Aktuell ist die seit 2017 bestehende S2k-Leitlinie zum Thema „Kniegelenksarthrose“ in Überarbeitung und wird voraussichtlich im Jahr 2024 auf S3-Niveau neu veröffentlicht. Die neue Leitlinie wird aller Wahrscheinlichkeit nach Aussagen zu konservativen Therapieverfahren beinhalten, welche seit längerem in orthopädischen Indikationen zunehmend an Bedeutung gewinnen. In diesem Zusammenhang ist die Studie von Silva et al. interessant, welche in einer Meta-Analyse die Effektivität der Behandlung der Gonarthrose mittels Extrakorporaler Stoßwellentherapie (ESWT) untersucht.
Nach umfassender Literaturrecherche konnte das Autorenteam lediglich zwölf für die Fragestellung geeignete Studien in ihre Meta-Analyse einschließen, da ausschließlich randomisiert-kontrollierte Studien analysiert werden, die ESWT im Vergleich zur Scheintherapie oder ESWT kombiniert mit Physiotherapie im Vergleich zu alleiniger Physiotherapie untersuchen. Bei der Analyse der Studien „ESWT vs. Schein-ESWT“ wurde in allen Follow-Up Zeiträumen eine statistisch signifikante Überlegenheit der Stoßwellen-Interventionsgruppen hinsichtlich funktioneller Aspekte (Global lower limb osteoarthritis assessment index), als auch hinsichtlich des Schmerzes (Visuelle Analogskala, VAS) festgestellt. Beim Vergleich der Studien „ESWT + Physiotherapie vs. Physiotherapie allein“ zeigt die Stoßwellen-Gruppe keinen signifikanten Unterschied zur Kontrollgruppe im funktionell orientierten Global lower limb osteoarthritis assessment index. Bei der Untersuchung der Schmerzsituation (VAS) zeigt sich ein tendenzieller Vorteil für die ESWT-Gruppe, jedoch ebenfalls kein signifikanten Unterschied. Das Autorenteam betont zudem, dass die Ergebnisse zwar auf die Wirksamkeit der Stoßwellentherapie hindeuten, jedoch die Qualität der Evidenz aufgrund der heterogenen Studienbedingungen, geringer Studienanzahl sowie geringer Anzahl von Studienteilnehmenden sehr niedrig ist.
Bei anderen orthopädischen Indikationen findet sich mittlerweile eine eindeutigere Studienlage, die zeigt, dass die Stoßwellentherapie wirksam ist. Ein größeres Problem in der Erforschung der klinischen Effekte der Stoßwellentherapie ist die oft unzureichende Qualität der Stoßwellenapplikation unter standardisierten Studienbedingungen. Ein kürzlich publiziertes systematic review unserer Forschungsgruppe legt die aktuell bekannten zentralen Wirkmechanismen der Stoßwellen auf das Gewebe dar, wobei jedoch die Applikation oftmals so erfolgt, dass die Wirkung der Stoßwellen nicht vollends entfaltet werden kann (z. B. nicht an den Patienten angepasster Applikationsdruck, zu geringe Impulsanzahl, fehlende Mitbehandlung der jeweiligen Dysbalancen). Da die komplexe Ätiopathophysiologie hinter orthopädischen Krankheitsbildern meist patientenindividuell ist, kann eine ebenso individuelle Therapie nicht innerhalb einer Versuchsgruppe sinnvoll abgebildet werden. Da jedoch für signifikante, wissenschaftliche Aussagen jedoch möglichst einheitliche Bedingungen vorliegen müssen, steht diese Tatsache einer starken Evidenz für eine konservative Therapieform wie der extrakorporalen Stoßwellentherapie im Wege.
Autoren
ist Assistenzarzt in der Sektion Sportorthopädie am Klinikum Rechts der Isar der TU München. Er hat am Lehrstuhl Anatomie II der LMU über die regenerative Stammzelltherapie bei Sehnendefekten promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte sind die Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) und physikalische Verfahren in der Orthopädie. Zuvor war er in der sportmedizinischen Praxis MedWorks Augsburg tätig.