Wir lesen und hören es immer wieder. Bei großen Wettkämpfen mit vielen Teilnehmern und Teilnehmerinnen kommt es zu medizinischen Notfällen, bis hin zum plötzlichen Herztod (SCD), sei es beim Triathlon, Marathon oder Radrennen.
Definition Plötzlicher Herztod beim Sport = SPORTS-RELATED SUDDEN CARDIAC DEATH (SrSCD oder SCD) Der SCD ist sportassoziiert, wenn er in direktem Zusammenhang mit einer sportlichen Tätigkeit steht, d. h. wenn er während oder bis max. 1 Stunde nach sportlicher Aktivität auftritt und nicht auf andere Ursachen zurückzuführen ist.
Interessant ist, dass dieses fatale Ereignis deutlich häufiger Männer als Frauen betrifft. Alle Daten, die man dazu findet, zeigen einen ganz klaren Unterschied: Männer erleiden sehr viel häufiger einen plötzlichen Herztod während des Sportes als Frauen. Das ist unabhängig davon, ob es sich um Athletinnen oder Freizeitsportlerinnen handelt, auch unabhängig vom Alter und von der Sportart. Je nach Studie kommt 1 Herztodereignis bei einer Frau auf bis zu 14 Ereignisse bei Männern [1 – 3].
Ursachen
Sind es nur die schützenden Hormone oder gibt es auch ein männliches Verhalten, das zu mehr Todesfällen führen kann? Die Ursachen für den geschlechterspezifischen Unterschied beruhen auf verschiedenen biologischen Faktoren und genetischen Polymorphismen, die noch nicht alle bekannt sind. Bei männlichen Masterathleten ist die Prävalenz von Vorhofflimmern, Koronarsklerose oder Myokardfibrose deutlich höher als bei Frauen. Eine mögliche Erklärung ist auch, dass Männer höhere Spitzenblutdrücke während eines intensiven Trainings aufweisen. Sind Männer ehrgeiziger und unvernünftiger oder kennen ihre Grenzen nicht? Nach den Daten von Deepthi Rajan [2] greifen Männer eher zu Medikamenten wie Analgetika oder nutzen leistungssteigernde Substanzen. Sie neigen häufiger zur Selbstüberschätzung und sind stärker wettbewerbsorientiert, was nicht selten zu Überanstrengung führt. Soziokulturelle Faktoren spielen eine Rolle, so z. B. Neigung zur „overexertion tendency“.Warnzeichen wie Brustschmerzen, Dyspnoe oder Infekte werden nicht ernst genommen oder komplett ignoriert. Immerhin ließen sich bei 50 % der Betroffenen rückblickend solche Symptome ermitteln. Auch bei vermeintlich gesunden Menschen kann ein gesundheitliches Risiko durch extreme Umgebungsbedingungen wie Kälte und Hitze verstärkt werden. Wichtig ist es über diese Risiken zu informieren und sich ab einem Alter von 35 Jahren regelmäßig auch kardiologisch checken zu lassen, beispielweise bei einer Sportvorsorgeuntersuchung.
Besonderheit Frau
Gehen Frauen das Training schonender an oder liegt es nur am Schutz der Hormone wie Östrogen, zumindest bis zu Menopause? In den vorliegenden Studiendaten wird deutlich, dass Frauen aufgrund ihrer geschlechtsspezifischen biologischen, hormonellen und physiologischen Merkmale besondere Risikofaktoren aufweisen. Bei Frauen ist nicht selten, auch mit genetischer Abklärung, keine Ursache des SCDs zu eruieren [4]. Bei Sportlern unter 35 Jahren überwiegen im deutschen Register strukturelle Herzerkrankungen, Koronaranomalien und Myokarditiden. Frauen zeigen andere Krankheitsbilder, mehr Kanalopathien und andere Rhythmuserkrankungen. Diese primär elektrischen Erkrankungen- „EKG-Erkrankungen“ – wie LongQT-Syndrom (LQTS), Brugada-Syndrom, oder die katecholaminerge polymorphe VT (CPVT) und andere angeborenen Arrhythmien manifestieren sich oftmals erst bei höherer körperlicher Belastung oder intensiven Training, was die Diagnose in der Regel verzögert [5]. Zusätzliche QT-Zeit-Verlängerung, sei es medikamentenassoziiert (Psychopharmaka) oder durch Elektrolytverschiebungen, sollen vermieden werden. Um die Bedeutung kardialer Kanalopathien noch besser bestimmen zu können, sind in Zukunft Studien mit molekularen Autopsien nach SrSCD-Fällen bei Frauen erforderlich. Obacht geben sollte man auf einen Mitralklappenprolaps (MKP oder MVP) mit assoziierten Herzrhytmusstörungen. Besonders häufig sind jüngere Frauen von einem so genannten malignen Mitralklappenprolaps-Syndrom betroffen. Bei der arrhythmogenen Form des MKP wird eine familiäre Häufung bei genetischer Prädisposition vermutet.
