Im Reha-Bericht 2020 der Deutschen Rentenversicherung (DRV) heißt es: „Mit einer medizinischen Rehabilitation, die in der Regel etwa drei Wochen dauert, können manche Reha-Ziele (z. B. Muskelaufbau) nicht vollständig erreicht werden.“ Umso wichtiger erscheint es daher, dass therapiebegleitende Ernährungsinterventionen das Erreichen der Reha-Ziele effektiv unterstützen. Dabei kann in der muskuloskelettalen Rehabilitation viel aus der Leistungssporternährung gelernt werden.
Identische Trainingsziele: Muskelaufbau und Funktionalität
Orthopädische Erkrankungen sind mit Abstand der häufigste Grund für Rehabilitationsmaßnahmen. Im Jahr 2020 wurden allein bei der DRV über 410.000 Reha-Leistungen im Bereich der Krankheiten von Skelett, Muskeln und Bindegewebe erbracht. Hinzu kommen entsprechende indikationsbezogene Nachsorgeleistungen und Rehabilitationssport. Neben der Teilhabe stehen bei der muskuloskelettalen Reha die Ziele Aktivitäten (Mobilität), Körperfunktionen und Körperstrukturen im Vordergrund. Nach Unfällen, Verletzungen, Operationen und bei chronischen Schädigungen, meist verbunden mit langen Immobilitätsphasen, kommt es zum Verlust von Muskelmasse und -funktion. Ein effektiver Muskelneu- und -wiederaufbau sowie gesteigerte Ausdauerleistungsfähigkeit in kurzer, definierter Zeit wird angestrebt. Diese Ziele sind in Teilen deckungsgleich mit denen eines sportlichen Trainings. Obwohl Interventionsstrategien der Sporternährung leistungsorientiert sind, sind viele Prinzipien direkt auf die Ziele Hypertrophie und Funktionalität der Skelettmuskulatur im Reha-Bereich anwendbar. Einige Reha-Ziele (Stichwort „Muskelaufbau“) sind so effektiver und nachhaltiger zu erreichen. Vom optimierten Outcome würden sowohl Rehabilitanden als auch Kostenträger profitieren.
In der Reha benötigen Muskeln mehr Protein
Ernährungsstrategien aus dem Sport zur Re- und Neosynthese von Muskelprotein sind gut auf die Reha übertragbar, werden aber in der Praxis bisher kaum verfolgt. Oft wird empfohlen, die Energieaufnahme während Phasen von Immobilität und sogar während der Reha zu reduzieren. Selbst ein moderates Energiedefizit, bei dem die Proteinaufnahme proportional mit verringert wird, reduziert die Muskelproteinsynthese, vergrößert die Muskelatrophie und verlängert den Muskelaufbau. Die Eiweißmengen sind auf die individuellen Bedürfnisse der Rehabilitanden abzustimmen, wobei die Tagesgesamtmenge und die Portionsgröße, die Häufigkeit des Verzehrs und die Proteinqualität zu berücksichtigen sind. Bis zu 2,0 g Protein/kg Körpergewicht pro Tag sind bei nierengesunden Rehabilitanden zum Muskelaufbau empfehlenswert. Primär sollten dazu proteinreiche, natürliche Lebensmittel verwendet werden, getreu dem Leitmotiv „Food First“. Dennoch können hochwertige Eiweißpräparate aus Convenience- und Praktikabilitätsgründen eine sinnvolle Ergänzung zum Erreichen der Gesamteiweißmenge darstellen. Das unmittelbarer in zeitlicher Nähe zum Training konsumierte Protein wirkt mit dem Bewegungsreiz synergistisch auf die Muskelproteinsynthese (MPS). Die hierfür aus der Sporternährung übernommene Portionsgröße von 20 g Eiweiß ist bei Rehabilitanden im Durchschnittsalter von 52 Jahren zwar nicht optimal, kann aber aus Praktikabilitätsgründen als Zielwert hilfreich sein. Mit zunehmendem Alter der Rehabilitanden kann dieser Wert um bis zu 40 % steigen, um die MPS nach dem Training zu maximieren. Für 60-Jährige stellen ca. 0,4 g Eiweiß/kgKG/Portion Protein als Post-Training Portion einen Idealwert dar, was bei 75 kg Körpergewicht 30 g Eiweiß entsprechen würde. Doch bereits 20 g Eiweiß pro Portion sind hilfreich, um die erhöhte tägliche Gesamt-Proteinempfehlung zu erreichen (Tabelle 1). Die tägliche Gesamt-Proteinaufnahme ist auf mindestens drei, besser vier proteinhaltige Mahlzeiten mit Eiweißmengen von bis zu 0,4 g/kg zu verteilen. In der Regel wird dafür ein stark verändertes Essverhalten notwendig, denn typischerweise werden mehr als 50 % des Gesamtproteins bei einer einzigen Mahlzeit konsumiert.
