Die Saison 20/21 der 3. Fußball-Bundesliga war bedingt durch die Corona-Pandemie und die verschobene EM gekennzeichnet von zahlreichen englischen Wochen. Diese bedeuteten für alle Spieler eine enorme Leistungsverdichtung aus Training und Spiel. Auch die Anpassung der Auswechselregelung mit 5 Spielern pro Spiel konnte die Belastung der Akteure nicht wesentlich reduzieren.
Bekannt ist, dass mit Zunahme der Belastung das Verletzungsrisiko bei Training und Spiel steigt. Auch die nahezu permanent unter Volllast arbeitenden Körpersysteme kommen hier an ihre Grenzen. Zentrale Bedeutung hat der Stoffwechsel und dessen Regulation durch das vegetative Nervensystem [1]. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Regeneration der Sportler zunehmende Bedeutung in den Präventionskonzepten des Profisports. Individuell auf die Spieler abgestimmte Trainingskonzepte mit Unterstützung von Athletiktrainern sind dabei sicher einer der wichtigsten Bausteine. Bisher wenig beachtet und untersucht sind komplementäre Möglichkeiten der Regeneration. Dieser Betrag befasst sich mit der Kombination der seit Jahrhunderten bekannten physikalischen Behandlungsmethode mit Kohlensäure und einer Stimulation des vegetativen Nervensystems mit einem innovativen Trainingsgerät.
Das vegetative Nervensystem (VNS)
Praktisch alle Lebensvorgänge unseres Körpers werden, weitgehend außerhalb unserer bewussten Wahrnehmung, durch das vegetative Nervensystem gesteuert. Die beiden Komponenten Sympathikus und Parasympathikus agieren dabei als Gegenspieler. Der Sympathikus gilt als „Motor“ des Wettkampfes. Stoffwechsel, Atmung, Herzleistung und Gefäßregulation werden praktisch auf Höchstleistung gebracht, um den Energiebedarf der beanspruchten Muskulatur zu sichern. Im Gegenzug dazu werden dafür nicht unmittelbar benötigte Körperfunktionen (beispielsweise die Verdauung) auf ein Minimum reduziert. So wie ein Motor nicht dauerhaft unter Vollgas beansprucht werden kann, benötigen auch die „Antriebssysteme“ des Körpers eine Phase der Regeneration zum Auffüllen der Energiereserven. Hier steigert jetzt der Parasympathikus seine Aktivität. Der Fokus liegt dabei auf dem Verdauungssystem, um die verbrauchten Energiespeicher aufzufüllen. Die Leistungsfähigkeit des Körpers eines Sportlers ist von der perfekten Abstimmung dieser beiden Komponenten abhängig. Dabei gibt es durchaus Interaktionen zwischen Bewusstsein und dem vegetativen Nervensystem. Visuell oder emotional wahrgenommene Gefahrensituationen bringen den Körper durch aktivieren des Sympathikus in einen „Kampfmodus“, leicht zu erkennen an der gesteigerten Herzfrequenz [2].
Dauerhafte Stresssituationen haben eine mangelnde Regeneration und somit ein erhöhtes Verletzung- und Krankheitsrisiko zur Folge. Erschöpfungszustände, Konzentrationsstörungen, Leistungsdefizite, bis hin zu Fehlregulationen des Herz-Kreislauf-Systems, sind einige Beispiele für derartige Fehlregulationen. Die steuernde Wirkung von Sympathikus und Parasympathikus auf die Herzfunktion bietet aber auch eine Möglichkeit, die Aktivität beider Komponenten mit moderner Messtechnik zu bestimmen. Gemessen wird dabei die Herzratenvariabilität (HRV). Einfach erklärt sind bei einem Menschen die Abstände zwischen den Herzschlägen nie gleich lang. Auch im Ruhezustand weichen die Abstände der einzelnen Herzschläge wenige Millisekunden voneinander ab. Eine hohe HRV ist Ausdruck einer gesteigerten Aktivität des Parasympathikus im Regenerationsmodus. VNS Messsysteme erfassen für eine bestimmte Anzahl von Herzschlägen oder einem definierten Zeitraum die Abstände der Herzschläge. Je nach Messsystem und Analysealgorithmus kann mit unterschiedlichen Diagrammen die Aktivität des vegetativen Nervensystems visualisiert werden.
