Die Zukunft der Einlagenversorgung kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet werden. Neben dem technologischen Fortschritt und der Entwicklung und Innovation von Materialien und Fertigungstechniken, ist auch die Betrachtung aus therapeutisch begleitender Sicht nicht außer Acht zu lassen. Dieser Artikel soll einen Ausblick in zukünftige Konzeptmodelle geben, unter Beachtung der bisherigen Studienlage in der Einlagenversorgung, als auch der Trainingstherapie.
In Deutschland waren Einlagen im Jahr 2019 das meistverordnete Hilfsmittel (Quelle: 2. Bericht des GKV-Spitzenverbandes über die Entwicklung der Mehrkostenvereinbarungen für Versorgungen mit Hilfsmittelleistungen). Alleine 4,9 Millionen gesetzlich Versicherte wurden 2019 mit einer Einlage versorgt. Hinzu kommen zahlreiche privat Versicherte, als auch Selbstzahler, die orthopädische Einlagen ebenso nutzen. Ziel einer Einlagenversorgung ist es, eine vorhandene Fehlstellung bzw. Fehlbelastung des menschlichen Körpers weitestgehend zu reduzieren und die damit verbundene fehlerhafte Körperstatik zu verbessern.
Einlagenversorgung
Die Arten der Einlagen sind genau so vielfältig, wie auch ihre angegebenen Wirkungsweisen. Wir möchten uns hier darauf beschränken, im Allgemeinen von einer Einlagenversorgung im Sport zu sprechen. Dabei ist uns bewusst, dass dieses komplexe Thema dadurch eine einseitige Betrachtungsweise erhält, da ein therapeutisches Konzept im Alltag beginnt und im Sport zusätzlich Anwendung finden sollte.
Es besteht die Annahme, dass Fehlstellungen der unteren Extremitäten zu Veränderungen der kinematischen Ketten und damit auch der Körperstatik führen (Khamis et al., 2015). Aus biomechanischer Sicht ist eine kleine Veränderung des Bewegungsmusters mit großen Auswirkungen verbunden, in positiver als auch negativer Weise. Dadurch sind punktuelle Belastungsmaxima auf einer geringeren Fläche in den betroffenen Gelenken (Sprunggelenk, Knie, Hüfte) möglich, die immense Spätfolgen nach sich ziehen können (Lee et al., 2003; Salsich & Perman, 2007). So ist ein unikondylärer Gelenkverschleiß im Sprung- und Kniegelenk eine mögliche Folge von unbehandelten Fehlbelastungen (Levinger et al., 2013). Außerdem sind Wirbelsäulen- und Halteschäden als Spätfolge möglich (Ghasemi et al., 2016). Der menschliche Körper ist ein Meister der Kompensation, als auch des Ausgleichens. Hier entsteht auch die Ernsthaftigkeit des Problems. Die Betrachtung von Fehlstellungen beginnt meist erst, wenn symptomatische Beschwerden auftreten. Eine präventive Untersuchung erfolgt nur in den geringsten Fällen und zielt meist auf die Verbesserung der Lauftechnik ab, ohne das Behandeln von anatomischen Fehlstellungen. Die Notwendigkeit einer präventiven Untersuchung spiegeln sich in den Belastungsmaxima wider. Dabei ist zu beachten, dass beim Joggen schon das 2,3fache des Körpergewichts auf die aktiven und passiven Strukturen der unteren Extremitäten herrscht. Ändert sich die Art der Bewegung (schnelle Richtungswechsel, Sprünge, Landungen nach den Sprüngen, uvm), kann die Belastung deutlich über dem 5fachen des Körpergewichts liegen (Zadpoor & Nikooyan, 2012).
Die Quantität der Publikationszahlen im Bereich der Einlagenversorgung ist von 2010 bis 2018 um mehr als das 3-fache gestiegen. Die absoluten Zahlen zeigen jedoch auch hier noch eine geringe Publikationszahl, im Vergleich zu weiteren Forschungsfeldern der Medizin. Daher ist dieses Forschungsgebiet teilweise mit gegensätzlichen Aussagen und Fazit belastet. Die Bedeutsamkeit dieses Gebiets wächst jedoch stetig, um quantitativ und qualitativ klinische Aussagerelevanz zu erhalten.