Omega-3-Fettsäuren unterstützen anabole Proteinwirkung
Eine mehrwöchige Einnahme der Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA kann die anabole Eiweißwirkung optimieren. Sie wirken auf die Phospholipidmembran der Skelettmuskulatur und verbessern so den Aminosäuretransport in die Zelle. Zudem wird von schnelleren regenerativen Verläufen nach den für die meisten Rehabilitanden völlig neuartigen Reha-Trainingsreizen berichtet. Auch lokale, trainingsbedingte sowie unterschwellige Entzündungsprozesse und das Auftreten von Muskelkater werden bei optimaler Ausstattung mit EPA und DHA reduziert. Für diese positiven Eigenschaften werden Dosierungen von ca. 3 g EPA und DHA pro Tag über mehrere Wochen benötigt. Idealerweise wird deshalb bereits einige Wochen vor Reha-Beginn mit der n3-Supplementierung begonnen.
Kreatin – die Muskelbatterie
Kreatin-Monohydrat kann die Leistungsfähigkeit bei hochintensiven Aktivitäten verbessern, indem die Kreatinphosphat-Skelettmuskelspeicher um bis zu 40 % erhöht werden. Dadurch kann effektiver trainiert werden, was wiederum die gewünschte Zunahme an Muskelmasse und -kraft unterstützt. Bei Menschen ab dem mittleren Alter werden regelhaft niedrigere Kreatinspiegel in der Muskulatur gemessen als bei jüngeren. Besonders Inaktive und Ältere profitieren von der Kreatin-Supplementierung durch eine größere Zunahme der fettfreien Masse, der Muskeldicke und der Kraft bei regelmäßigem, kraft-orientiertem Training. Wird Kreatin in Apothekenqualität verwendet, sind keine unerwünschten Nebenwirkungen zu erwarten.
Muskelbenzin Kohlenhydrate periodisieren
Bei der periodisierten Kohlenhydrat-(KH)-aufnahme werden die Menge und die Art der täglichen Kohlenhydratzufuhr auf die Belastungen abgestimmt (Tabelle 2). Diese Art der Kohlenhydratversorgung stammt aus dem Leistungssport. Um sie auf Dauer und Intensität der Therapieeinheiten anzupassen, ist eine intensive Zusammenarbeit im Therapeutenteam unter Einbeziehung der individuellen Therapiepläne notwendig. Eine optimal abgestimmte KH-Zufuhr vermindert das Anstrengungsempfinden und verstärkt so Motivation und Durchhaltewillen. Sie hält besonders bei kardio-orientierten Trainingsformen die Substratversorgung für die Muskelkontraktion und die mentalen Anforderungen aufrecht. Auch erleichtert sie das Gewichtsmanagement während und nach der Reha. Eine ausreichende KH-Verfügbarkeit unterstützt zudem die Proteinsynthese und die Regeneration nach anstrengenden Therapieeinheiten. Die regelmäßige Abstimmung des Verzehrs KH-reicher Lebensmittel auf die Belastungsfaktoren während der Reha befähigt Rehabilitanden, ihre Lebensmittelauswahl an Tagen ohne größere körperliche Aktivität so zu gestalten, dass sowohl eine verringerte Energieaufnahme als auch lange „Insulinpausen“ erzielt werden. Daraus können positive Effekte auf das ektope Fett und die Insulinsensitivität resultieren.
Rote-Bete-Saft – der Gefäßturbo
Nitrat wird von Athleten verwendet, um aerobe Trainingsbelastungen zu beeinflussen. Nitrat, z. B. aus Rote-Bete-Saft, kann die Gefäßfunktionen verbessern. Nährstoffe können leichter transportiert werden. Aktuelle Übersichtsarbeiten kommen zu dem Schluss, dass besonders Wenig- und Untrainierte bei gesteigerten Trainingsumfängen von Rote Bete/anorganischem Nitrat profitieren können. Die verstärkte vasodilatatorische Reaktion auf eine Nitrataufnahme kann damit auch im Reha-Prozess das Durchhalten bei ungewohnten Trainingsbelastungen erleichtern und die Motivation steigern. Die meisten Rehabilitanden weisen mit zunehmendem Alter arterielle Versteifung, beeinträchtigte Vasodilatation und endotheliale Dysfunktion auf. Nitrat kann über eine verbesserte endothelial vermittelte Vasodilatation zu einem niedrigeren Blutdruck führen. Besonders bei Nitrat gilt der „Food First“-Ansatz. Lebensmittel mit hohem NO3-Gehalt scheinen wirksamer zu sein als die Aufnahme von isoliertem, anorganischem Nitrat. Nitrat kann sowohl singulär zu Beginn eines Reha-Trainings als auch über mehrere Tage am Stück als ergänzende Maßnahme mit Dosierungen von ca. 500 mg pro Tag eingesetzt werden. Diese Menge ist, leicht dosierbar, ca. in einem 500 ml Päckchen Rote-Bete-Saft enthalten. Auch Rucola, Spinat und Blattsalate enthalten relevante Nitratmengen.
