Das Krankheitsbild der Frozen Shoulder wird klassisch in eine primäre und sekundäre Form eingeteilt. Bei der primären oder idiopathischen Form ist die Ursache der Frozen Shoulder nicht eindeutig. Es werden Zusammenhänge zu Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus, Schilddrüsenfunktionsstörungen und Fettstoffwechselstörungen gesehen, histologische Untersuchungen des betroffenen Gewebes zeigen eine Verdickung des Bindegewebes der Kapsel und eine Zunahme von wenig elastischen Fasern sowie einer Überzahl von Myofibroblasten.
Einfacher ist es bei der sekundären Form, die bei Verletzungen oder anderen Begleit-Pathologien des Schultergelenkes sowie nach Operationen gehäuft auftritt. Vor allem die primäre Form der Frozen Shoulder wird in drei Stadien eingeteilt: Zunächst kommt es zu einer Entzündung der Gelenkhaut, die Entzündung breitet sich dann auf das ganze Gelenk aus und es kommt zu einer Schrumpfung und Verklebung der Gelenkkapsel mit Verkleinerung des Gelenkinnenraums. Das Stadium 1 (Initialphase) ist dann von einem zunehmenden Bewegungsschmerz geprägt, die Bewegungseinschränkung nimmt langsam zu, die Dauer ist mit drei bis neun Monaten angegeben. Im Stadium 2 (Einsteifungsphase) lässt der Schmerz langsam nach, die Beweglichkeit nimmt stark ab, manchmal bis zur vollständigen Schultersteife. Dieses Stadium kann bis zu über ein Jahr dauern. Im Stadium 3 (Auflösungsphase) wird die Schulter langsam wieder beweglicher, die Phase kann wiederum mehrere Monate bis Jahre dauern, wobei manchmal auch nicht die vollständige Beweglichkeit wieder erreicht wird.
Fallbeispiel
Die Tennisspielerin berichtete bei ihrer Erstvorstellung über zunehmende Beschwerden am rechten Schultergelenk (Schlagarm). Zuletzt war es zu einem kompletten Bewegungs- und Belastungsverlust gekommen (Stadium 2). Es wurden auswärtig bereits klassische konservative Therapien (Krankengymnastik, Kiefergelenksbehandlung, manuelle Therapie und Elektrotherapie, Infiltration des Gelenkes mit einem Cortison-Präparat und Stoßwellenbehandlung) durchgeführt. Bei ausbleibender Besserung folgte eine MRT, die diffuse Entzündungen der gesamten Weichteilstrukturen um das Schultergelenk (Kapsel, Sehnenansätze) zeigte, woraufhin die Patientin eine Hochdosis-Cortisontherapie intravenös und anschließend oral über mehrere Wochen erhielt, aber auch dadurch besserte sich der Zustand nur marginal. Der erste klinische und osteopathische Erstbefund zeigte parietal eine deutliche muskuläre Atrophie (Schwäche) des gesamten Schulter-Nackenbereiches im Seitvergleich, eine passive und aktive Fehlpositionierung der rechten Schulter und des Schulterblattes, eine Dysfunktion der oberen rechten Rippen in Ausatmung und des rechten Schlüsselbeins in Vorwärtsdrehung. Der HWS-BWS-Übergang (CTÜ) zeigte eine Gruppendysfunktion in Beugung, die Kopfgelenke standen in Kompression. Das rechte Schultergelenk war insgesamt deutlich bewegungsgemindert, die Schultergelenkskapsel druckschmerzhaft, ebenso die lange Bizepssehne. Es bestand eine postentzündliche Verklebung des Schleimbeutels unter dem Schulterdach. Craniosakral konnte eine Dysfunktion der Knochenverbindung zwischen Hinterhaupts- und Schläfenbein rechts und viszeral eine beginnende Senkung der Bauchorgane mit verminderter Beweglichkeit derselben v. a. im kleinen Becken festgestellt werden. Dirigierend schienen die Kopfgelenke und Schädelknochen zu sein.
Osteopathische Behandlungen
Es folgten drei osteopathische Behandlungen im Abstand von je ca. sechs bis acht Wochen, die Kopfgelenke und die Schädelknochen konnten mit speziellen Techniken nach Sutherland befreit werden, im CTÜ (Wirbelgelenk zwischen dem 7. Hals- und 1. Brustwirbel) kamen ebenfalls Sutherland- und Muskelenergietechniken zur Anwendung, gleiches gilt für die Rippen, das Schlüsselbein, die Schulter – die genannten Strukturen wurden mobilisierend behandelt, auch am Bauch mit zusätzlichen dynamisierenden und durchblutungsfördernden Techniken. Zum Behandlungsende bestand eine seitengleiche freie und schmerzfreie Beweglichkeit. Acht Monate später erfolgte eine Wiedervorstellung mit einer zunehmend schmerzhaften Bewegungseinschränkung der linken Schulter (Stadium 1). Zusätzlich berichtete die Patientin über zwei stattgehabte laparoskopische Myomoperationen an der Gebärmutter.
Die Beschwerden der linken Schulter hätten schon direkt vor der ersten Bauchspiegelung begonnen. Der parietale Erstbefund zeigte neben starken Schmerzen eine geringe muskuläre Atrophie des gesamten Schulter-Nackenbereiches im Seitvergleich, eine leichte Fehlpositionierung und Bewegungseinschränkung der linken Schulter und des Schulterblattes. Rippen und Schlüsselbein waren unauffällig, der CTÜ war fixiert und ebenso der Bereich der Kopfgelenke. Craniosakral konnte eine Dysfunktion der Schädelknochen, diesmal linksbetont, und viszeral eine Motilitätseinschränkung des Dünndarms, eine verstärkte Senkung und eine Minderbeweglichkeit der Gebärmutter festgestellt werden. Dirigierend schienen die Dysfunktionen der Kopfgelenke und der Schädelknochen zu sein, wobei die Beeinflussung durch die Unterbauchorgane ebenso stark zu sein schien. Insgesamt kam es zu vier Behandlungen im Abstand von je vier bis sechs Wochen. Bei der ersten Behandlung wurden Sutherland-Techniken für die erneut auffälligen Strukturen an der Schulter, den Kopfgelenken und den Schädelknochen durchgeführt, die Beweglichkeit des Dünndarms behandelt, ebenso die der Gebärmutter und des kleinen Beckens. Bei der zweiten Vorstellung imponierte eine Zunahme der Spannung der Hirnhäute, insbesondere der großen Sichel und der Verbindung zu den oberen Halswirbeln. Diese wurden behandelt, gefolgt von einer Technik für den 4. Ventrikel. In den folgenden zwei Behandlungen, bei der sich die Patientin jeweils mit einer deutlich besseren Schulterbeweglichkeit und weniger Schmerzen präsentierte, war der Schwerpunkt wechselnd: sowohl der Unterbauch als auch die auffälligen knöchernen Strukturen wurden fokussiert. Nach Abschluss der Behandlung berichtete die Patientin einige Wochen später, dass sie die gesamte Saison sowohl trainieren als auch die Medenspiele problemlos bestreiten konnte.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, spezielle Unfallchirurgie und Chirurgie. Von 2008 bis 2013 berufsbegleitende Ausbildung Osteopathie am College Sutherland Schlangenbad. Er ist Chefarzt und Ärztlicher Direktor an der Orthopädischen Rehabilitationsklinik Salztal Klinik, Bad Soden Salmünster und festangestellter Professor für Osteopathische Medizin an der Hochschule Fresenius und Carl Remigius Medical School, Idstein und Kooperationsarzt des OSP Hessen.