Bisherige Studienuntersuchungen beschäftigten sich hauptsächlich mit der Plantaren Druckverteilung und wie diese mittels Einlagenversorgung beeinflusst werden kann. Im Fokus steht immer eine Schmerzreduktion bei Überlastungserscheinungen. Dabei spielen auch die Materialeigenschaften (wie die Shore-Härte) eine Rolle. Im Laufe der Zeit wandelte sich die Analyseform. Anstatt einer 2D Bewegungsanalyse wurde eine 3D Bewegungsanalyse implementiert. Da der Fuß als komplexestes Körperteil zu sehen ist, sind die Ergebnisse jedoch auch hier sehr variabel, aufgrund unzähliger unabhängigen Variablen.
Bonanno et al. (2017) schrieben in ihrer Metaanalyse einer Einlagenversorgung eine Minderung von Überlastungserscheinungen als auch Stressfrakturen zu. Schon 1986 zeigte Nigg et al. die Wirksamkeit einer medialen Gewölbestütze an verschiedenen Positionen von anterior zu posterior. Dabei wurde eine reduzierte Fußbewegung festgestellt, welche am größten unter dem Sustentaculum cali war. Die initiale Beineversion verringerte sich ebenso signifikant um 5°. Eine weitere Studie beschäftigte sich ebenfalls mit der medialen Längsgewölbeunterstützung. Diese Stütze resultiert in einer Erhöhung der Aktivität des M. Peroneus zusätzlich zur Beeinflussung der plantaren Druckverteilung. Die Autoren schlussfolgern damit eine mögliche sensomotorische Wirkweise in Sporteinlagen (Baur et al. 2003).
Klinisch relevante Untersuchungen sind bisher jedoch Mangelware, aufgrund ihrer aufwendigen Art. Hinzu kommt ihre Vergleichbarkeit. Aufgrund der Vielzahl von Beschwerdebildern der unteren Extremitäten ist die Varianz der Zielstellungen zur Behandlung eines Beschwerdebildes hoch. Jedoch ist festzuhalten, dass eine deutliche Schmerzreduktion aufgrund einer Schuheinlagenversorgung im Sport bei Überlastungsbeschwerden festgestellt worden ist (Hirschmüller, et al. 2008; Mayer et al. 2007), meist basierend auf Fragebögen.
Trainingstherapie
Um Fehlstellungen der unteren Extremitäten zu korrigieren, wird auch ein anderer Ansatz viel diskutiert: Die Wirkungsweise von Trainingsinterventionen zur Stabilisierung der intrinsischen Fußmuskeln (Mulligan & Cook, 2013). Dabei wird vor allem der Ausgleich von muskulären Dysbalancen zwischen Agonisten und Antagonisten, oder aber auch medio-laterale Unterschiede in den Fokus gerückt. Hier können Trainingsinterventionen zu einer Schmerzreduktion der betroffenen Körperregionen führen (Baldon et al. 2021). Über das Erkennen von muskulären Dysbalancen, können genau diese aufgrund von Trainingsinterventionen ausgeglichen werden. Ziel hierbei ist, über die sensomotorische Trainierbarkeit Fußfehlstellungen und Achsfehlstellungen zu korrigieren. Auch hier sind die Ergebnisse variabel.
Myer et al. haben im Jahr 2005 eine neuromuskuläre Trainingsintervention mit Mannschaftssportlern durchgeführt. Sie zeigten ein geringes Valgus als auch Varus Drehmoment im Knie und somit eine Verminderung der Verletzungsgefahr des vorderen Kreuzbandes. Wohingegen eine Trainingsintervention in Form von Krafttraining der unteren Extremitäten zu keiner Verbesserung von unikondylären Beschwerden im Kniegelenk führt (Bartholdy et al., 2017).
Ebenso ist eine Trainingsintervention positiv zu bewerten mit Blick auf chronische Sprunggelenksinstabilität (A.Lee& W.Lin, 2008). Neben dem Stabilitäts- und Krafttraining ist auch die Durchführung von Gangschulungen nicht zu vernachlässigen. Dafür wurden Patienten mit einer medialen Knieosteoarthritis untersucht. Lässt man diese 4 Monate gezielt mit nach außen rotierten Zehen gehen, verbessern sich die biomechanischen Parameter (Hunt et al. 2018).
