Zu der leitliniengerechten Behandlung der Gonarthrose gehören Injektionen mit Hyaluronsäure. Im dem vorliegenden Fallbeispiel wird die ACS/BCS-Therapie (Orthokin) als Alternativverfahren zur Hyalarttherapie vorgestellt, nachdem ein 50-jähriger Mann keinen ausreichenden subjektiven Effekt durch die Hyalarttherapie verspürte.
Fallbeispiel
Die Gonarthrose ist eine häufige Erkrankung des Kniegelenks, die mit fortschreitendem Alter und Überbelastung zunimmt und oft Schmerzen und Bewegungseinschränkungen verursacht. In diesem Zusammenhang hat die Hyaluronsäure-Injektionstherapie in den letzten Jahren als vielversprechende Behandlungsmethode bei Gonarthrose an Bedeutung gewonnen. Diese wird auch gemäß den Leitlinien zur Behandlung der Gonarthrose empfohlen, da sie den Knorpelabbau verlangsamen und die Schmerzen lindern kann (Quelle: Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). S2k-Leitlinie Gonarthrose. Stand: November 2018). Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2020 identifizierte insgesamt 21 Hyaluronsäurepräparate, die in Europa für die Behandlung der Gonarthrose zugelassen sind [1]. Basierend auf den Empfehlungen der S2k-Leitlinie Gonarthrose soll das aktuelle Fallbeispiel eine neue Perspektive für die Auswahl der Therapieoptionen bei der Behandlung von Gonarthrose bieten. Durch die Vorstellung des konkreten Falles können möglicherweise zusätzliche Erkenntnisse gewonnen und eine individuell abgestimmte Therapieoption identifiziert werden. Ein 50-jähriger männlicher Patient stellte sich seit sieben Jahren in unserer orthopädischen Praxis vor. Neben verschiedenen orthopädischen Beschwerden waren seine Kniebeschwerden unser Behandlungsschwerpunkt. Das Beschwerdebild bestand seit knapp 20 Jahren und äußerte sich durch belas-tungsabhängige suprapatellare Knieschmerzen beidseitig. Des Weiteren beklagte er eine Tendenz zur Ergussbildung bei Mehrbelastung. Eine sportliche Betätigung war letztlich auf Radfahren, leichtes Joggen und Golfen reduziert. Andere Sportarten waren wegen der Beschwerden nicht möglich. Aufgrund sitzender Tätigkeit und konsekutivem Bewegungsmangel beklagte der Patient nun eine Gewichtszunahme und wies zum aktuellen Behandlungszeitpunkt einen BMI von 30 auf. Weitere Nebenerkrankungen bestanden nicht. Zwecks Sicherung der Diagnose und Darstellung der Progression wurden in der Vergangenheit mehrfach MRT-Aufnahmen beider Kniegelenke durchgeführt. Auch fertigten wir DVT-Aufnahmen beider Kniegelenke unter Belastung zur Verlaufskontrolle an. Eine im Jahr 2002 durchgeführte Arthroskopie des rechten Kniegelenks und die o. g. Schnittbildaufnahmen bestätigen die Diagnose der Retropatellararthrose Grad 2 – 3 beidseitig. In den unter Belastung angefertigten DVT-Aufnahmen fanden sich neben einem unregelmäßigen Gleitlager auch osteophytäre Ausziehungen am Ober- und Unterpol der Patella. Die Kniescheibe selbst zeigte in den axialen Schichten eine deutliche Lateralisation mit Reduktionen des Gelenkspalts. Der mediale Kniegelenkspalt war ebenfalls auf ca. 2 mm reduziert. Auch hier fanden sich bereits leichte osteophytäre Veränderungen femoral und tibial.
Bei dem Beschwerdebild führten wir bis zum Frühjahr 2022 eine konservative Therapie mittels regelmäßiger intraarticulärer Injektionen von Hyaluronsäure in beide Kniegelenke durch. Das Intervall der Injektionen betrug 6 – 12 Wochen, abhängig vom Auftreten von Beschwerden. Weitere Therapien führte der Patient nicht durch. Unter der Therapie war der Patient im Alltag beschwerdefrei, sodass eine Änderung des Therapieregimes nicht erforderlich war. Im Sommer 2021 übernahm der Patient ehrenamtlich die Aufgabe eines Fußballtrainers einer Jugendmannschaft. Hierdurch änderte sich die Belastung seiner Kniegelenke grundlegend. Er leitete nun zweimal wöchentlich das Training á 90 Minuten. Hierbei wurde es allerdings auch notwendig, dass er stellenweise die Übungen selbst vormachte oder sogar mitmachte. Diese Veränderungen der Belastungen der Kniegelenke führten dazu, dass sich das beschwerdefreie Intervall deutlich reduzierte. Bis zum Frühjahr 2022 erfolgten monatliche Injektionen mit Hyaluronsäure 2 ml intraarticulär in beide Kniegelenke. Als diese dann letztlich nicht mehr den gewünschten Erfolg brachten, bat er mich um eine Alternative.