Diese Beschwerden können Vorboten sein:
- Palpitationen
- Synkopen/ Präsynkopen
- polymorphe ventrikuläre Extrasystolen unter Belastung
- ventrikuläre Tachycardien
Die Standartdiagnostik, die oft nur ein Ruhe- EKG enthält, muss bei Auffälligkeiten oder Beschwerden unbedingt erweitert werden um ein Belastungs-EKG und eine zweidimensionale Echokardiographie. Ergänzend kann gelegentlich ein Kardio-MRT notwendig werden, um eine Myokardfibrose auszuschließen. Diese Fibrose, und eine gleichzeitige Inflammation, gilt beim MKP-Syndrom typischerweise als Risikofaktor für maligne Herzrhythmusstörungen [6]. Treten Beschwerden – egal welcher Art- beim Training oder Wettkampf auf, bitte auf den Körper hören und besser eine Pause einlegen und checken.
Gerade bei Risikopersonen (Sportler mit Vorerkrankungen, ältere Sportler und Sportlerinnen sowie Personen die lange keine Sport gemacht haben) sind Sportvorsorgeuntersuchungen mit entsprechenden Trainingsempfehlungen sinnvoll. Zum Risikoassesment bei Wettkämpfen gehört auch ein guter Notfallplan.
Fazit
- Angesichts der geschlechterspezifischen Unterschiede ist es sinnvoll, die Sportvorsorgeuntersuchgen gezielt zu differenzieren.
- Männer und Frauen sollten nicht nur nach belastungsabhängigen Symptomen, sondern besonders auch nach einer positiven Familienanamnese befragt werden.
- Frauenspezifische kardiovaskuläre Risikofaktoren können mittels eines standardisierten Fragebogens eruiert werden, der u. a.: polyzystischem Ovarialsyndrom (PCOS), Schwangerschaftshypertonie, Schwangerschaftsdiabetes und Präeklampsie, vorzeitiger Menopause (vor 45. Lebensjahr) und Schwankungen des Rhythmus des Menstruationszyklus abfragt.
Literatur
- Marijon E, Bougouin W, Celermajer DS, Périer MC, Dumas F, Benameur N, Karam N, Lamhaut L, Tafflet M, Mustafic H, de Deus NM, Le Heuzey JY, Desnos M, Avillach P, Spaulding C, Cariou A, Prugger C, Empana JP, Jouven X. Characteristics and outcomes of sudden cardiac arrest during sports in women. Circ Arrhythm Electrophysiol. 2013 Dec;6(6):1185-91. doi:10.1161/CIRCEP.113.000651. Epub 2013 Nov 4. PMID: 24190898.
- Deepthi Rajan, Rodrigue Garcia, Jesper Svane, Jacob Tfelt-Hansen, Risk of sports-related sudden cardiac death in women, European Heart Journal, Volume 43, Issue 12, 21 March 2022, Pages 1198–1206, https://doi.org/10.1093/eurheartj/ehab833
- Castelletti S, Gati S. The Female Athlete’s Heart: Overview and Management of Cardiovascular Diseases. Eur Cardiol. 2021 Dec 2;16:e47. doi: 10.15420/ecr.2021.29. PMID: 34950243; PMCID:
PMC8674625. - Weizman O, Empana JP, Blom M, Tan HL, Jonsson M, Narayanan K, Ringh M, Marijon E, Jouven X; ESCAPE-NET Investigators. Incidence of Cardiac Arrest During Sports Among Women in the European
Union. J Am Coll Cardiol. 2023 Mar 21;81(11):1021-1031. doi:10.1016/j.jacc.2023.01.015. PMID: 36922087. - Tardo DT, Papadakis M. Are the Cardiovascular Benefits and Potential Risks of Physical Activity and Exercise Dependent on Race, Ethnicity, or Sex? Can J Cardiol. 2025 Mar;41(3):456-469. doi: 10.1016/j.cjca.2024.11.013. Epub 2024 Nov 14. PMID: 39547410.
- Muthukumar L et al. Association Between Malignant Mitral Valve Prolapse and Sudden Cardiac Death A Review. JAMA Cardiol. 2020; doi:10.1001/jamacardio.2020.1412
Autoren
ist Fachärztin für Kardiologie, Innere Medizin, Sportmedizin/Sportkardiologie Level 3 mit eigener Praxis (KardioPro) in Düsseldorf. Sie ist Autorin des Buches „Sportherz und Herzsport“. Zusammen mit PD Dr. med. Pascal Bauer (Sprecher der AG32 Sportkardiologie der DGK) und Dr. med Katrin Esefeld (TUM München, Mitglied des Nucleus der AG 32) hat sie als Mandatstragende der Leitliniengruppe die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie-Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK) vertreten.
Foto: © MAX SONNENSCHEIN