Physiologie der CO2 Bäder
Die heilende Wirkung von Kohlendioxid ist schon nachweislich seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Genutzt wurden CO2-haltige Quellen oder auch aus Verbrennung gewonnenes CO2, welches in speziellen „Räucherkästen“ zur Behandlung einzelner Körperabschnitte zur Anwendung kam. Nach diesem Prinzip funktionierende Therapiesysteme waren bis vor wenigen Jahren noch im Einsatz. Aktuell wird die CO2-Behandlung noch in drei Anwendungsformen in Krankenhäusern und Rehakliniken genutzt. Klassisch als CO2-Bad unter Nutzung kohlensäurehaltiger Quellen. Mischungen aus Natriumbikarbonat und kristallinen organischen Säuren setzen als Badezusatz ebenfalls Kohlensäure frei. Als dritte Anwendungsform gelten CO2-Trockenbäder. Hierbei werden zu behandelnde Körperabschnitte in Behandlungshüllen verbracht, welche nach absaugen der Innenluft mit angewärmtem Kohlensäuregas gefüllt werden (Abb. 1) [3, 4, 5].
Den Mechanismus des Gasaustausches im Gewebe beschreibt der Bohr-Effekt. Durch Senken des PH-Wertes und Anstieg der CO2-Konzentration sinkt die Affinität des Hämoglobins zum Sauerstoff. Dieser wird dadurch an das Gewebe abgegeben. Unter normalen physiologischen Bedingungen steigt die CO2-Konzentration bei erhöhter Stoffwechselaktivität des Gewebes (z. B. Muskelaktivität), wodurch dieser Effekt verstärkt wird. Darüber hinaus hat CO2als Stoffwechselmetabolit eine gefäßerweiternde Wirkung. Das ist ein wichtiger Regulationsmechanismus für stoffwechselaktive Organe wie Gehirn, Herz oder Skelettmuskulatur [2]. Das beim Kohlensäurebad durch die Haut diffundierte Kohlendioxid senkt in der gelösten Form den pH-Wert und erhöht die CO2 Konzentration im Gewebe. Folge ist eine Gefäßerweiterung und vermehrte Sauerstoffabgabe in das Gewebe mit positiven Effekten auf die Heilung von Verletzungen und der Regeneration. Eigene wissenschaftliche Untersuchungen konnten die effektive Wirkung der Kohlensäuretrockenbäder klinisch und mit moderner Messtechnik belegen. Weiterhin gibt es Hinweise darauf, dass die CO2-Therapie durch eine Stimulation des Parasympathikus auch einen positiven Einfluss auf die Regeneration hat. Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, die CO2-Behandlung nicht nur bei Verletzungen, sondern auch zur Regeneration nach intensiven körperlichen Beanspruchungen zu nutzen.
Wirkungsweise des Baro-Trainers
Der Baro-Trainer (Hersteller: HYPOXI Produktions- und Vertriebs GmbH) ist ein Trainingsgerät, das Diagnose und aktive Regeneration in einem Gerät vereint. Es handelt sich dabei um eine Überdruck-Unterdruck Kammer für die untere Körperhälfte, in der ein Fahrradergometer eingebaut ist (Abb. 2). Vor dem Start des Regenerationstrainings wird zunächst der vegetative Status des Trainierenden ermittelt. Die Auswahl des maßgeschneiderten Trainingsprogrammes erfolgt mittels einer Software, die den ermittelten vegetativen Status sowie die Parameter Geschlecht, Alter, Körpergewicht und allgemeiner Fitnesszustand berücksichtigt. Das 15 – 30-minütige Regenerationstraining auf dem Ergometer absolviert der Sportler mit einer RPM von ca. 50 bei extrem niedrigen Leistungsstufen, je nach Programmvorgabe. Während des Trainings wechseln im Gerät Überdruck- und Unterdruckphasen entsprechend der vorher ermittelten Trainingsparameter. Die in einem Intervall von 20 bis 30 sec wechselnden Drücke wirken sich unmittelbar auf die kapillare Durchblutung der unteren Extremitäten aus. Im Überdruckmodus werden diese komprimiert. Entsprechend versucht das Vegetative Nervensystem gegenzuregulieren, um eine ausreichende Blutversorgung für die aktive Muskulatur sicherzustellen. In der Unterdruckphase entsteht eine Sogwirkung, die den kapillaren Durchfluss wiederum erleichtert. Neben einer Stimulation des vegetativen Nervensystems wird auch durch die Kombination von Wechseldruckbehandlung und leichter körperlicher Betätigung Durchblutung und Regenerationsstoffwechsel gefördert. Der bereits mehrjährige Einsatz Baro-Trainers im individuellen Hochleistungssport hat die effektive Wirkung dieser Regenerationsmethode bestätigt. Bisher wenig Erfahrung gibt es dagegen zum Einsatz von Mannschaftsportarten. Dieser Beitrag berichtet über erste Ergebnisse im Regenerationskonzept beim Fußballsport.