Alternative Therapieoptionen
Eine ihm vorgeschlagene Fettstammzelltherapie (SVF) lehnte der Patient aufgrund der Kosten ab und entschied sich für eine Behandlung mit Eigenplasma. Aufgrund negativer Erfahrungen in der Familie hatte er jedoch Vorbehalte gegen eine Injektion und fürchtete die möglichen Folgen einer Kniegelenksinfektion. Wir entschieden uns gemeinsam für die Injektionen von ACS/BCS. Dieses Verfahren unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen PRP-Verfahren (Plättchenreiches Plasma). Im Gegensatz zu anderen PRP-Verfahren erfolgt lediglich eine Blutabnahme und nicht wie üblich vor jeder Injektion. Des Weiteren wird das gewonnene Blut für sechs Stunden in einen Brutschrank bei ca. 37 Grad gelagert. Durch sphärische Partikel im Blutröhrchen soll hier die Bildung von Interleukin1-Rezeptor-Antagonisten (IL1-RA) gefördert werden. Interleukin1 steht im Zusammenhang mit der Ausprägung der Arthritis bei Arthrose und soll somit Co-Auslöser der Schmerzen sein. Die Aufbereitung des ACS/BCS sieht vor, dass nach ca. sechs Stunden eine Zentrifugierung für 10 Minuten bei 2.500 – 3.000 Umdrehungen erfolgt. Im Anschluss wird das Serum abpipettiert und in 2 ml Portionen in einem gewöhnlichen Tiefkühlschrank eingefroren. Der Patient entschied sich für dieses Verfahren, da bei der Injektion ein spezieller Bakterienfilter verwendet wird, der potenzielle Kontaminationen mit Keimen auf ein Minimum reduziert.
Wir führten im Juni 2022 drei intraarticuläre Injektionen in beide Kniegelenke mit je 2 ml ACS/BCS in Kombination mit je 2 ml Hyaluronsäure im Wochenabstand durch. Unser Injektionsstandard sieht vor, dass zur Reduktion der Risiken (Nachblutung, Infektionen und Schwellungen) eine penible hyperbare CO2-Kryotherapie (Cryolight) im Anschluss an die Injektionen erfolgt. Dieses Verfahren ist einfach in der Handhabung und innerhalb von Sekunden durchgeführt. Der Patient berichtete, dass er bereits nach der zweiten Injektion in beide Kniegelenke eine deutliche Besserung verspürte. Das subjektive Empfinden besserte sich dann geringfügig nach den dritten Injektionen nochmals. Aktuell sind acht Monate nach der letzten Injektion vergangen. Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass der Patient bei gleichbleibenden Belastungen keine weiteren Injektionen benötigt hat. Der Patient gibt seit der zweiten Behandlungswoche gleichbleibende Leistungsfähigkeit an.
Diskussion
Die Kombination von autologem konditioniertem Serum (ACS/BCS) und Hyaluronsäuretherapie kann eine vielversprechende Behandlungsoption für Patienten mit Arthrose sein. Während Hyaluronsäuretherapie allein in den Leitlinien als empfohlene Behandlung für Arthrose aufgeführt ist, gibt es Hinweise darauf, dass die Kombination von ACS/BCS und Hyaluronsäure zu besseren Ergebnissen führen kann. Dieses Fallbeispiel bestätigt diese Hinweise. In Kombination mit Hyaluronsäure kann ACS/BCS die Regeneration von Knorpel- und Knochengewebe fördern und Entzündungen reduzieren.
Ein weiterer Vorteil dieser Kombination ist, dass sie das Potenzial hat, die Notwendigkeit für schmerzhafte und invasive chirurgische Eingriffe wie Gelenkersatzoperationen zu reduzieren. Dies ist besonders wichtig für Patienten, die aufgrund von Alter oder anderen medizinischen Bedingungen nicht für eine Operation in Frage kommen.Insgesamt gibt es immer mehr Hinweise darauf, dass diese Kombination eine vielversprechende Behandlungsoption für Patienten mit Arthrose sein kann. Obwohl die Hyaluronsäuretherapie allein in den Leitlinien empfohlen wird, sollten Ärzte und Patienten die Möglichkeit einer Kombinationstherapie in Betracht ziehen, insbesondere wenn andere Behandlungen nicht ausreichend wirksam sind.
Literatur
[1] Kon E, Filardo G, Di Martino A, Marcacci M. Efficacy of hyaluronic acid for knee osteoarthritis: a systematic review and meta-analysis. Osteoarthritis Cartilage. 2020;28(11):1377-1385
Autoren
studierte Medizin in Gießen und Bonn. Nach dem Studium arbeitete er u.a. an der Allgemeinchirurgie KH St. Hildegardis, Köln sowie Allgemeinchirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie, Gemeinschaftskrankenhaus Bonn. Seit 2015 ist er Inhaber der Privatpraxis für Orthopädie Bad Neuenahr, seit 2017 der Praxis Chirurgie Bad Neuenahr und seit 2020 Praxis für sportmedizninische Diagnostik FOKUS:Leistungsmedizin. Im Oktober 2020 fand eine Umwandlung aller Praxen in das MVZ MEDICUM Rhein-Ahr-Eifel statt.