In der modernen Sportmedizin rückt das Thema Ernährung zunehmend in den Fokus. Dabei ist es essenziell, zwischen Prävention und Therapie klar zu unterscheiden.
In der Prävention können Begriffe wie gesunder Lebensstil, ausgewogene Ernährung oder gar gesunde Ernährung „Healthy Diet“, Plant-Based Diet oder Mediterrane Ernährung (https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1800389) ausreichen. Sie geben eine gute allgemeine Orientierung und sind wissenschaftlich belegt – vorausgesetzt, alle Beteiligten wissen, was gemeint ist und verstehen darunter dasselbe.
Doch wenn es um Therapie, Rehabilitation oder gezielte Begleitung im Rahmen orthopädisch-unfallchirurgischer Erkrankungen / Verletzungen geht, reicht eine solche pauschale Empfehlung nicht mehr aus, sie wird nicht verstanden bzw. ausgeführt werden können Hier muss der Fokus klar auf dem individuellen Kontext des Patienten bzw. Sportlers liegen – im Sinne einer Targeted Nutrition , ergänzt durch spezifische Ernährungsmuster (Dietary Patterns siehe Abbildung).
Diese geben Struktur und ermöglichen eine individualisierte, nachvollziehbare Anwendung in Eigenverantwortung, ohne direkt zu überladen „stress“ Bedrohung vs. Motivation / Belohnung (less is more Information). Zentral ist dabei: Fehlernährung oder Mangelernährung müssen identifiziert und ausgeschlossen werden. Ohne diese Grundlage kann eine ernährungstherapeutische Empfehlung nicht verstanden, akzeptiert oder umgesetzt werden. Zudem wird das eigene Belohungs- und Motivationssystem evtl. außer Acht gelassen. Siehe dazu Artikel Achtsamkeit & Ernährung.
„Eating is a highly emotionally charged, social and cultural activity, conditioned and reinforced over an entire lifetime.“
— Jon Kabat-Zinn, Full Catastrophe Living
Daher können hier Ernährungsmuster als angenehme Vorlage dienen und dies berücksichtigt halten. Geeignete wissenschaftlich gesicherte wie grundlegende Ernährungsmuster in der Prävention sind in bestimmten Kontexten auch therapeutisch sinnvoll und evidenzbasiert abgesichert, z. B.:
- Pflanzenbasierte Ernährung
- Mediterrane Ernährung
- DASH-Diät (Kardiologisch)
- MIND-Diät (Neurodegenerativ)
Geht es darüber hinaus, muss eine konkrete Zielsetzung formuliert werden:
- Steht eine Operation an?
- Wird konservativ behandelt?
- Ist der Patient/Sportler bereit und in der Lage, mitzugehen (Verständnis / Motivation)?
Hier empfiehlt sich die Anwendung eines Target basierten Ernährungsmusters inkl. target nutrition bei Bedarf (Schritt 2), das sich an Untersuchungen, Gesprächsinhalten (Motiv. Interview) und realistischen wie persönlichen Einstiegsmöglichkeiten orientiert. Dadurch kann früh eine hohe Compliance gefördert werden.
Ein aktuelles Beispiel eines solchen Ernährungsmusters, das wahrscheinlich einer gesunden ausgewogenen Ernährung am nächsten kommen könnte, ist die Empfehlung von Prof. Dr. Andreas Michalsen (FAZ, 10. Juli 2025), der zur Prävention von chronischen Erkrankungen, Entzündungen und vorzeitiger Alterung eine ballaststoffreiche (≥ 30 g/Tag) und polyphenolreiche Ernährung in Kombination mit fermentierten Lebensmitteln empfiehlt.
Diese antiinflammatorische Ernährung umfasst:
Auch hier handelt es sich um Targeted Nutrition mit Elementen traditioneller, naturbelassener Ernährung – wirksam sowohl in der Prävention als auch in der Therapie.
Perioperative Ernährung
Ein weiterführendes neuartiges Beispiel ist die perioperative Ernährung bzw prähabilitative Ernährung, etwa bei Bandscheibenoperationen bzw. Kreuzbandrupturen. Hier reicht es nicht, pauschal Diäten zu empfehlen oder gar unspezifisch Proteine bzw. Kollagen zu empfehlen. Vielmehr braucht es gezielte Gaben spezifischer Aminosäuren, Enzyme, Kollagenpeptide, Polyphenole (s. o.) ggfls. vor, während und nach der Operation – siehe HIER – eingebettet in ein entzündungsmodulierendes Gesamtkonzept wie grundlegendes Ernährungsmuster (s. o.).
Dr. Petra Büchin, Chefärztin am Zentrum für Wirbelsäulenchirurgie und Rückentherapie am Karl-Olga-Krankenhaus Stuttgart, empfiehlt beispielweise Patienten, „die aufgrund von Rückenbeschwerden zu uns ins Wirbelsäulenzentrum kommen, zur Reduktion des oxidativen Stresses gegebenenfalls auch Nahrungsergänzungsmittel, z. B. Kurkuma, Boswellia, Vitamin C oder Omega-3-Fettsäuren“. (Quelle: Darum hilft weniger oxidativer Stress auch den Bandscheiben). Siehe hierzu auch Review Article von Hao Zhou et al. im Journal of Orthopaedic Translation (Volume 49, 2024) zu Oxidativen Stress.
Für weiterführende Analysen – etwa Laborparameter, Mikrobiomdiagnostik oder BIA – sind spezialisierte Ernährungsmediziner oder Ernährungswissenschaftler die richtigen Ansprechpartner. Doch gerade der Operateur, konservativ tätige Orthopäde, Therapeut oder Sportmediziner sollte heute in der Lage sein, auf ernährungsbezogene Fragen kompetent, fundiert und patientennah zu antworten – statt sich auf pauschale Aussagen zu beschränken. Denn Ernährung ist längst Teil ganzheitlicher Therapie und präventiver Medizin. Siehe hierzu auch Artikel „Prähabilitation des vorderen Kreuzbandes“ von Dr. Christina Valle, Dr. Robert Percy Marshall und Dr. Natalie Mengis.
Insbesondere bei elektiven Eingriffen – etwa in der präoperativen Phase oder im Rahmen rehabilitativer Vorbereitung – ist es ratsam, im Ernährungsassessment nicht nur den Nutrition Risk Score, sondern auch eine Bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) durchzuführen. So lassen sich drohende Mangelernährungszustände frühzeitig erkennen, die andernfalls das Risiko postoperativer Komplikationen deutlich erhöhen können.
Weiterführende thematische Education-Videos:
Autoren
ist Diplom Sportwissenschaftler, hat einen Professional Master´s Degree in Sports Medicine und eine Ausbildung Mind-Body Medizin (Harvard Medical School). Er ist Verleger der sportärztezeitung.