duolith SD1 beträgt 42.7 MPa und die Anstiegszeit bis zu 500 ns. Folglich erreichen etablierte fESWT-Geräte diese Definition von Stoßwellen selbst auf höchsten Geräteeinstellungen nicht. Zum Vergleich hat das radiale Stoßwellengerät DolorClast (EMS Electro Medical Systems) einen Spitzendruck von knapp 12 MPa und einer Anstiegszeit von 800 ns. Beim anderen Kritikpunkt der radialen ESWT, der ballistischen Generierungsmethode, wird bemängelt, dass am Applikator selbst keine echte Stoßwelle entsteht. Dies geschieht jedoch bei piezoelektrischen und elektromagnetischen Methoden zur Generierung fokussierter Stoßwellen (wie beim F10G4 oder Duolith SD1) bei niedrigen Geräteeinstellungen ebenfalls nicht. Die sich daraus ergebende Unterscheidung zwischen hochenergetischen fokussierten Stoßwellen und niederenergetischen fokussierten Druckwellen wurde bisher aus guten Gründen unterlassen. Die fehlende Fokussierung und folglich geringere Eindringtiefe der radialen Stoßwelle ist zwar korrekt, jedoch spielt dies eine untergeordnete Rolle, solange der größte Teil der mit ESWT zu behandelnden Indikationen nur knapp unter dem Hautniveau mit jeder Art der Stoßwellenzeugung problemlos zu erreichen ist.
Nach wie vor ist unklar, welche Phase der Stoßwelle für die biologischen Effekte verantwortlich ist und ob überhaupt Spitzendruck, Anstiegszeit oder Kavitation relevant sind. Entscheidend ist: bisher wurden keine Unterschiede in molekularen oder zellulären Wirkmechanismen zwischen fESWT und rESWT beschrieben. Da allerdings für die rESWT über die Zeit für eine zunehmende Anzahl an Indikationen die klinische Wirksamkeit wissenschaftlich bewiesen wird, ist nicht davon auszugehen, dass die physikalischen Unterschiede zwischen den beiden Formen der Stoßwellentherapie jeweils andere Mechanismen im behandelten Gewebe auslösen. Wenn sich die Gewebereaktion zwischen beiden Verfahren also nicht wesentlich unterscheidet, ergibt eine strenge Trennung beider Verfahren nur aufgrund kleiner physikalischer Differenzen keinen Sinn. Viel eher entsteht mit dieser Unterscheidung der Eindruck, lediglich die echten Stoßwellen würden den vollen therapeutischen Effekt hervorrufen – was nicht der Fall ist.
Autoren
ist Assistenzarzt in der Sektion Sportorthopädie am Klinikum Rechts der Isar der TU München. Er hat am Lehrstuhl Anatomie II der LMU über die regenerative Stammzelltherapie bei Sehnendefekten promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) und physikalische Verfahren in der Orthopädie. Zuvor war er in der sportmedizinischen Praxis MedWorks Augsburg tätig.