Kombination als effektive Behandlungsstrategie? – Fazit
Studien zu einer kombinierten Einlagenversorgung und Trainingsintervention liegen bisher nicht vor. Genau hier ist die Chance, eine therapeutische Begleitung in die Praxis umzusetzen. Das Zusammenspiel von funktionellem Training und einer Korrektur der Beinachse mittels Einlagenversorgung könnte eine Vielzahl der auftretenden Überlastungserscheinungen besonders im Sport mindern. Bisherige Studien zeigen den jeweiligen Nutzen in ihren Bereichen auf. Somit ist entweder die Korrektur einer Varus/Valgus-Stellung in verschiedenen Gelenken möglich (Knie/Sprunggelenk), oder aber die gezielte Ansteuerung der Weichteilstruktur (Muskulatur) mittels Trainingsintervention, um Asymmetrien aufzuheben. In zahlreichen Bewegungsanalysen ist es auffällig, dass hier die Entscheidung zur Therapie nicht entweder oder sein kann. Dort geht es nur im Zusammenspiel, um die ganzheitlichen Asymmetrien der Patienten zu behandeln. Eine longitudinale, randomisierte Studiendurchführung mit verschiedenen Interventionsgruppen (Einlagenversorgung, Trainingsintervention) sollte somit durchgeführt werden, um eine klinische Relevanz der konservativen ganzheitlichen Behandlung der Patienten zu zeigen.
Literatur
Baldon, R. D. M., Serrão, F. V., Scattone Silva, R., & Piva, S. R. (2014). Effects of functional stabilization training on pain, function, and lower extremity biomechanics in women with patellofemoral pain: a randomized clinical trial. Journal of orthopaedic & sports physical therapy, 44(4), 240-251.
Bartholdy, C., Juhl, C., Christensen, R., Lund, H., Zhang, W., & Henriksen, M. (2017, August). The role of muscle strengthening in exercise therapy for knee osteoarthritis: a systematic review and meta-regression analysis of randomized trials. In Seminars in arthritis and rheumatism (Vol. 47, No. 1, pp. 9-21). WB Saunders.
Baur, H., Hirschmüller, A., Müller, S., & Mayer, F. (2003). Wirkungsweise von funktionellen Elementen der Schuheinlagenversorgung im Sport. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 54(11), 323-328.
Bonanno, D. R., Landorf, K. B., Munteanu, S. E., Murley, G. S., & Menz, H. B. (2017). Effectiveness of foot orthoses and shock-absorbing insoles for the prevention of injury: a systematic review and meta-analysis. British journal of sports medicine, 51(2), 86-96.
Ghasemi, M. S., Koohpayehzadeh, J., Kadkhodaei, H., & Ehsani, A. A. (2016). The effect of foot hyperpronation on spine alignment in standing position. Medical journal of the Islamic Republic of Iran, 30, 466.
Hirschmüller, A., Baur, H., Müller, S., Helwig, P., Dickhuth, H. H., & Mayer, F. (2011). Clinical effectiveness of customised sport shoe orthoses for overuse injuries in runners: a randomised controlled study. British Journal of Sports Medicine, 45(12), 959-965.
Hunt, M. A., Charlton, J. M., Krowchuk, N. M., Tse, C. T. F., & Hatfield, G. L. (2018). Clinical and biomechanical changes following a 4-month toe-out gait modification program for people with medial knee osteoarthritis: a randomized controlled trial. Osteoarthritis and cartilage, 26(7), 903-911.
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Mayer, F., Hirschmüller, A., Müller, S., Schuberth, M., & Baur, H. (2007). Effects of short-term treatment strategies over 4 weeks in Achilles tendinopathy. British journal of sports medicine, 41(7), e6-e6.
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Zadpoor, A. A., & Nikooyan, A. A. (2012). The effects of lower-extremity muscle fatigue on the vertical ground reaction force: a meta-analysis. Proceedings of the Institution of Mechanical Engineers, Part H: Journal of Engineering in Medicine, 226(8), 579-588.
Autoren
ist seit 2019 im Vertrieb für die IOS-Technik GmbH in Willich als Sportwissenschaftler tätig. Ebenso ist er seit 2020 Promovend an der Universität Paderborn (Fakultät für Naturwissenschaften, Department Sport & Gesundheit). Seine aktive Laufbahn als Zehnkämpfer, als auch sein Studium an der Deutschen Sporthochschule in Köln (B.Sc. Sport und Leistung, M.Sc. Human Technology in Sports and Medicine) mit weiterführenden
Trainertätigkeiten im Leistungssport der Leichtathletik, unterstreicht seine Expertise im Bereich der Bewegungswissenschaften.