Mayur Krachna Ranchordas, Joel T. Dawson and Mark Russell / J Int Soc Sports Nutr. 2017; 14: 35. doi: 10.1186/s12970-017-0193-8. / PMCID: PMC5596842 PMID: 28919844
Enger Spielplan, lange Reisen zu den Auswärtsspielen, wenig Zeit zur Erholung – die Belastungen im Spitzenfußball sind hoch. Europäische Fußballmannschaften bestreiten heute bis zu 60 Pflichtspiele pro Saison. In manchen Wochen finden bis zu 3 Pflichtspiele an verschiedenen Orten und vor allem aus Marketinggründen zu unterschiedlichen Tageszeiten statt.
Beträgt der zeitliche Abstand zwischen zwei Spielen weniger als 96 Stunden, häufen sich die Ermüdungserscheinungen und das Verletzungsrisiko steigt. Dies gilt insbesondere für überlastungsassoziierte Verletzungen wie Muskelverletzungen, die im Fußball an der Spitze der sogenannten „Time-loss injuries“ stehen. Regenerationsmaßnahmen spielen daher eine wichtige Rolle, um die zur Verfügung stehende Zeit optimal zu nutzen und damit das Verletzungsrisiko zu reduzieren. Die vorliegende Übersichtsarbeit liefert Ernährungsempfehlungen für eine optimale Regeneration zwischen eng aufeinander folgenden Pflichtspielen.
Methodik
In der vorliegenden narrativen Übersichtsarbeit werden die Datenbanken MEDLINE über PubMed, SPORTDiscus (jeweils von 1966 – 2016) und Google Scholar (1980 – 2015) sowie die Literaturverzeichnisse der erhaltenen Suchergebnissen mit verschiedenen Suchbegriffen aus dem Bereich Fußball – Regeneration – Ernährung durchsucht und ausschließlich Studien am Menschen eingeschlossen.
Ergebnisse
Während eines 90-minütigen Fußballspiels legen die Spieler in der Regel Distanzen von 9 – 12 km zurück und absolvieren dabei zahlreiche schnelle Bewegungsabläufe mit bis zu 220 hochintensiven Läufen. Dabei verbrauchen die Spieler schätzungsweise durchschnittlich ~ 1106 kcal. Bei erwachsenen Profispielern wird der durchschnittliche tägliche Energieverbrauch auf 3439 bis 3822 kcal geschätzt, wobei es deutliche interindividuelle Unterschiede gibt, zu denen neben den Belastungsparametern auch Umweltfaktoren beitragen. Eine im Vergleich zum Energieverbrauch unzureichende Energiezufuhr, wie sie z. B. bei jugendlichen Fußballspielern beobachtet wurde (Energiedefizit von 310 ± 399 kcal/Tag bis 502 ± 533 kcal/Tag), kann das Immunsystem schwächen und das Verletzungsrisiko erhöhen. Ein Grund dafür kann eine verminderte muskuläre Glykogenspeicherung zu Beginn der Belastung sein. Daher sollte die Energiezufuhr unter Berücksichtigung der fußballspezifischen Anforderungen, des individuellen Bedarfs und des richtigen Zeitpunkts erfolgen, um die Regeneration bestmöglich zu unterstützen. Die folgenden Handlungsempfehlungen können als Orientierung dienen:
Kohlenhydrate & Proteine
Frühe Phase (0 – 4 h) / „Refueling“: Unmittelbar bzw. innerhalb der ersten 20 min nach Belastungsende auf dem Feld oder in der Umkleide Aufnahme von 1 – 1,5 g/kg Körpermasse Kohlenhydrate mit hohem glykämischen Index (GI) in fester oder flüssiger Form. Danach stündliche Aufnahme der gleichen Kohlenhydratmenge, idealerweise in festen, kürzeren Zeitabständen (z. B. alle 30 min). Zusätzlich Aufnahme von anfänglich 30 – 40 g Eiweiß (mit 6 – 9 g essentiellen Aminosäuren, insbesondere Leucin), nach 3 h Aufnahme von 20 – 25 g.