Körpereigene Pufferkapazität erhöhen
Bei zahlreichen Therapieeinheiten ist mit einer starken Laktatproduktion in der Muskulatur zu rechnen. Wird das Laktat nicht effektiv abgepuffert, kann es zum vorzeitigen Abbruch der Trainingseinheit und verlängerten Regenerationsprozessen kommen. Eine niedrige Pufferkapazität vergrößert zudem das Risiko von Mikroläsionen und Muskelkater. Je höher die körpereigene Pufferkapazität, desto effektiver können die im Trainingsplan vorgegebenen Einheiten absolviert werden. Auch die Erholungsfähigkeit wird unterstützt. Über Mineralwasser aufgenommenes, natürliches Hydrogencarbonat kann die Pufferkapazität schnell und effektiv erhöhen. Dieser auch als Soda-Loading bekannte Effekt ist in vielen Sportarten etabliert. Bereits ein 14-tägiger Konsum von täglich zwei Litern hydrogencarbonatreichem Mineralwasser erhöht die Pufferkapazität im Körper nachweisbar. Eine basenreiche Basisernährung und der regelmäßige Verzehr eines hydrogencarbonatreichen Mineralwassers sind daher auch im Reha-Prozess empfehlenswert. Für eine basenreiche Basisernährung sind fünf Portionen Gemüse und Obst am Tag das Minimum. Um eine wirksame Unterstützung des Puffersystems in zeitlicher Nähe zum Training zu ermöglichen, sollte der Hydrogencarbonatgehalt eines Mineralwassers mindestens 1.000 mg pro Liter betragen. Leitungs-/Trinkwasser ist faktisch hydrogencarbonatfrei. Da Mineralwasser von Natur aus neben Hydrogencarbonat auch die basisch wirkenden Mineralstoffe Calcium und Magnesium enthält, ist es für die Säure-Basen-Balance besonders effizient. Wenn es die entsprechend der Mineral- und Tafelwasserverordnung zur Auslobung notwendigen Mindestmengen an Magnesium (mind. 50 mg/L), Calcium (mind. 150 mg/L) und Hydrogencarbonat (mind. 600 mg/ Liter) enthält, umso besser. In der schweißtreibenden Rehabilitation ideal ist dabei ein Calcium-Magnesium-Verhältnis von 2:1 wie z. B. in Rosbacher Mineralwasser, da diese Mineralstoffe mit dem Schweiß in diesem Verhältnis ausgeschieden werden. Mineralstoffreiches Mineralwasser kann zudem kalorienfrei einen nennenswerten Beitrag zur Bedarfsdeckung an diesen wichtigen Mineralstoffen leisten. Damit kann die Versorgung mit Calcium und Magnesium während und nach der Reha auch bei einer gezielten Gewichts- bzw. Körperfettreduktion auf natürlichem Wege sichergestellt werden.
Fazit
Zahlreiche Ernährungsstrategien, die von Sportlern zur Leistungsunterstützung angewendet werden, empfehlen sich für den Einsatz in der muskuloskelettalen Rehabilitation. Grundsätzlich gilt der „Food-First“-Ansatz. Ein mineralstoffreiches Mineralwasser als Basisgetränk unterstützt den Reha-Prozess und hilft, schweißbedingte Elektrolytverluste kalorienfrei auszugleichen.
Autoren
ist Ernährungswissenschaftler, zertifizierter Ernährungsberater und Vorstandsmitglied im Deutschen Institut für Sporternährung e.V. Bad Nauheim
(www.dise.online). Er besitzt Lehraufträge für Sporternährung an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, der Fachhochschule Münster und der Hochschule Fresenius. Zudem war er zweiter Vorsitzender des Zentralverbands ambulanter Therapieeinrichtungen (ZAT) Deutschland e.V.
ist Ernährungswissenschaftler und Mitglied des Vorstandes im Deutschen Institut für Sporternährung e.V. Bad Nauheim. Im Rahmen der sportmedizinischen Betreuung der Sportklinik Bad Nauheim berät er Leistungs- und Hochleistungssportler sowie Freizeit- und Breitensportler. Er hat einen Lehrauftrag an der Hochschule Fresenius und ist Dozent an der Darmstädter Akademie für Gesundheit und Sport (DAGeSp) der TU Darmstadt.