Lässt sich Regeneration messen?
Das Thema Regeneration wird in der klinischen Forschung eher nachrangig behandelt. Dies ist auch wenig verwunderlich, da körperliche Höchstbelastungen eher nicht mit Krankheiten oder Verletzungen assoziiert sind. Allerdings gibt es einige, teilweise ernste Krankheitsbilder, die mit einer Fehlfunktion des vegetativen Nervensystems im Zusammenhang stehen. Als eindrucksvollstes Beispiel ist hier das bis heute noch nicht vollständig erforsche Krankheitsbild des Morbus Sudeck (alternativ CRPS) zu nennen. Hier kann eine Bagatellverletzung (z. B. Prellung) innerhalb kurzer Zeit eine schwere vegetative Entgleisung der betroffenen Körperregion, verbunden mit Schmerzen, Fehlfunktion und Störung des Gewebe- und Knochenstoffwechsels auslösen. Bis zum heutigen Tag hat die Sportwissenschaft noch keine anerkannten Parameter gefunden, mit welchen man eine effektive Regeneration messbar darstellen kann. Eine Vielzahl von Einflüssen, wie Alter, Geschlecht, Körpergewicht, hormoneller Status und individuelle Leistungsbeanspruchung, aber auch äußere Umstände haben sicher eine Wirkung auf die individuelle Regeneration. Eine tagesaktuelle „Sofortmessung“ ist praktisch nicht möglich. Unstrittig dagegen sind die Folgen eines Übertrainings, mit erhöhter Verletzungsgefahr, einer Schwächung des Immunsystems und Auswirkungen auf die Psyche des Sportlers. Entsprechend kann man eine effektive Regeneration anhand mehrerer Kriterien erkennen. Neben körperlichen Leistungstests, einem Leistungsmonitoring (z. B. Polarmessung während Training und Spiel) und der Bewertung der mentalen Situation als eher schnelle Marker, gelten Verletzungs- und Krankheitshäufigkeit, die langfristige Leistungsentwicklung und die dauerhafte psychische Stabilität als wesentliche Faktoren zur Beurteilung einer effektiven Regeneration [6].
Eigene Untersuchungen
Bereits zum Ende der Drittligasaison 19/20 kam bei einigen Spielern eine komplementäre CO2-Behandlung mit dem CAT System (Carbon Acid Therapy, Unitronic – Medizinische Steuergeräte GmbH) zum Einsatz. Ähnlich wie bei der Behandlung von Verletzungen konnte auch hier mit einer Hyperspektralmessung (Tivita® Diaspective Vision GmbH) eine Verbesserung der Durchblutung und Sauerstoffanreicherung im Gewebe nachgewiesen werden. Diese ersten Ergebnisse gaben den Anlass, das Thema Regenerationsmöglichkeiten intensiver wissenschaftlich zu betrachten. Neben dem Einsatz von Kohlesäurebädern wurde auch der speziell zur Regeneration entwickelte Baro-Trainer in die Untersuchungen einbezogen. Im Rahmen einer Masterarbeit der Fakultät Biomedizintechnik der WHZ Zwickau erfolgten erste orientierende Untersuchungen. Hierzu wurden ab der zweiten Halbserie der Saison 20/21 die Einflüsse von CO2-Anwendung und Baro-Trainer untersucht. Aufgrund der erforderlichen Anwendungszeiten war die Nutzung der verwendeten Geräte limitiert. Für die Untersuchungen wurden drei Spielerpaare gebildet. Gruppe 1 – keine zusätzlichen regenerativen Maßnahmen. Gruppe 2 – ausschließliche CO2-Anwendung. Bei Gruppe 3 kamen der Baro-Trainer und die CO2-Anwendung kombiniert zum Einsatz. Diese erfolgten jeweils im Anschluss an die regulären Trainingseinheiten.
Unmittelbare Effekte konnten in den Gruppen 2 und 3 durch die Hyperspektralmessung (Verbesserung der Sauerstoffversorgung) und der VNS Analyse (VNS Analyse, Commit GmbH) mit einer Aktivitätssteigerung des Parasympathikus nachgewiesen werden. Als weitere Parameter wurden die während der Punktspiele aufgezeichneten Leistungsdaten ausgewertet. Neben allgemeinen Leistungsdaten und Einsatzzeiten wurde speziell die von den Spielern in der Geschwindigkeitszone 4 (Läufe mit einer Geschwindigkeit von 19,80 – 25,19 km/h) zurückgelegte Distanz betrachtet. Es wurden sowohl die Daten der Gruppen untereinander als auch die Werte der ersten Halbserie der jeweiligen Spieler betrachtet. Gruppe 1 zeigte dabei keine Veränderung. In Gruppe 2 und 3 konnten deutliche Steigerungen der Laufdistanz in der Geschwindigkeitszone 4 festgestellt werden, wobei in Gruppe 3 die stärksten Effekte zu beobachten waren. Ebenso war die subjektive Bewertung der Regenerationsmaßnahmen, auch durch die Spieler, die nicht in die Untersuchungen einbezogen wurden, durchweg positiv.