Späte Phase binnen 24 h: Alle 3 h Aufnahme von 20 – 25 g Proteinen, zuletzt vor dem Nachtschlaf (hier vorzugsweise mit Kasein).
Zeit zwischen zwei kurz aufeinander folgenden Spielen (24 – 72 h) mit Belastungs- und Regenerationsphasen / „Refueling / Pre-loading“: Tägliche bedarfsgerechte Zufuhr von 6 – 10 g/kg Körpermasse Kohlenhydrate in 3 – 4 Hauptmahlzeiten und „Snacks“. Tägliche Zufuhr von 1,5 – 2 g/kg Körpermasse Eiweiß in 6 Portionen zu je 20 – 25 g alle 3 h.
Flüssigkeitszufuhr
Während des Spiels: Aufnahme von 200 – 300 ml elektrolythaltiger Flüssigkeit in der Halbzeitpause und bei anderen Gelegenheiten (offizielle Trinkpausen/Verletzungsunterbrechungen).
Frühphase (0 – 6 h) / „Rehydration“: Dem geschätzten Flüssigkeitsverlust (individuelle Schweißraten von 1,1 – 3,1 l in 90 min) angepasste Zufuhr von elektrolythaltiger Flüssigkeit (mindestens 40 – 50 mmol/l Natrium-chlorid; optimal: 50 – 80 mmol/l Natrium). Kein Alkohol.
Supplemente
Kreatin (3 g/Tag) kann dazu dienen, die bei intensiver sportlicher Betätigung entleerten Speicher wieder aufzufüllen und bei Schlafentzug durch Einnahme vor der Belastung dessen negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit aufzuheben.
Die gleichzeitige Einnahme von Kohlenhydraten und Koffein kann zu einer erhöhten Glykogenakkumulation nach dem Sport innerhalb von 4 Stunden führen, weshalb diese Strategie besonders bei frühen Spielen angewendet werden kann. Lebensmittel (z. B. Kirsch- und Granatapfelsaft) und Nahrungsergänzungsmittel (z. B. theaflavinreicher Schwarztee-Extrakt), die Antioxidantien und Polyphenole enthalten, können einen wichtigen Beitrag zur Regeneration leisten, da sie u. a. Muskelschmerzen reduzieren können. Sie sollten jedoch gezielt und keinesfalls dauerhaft eingenommen werden. Die Zufuhr von 1,8 bis 3 g Omega-3-Fettsäuren, die natürlicherweise in fettem Fisch wie Lachs, Makrele und Sardinen vorkommen und in konzentrierter Form als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich sind, soll insbesondere während intensiver Spielphasen zur Muskelerholung beitragen.
Fazit
Die Ernährung kann insbesondere in intensiven Saisonphasen einen wichtigen Beitrag zur Regeneration leisten. Für die Menge und Zusammensetzung der Nährstoffe sowie die optimalen Zeitfenster gibt es konkrete Handlungsempfehlungen. Um diese Vorgaben im Spitzenfußball erfolgreich umzusetzen, muss der Betreuerstab am Spielfeldrand und in der Kabine verschiedene Formen anbieten und neben aktuellen Umweltfaktoren, individueller Belastung (Daten aus dem heute üblichen External Load Monitoring) und Schweißraten auch Nahrungsmittelunverträglichkeiten sowie kulturelle und persönliche Gewohnheiten und Vorlieben berücksichtigen.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie mit den Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Manuelle Medizin. Er leitet als Oberarzt die Sportorthopädie der Sport- und Rehabilitationsmedizin des Universitätsklinikums Ulm mit dem Schwerpunkt der Betreuung von Mannschaftssportarten (u.a. TVB 1898 Stuttgart). Darüber hinaus ist Dr. Henze stellvertretender Vorsitzender der Handballärzte Deutschland und seit 2022 wiss. Beirat der sportärztezeitung.