Fazit
Unstrittig gewinnt das Thema Regeneration bei steigender Leistungsverdichtung zunehmend an Bedeutung. Komplementäre Maßnahmen zur Regeneration sind hierbei ein weiterer wichtiger Ansatz neben den bereits etablierten Konzepten. Sicher muss hier aber auch eine korrekte Abgrenzung zur illegalen Leistungssteigerung durch Doping erfolgen. Im Unterschied zum Doping, bei dem durch einen Eingriff in die Körpersysteme eine Leistungssteigerung ohne zusätzlichem Trainingsaufwand erzielt werden soll, zielen Regenerationsmaßnahmen auf eine rasche Erholung des Körpers nach Wettkampf oder Training. Die Kohlensäurebehandlung ist mit seinen unterschiedlichen Formen eine anerkannte Anwendung in Rehabilitations- und Kureinrichtungen und seit Jahrhunderten bekannt. Neue Untersuchungen zeigen auch eine Wirksamkeit bei der Behandlung von Verletzungen mit Verkürzung der Heilungszeiten. Hieraus lässt sich der Ansatz als möglicher Baustein für die Rehabilitation ableiten. Der Baro-Trainer hat sich bereits im individuellen Hochleistungssport bewährt. Die bisherigen Untersuchungen im Fußballsport zeigen, dass insbesondere die Kombination aus CO2-Anwendung und Baro-Trainer positive Effekte auf die Regeneration der Spieler hat. Zu empfehlen sind weitere Untersuchungen mit größeren Fallzahlen welche diese Ergebnisse untermauern.
Literatur
[1] Meyer,T., Kellmann, M., Ferrauti, A., Pfeiffer, M.,Faude, O., (2013) Die Messung von Erholtheit und Regenerationsbedarf im Fußball. Dtsch Z Sportmed 64 (2013) 28 – 34. DOI 10.5960/dzsm.2012.054
[2] Schmidt, R.F.; Lang, F.; Heckmann, M. (Hrsg.) (2011) Physiologie des Menschen mit Pathophysiologie, 31. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Springer Verlag
[3] Ranker, A.; (2020) Kohlendioxid-Bäder (CO2-Bäder). Phys Med Rehab Kuror 2020; 30:193 – 198 Georg Thieme Verlag KG Stuttgart – New York, ISSN 0940-6689 DOI https://doi.org/10.1055/a-1198 – 1860
[4] Meise, P., (2020) Untersuchung der Wirkungsweise der CO2-Trockenbadtherapie bei unfallchirurgischen Fällen mittels Multispektralkamera und Laser-Doppler-Spektrophotometrie.Bachelorarbeit, Fakultät Physikalische Technik / Informatik Studiengang Biomedizinische Technik, Westsächsische Hochschule Zwickau, University of Applied Sciences
[5] Näser, J., (2021) Untersuchung der Wirkungsweise der CO2-Trockenbadtherapie bei unfall- und gefäßchirurgischen Fällen mit Hilfe der Hyperspektralanalyse. Bachelorarbeit, Fakultät Physikalische Technik / Informatik Studiengang Biomedizinische Technik, Westsächsische Hochschule Zwickau, University of Applied Sciences
[6] Faude, O.; (2007) Regeneration im leistungssportlichen Training. Zur Wirkung verschiedener Regenerativer Maßnahmen während und nach intensiven Trainingsphasen im Radsport. Dissertation, Philosophische Fakultät der Universität des Saarlandes
Autoren
ist Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnung Spezielle Unfallchirurgie. Er ist D-Arzt (SAV), Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Heinrich-Braun-Klinikum gGmbH, Standort Zwickau sowie Mannschaftsarzt des FSV Zwickau.
ist Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen Spezielle Unfallchirurgie und Sportmedizin. Er ist stellvertretender D-Arzt (SAV), Abteilungsleiter Sportorthopädie an der Klinik für Orthopädie, Heinrich-Braun-Klinikum gGmbH, Standort Zwickau sowie Mannschaftsarzt des FSV Zwickau.
ist seit 2018 Reha und Athletiktrainer des FSV Zwickau. Zuvor war er Athletiktrainer beim FC Rot-Weiß Erfurt.