Die Sonographie gehört zu den wichtigsten diagnostischen Werkzeugen in der Sportmedizin. Hochauflösende Systeme bieten eine faszinierende detaillierte Darstellung kleinster Strukturen. Dank mobiler Geräte ist die Verfügbarkeit der Ultraschalldiagnostik schon auf oder am Spielfeld möglich. Moderne Handheld-Scanner, die mit dem Smartphone oder einem Tablet verbunden werden, liefern sehr gute Bilder und bieten interessante Tools wie Doppler- oder Kompressions-Elastographie-Funktionen.
Seit einigen Jahren wird die Technik der Scherwellen-Elastographie zunehmend verwendet, speziell in der Leber- und Mamma-Diagnostik [1 – 3]. Bildlich kann man sich die Scherwelle als die Ringe auf der Wasseroberfläche vorstellen, die bei einem Steinwurf ins Wasser entstehen. Es handelt sich also um eine Welle, die quer zum eigentlichen Ultraschallsignal verläuft. Das besondere an der Scherwellen-Elastographie ist, dass mit ihr die physikalische Eigenschaft der Elastizität bzw. Steifigkeit quantifiziert werden kann. Die Werte werden entweder als Druckeinheit (kPa) oder als Geschwindigkeit (m / s) abgebildet. Dabei gilt, je höher der Wert, desto höher die Steifigkeit der Struktur.
Diagnostik am Bewegungsapparat
Es liegt nahe, diese Funktion auch zur Diagnostik am Bewegungsapparat einzusetzen. Die Anzahl der wissenschaftlichen Studien zur Scherwellen-Elastographie am Bewegungsapparat sowie deren praktische Applikationen nimmt rasant zu. Wir wollen mit den folgenden Überlegungen und Fallbeispielen aufzeigen, warum die Scherwellen-Elastographie am Bewegungsapparat langfristig eine derzeit bestehende diagnostische Lücke schließen könnte.
Eine zunehmende Dehnung eines Muskels oder einer Faszie lässt eine Zunahme der Steifigkeit der Struktur erwarten. In einem Modell kann dies anhand der Faszia thorakolumbalis nachvollzogen werden. Wir haben die Steifigkeit der Faszia thorakolumbalis standardisiert in verschiedenen Positionen untersucht (Neutralstellung, Hüftflexion mit gestreckten Beinen 45°, zusätzliche maximale thorakale Flexion). Die zu erwartende Zunahme der Steifigkeit der Faszia thorakolumbalis kann in diesem Modell gezeigt werden (Abb. 1 – 3). In einem weiteren Modell haben wir den M. adductor longus in unterschiedlichen Abduktionswinkeln untersucht. Auch in diesem Modell ist die Zunahme der Steifigkeit des M. adduktor longus mit zunehmender Abduktionsstellung nachweisbar (Abb. 4 – 6). Lässt man den Patienten aus der Vordehnung maximal isometrisch anspannen, so resultiert eine höhere Steifigkeit im M. adduktor longus bei 45° Abduktion im Vergleich zur 85° (Abb. 7 + 8). Dieses Ergebnis ist unter Beachtung des Prinzips der optimalen Kraftentwicklung eines Muskels bei optimaler Vordehnung ebenfalls logisch.
Die Korrelationen vermehrte Dehnung einer Struktur oder vermehrte muskuläre Anspannung / Kraft gleich erhöhte Steifigkeit eröffnen uns diverse Möglichkeiten in der Diagnostik unserer Patienten und Sportler, wie wir anhand der folgenden Beispiele demonstrieren wollen. Die Steifigkeitswerte sind farblich über dem B-Bild hinterlegt. Wir haben die Darstellung so gewählt, dass niedrige Steifigkeitswerte blau und hohe rot wiedergegeben werden.
Fall 1 (Abb. 9 a + b): Fußballspieler 2. Bundesliga mit Adduktorenschmerzen links, klinischer Untersuchungsbefund mit erhöhtem Muskeltonus im M. adduktor longus, im Ultraschall B-Mode keine strukturelle Läsion detektierbar, in der Scherwellen-Elastographie findet sich eine erhöhte Steifigkeit im linken M. adductor longus in Neutralposition. Nach Behandlung durch den Physiotherapeuten ist der Spieler nach zwei Tagen wieder voll in der Lage, ins Mannschaftstraining einzusteigen.
Fall 2 (Abb. 10 a – d): Fußballspieler, 2. Bundesliga, Beschwerden an der rechten Wade nach Sprungbelastungen, im MRT zeigt sich eine kleine fasziale Verletzung zwischen M. gastrocnemius und M. soleus. Trotz intensiver physiotherapeutischer Therapie nach drei Wochen weiterhin Beschwerden und nicht vollumfänglich trainingsfähig. In der Scherwellen-Elastographie zeigt sich eine erhöhte Steifigkeit des Faszienabschnitts. Nach einmaliger Injektion der Region mit Procain und Traumeel sofortiges Nachlassen der Steifigkeit in der Faszie, drei Tage später voll trainingsfähig.
Fall 3 (Abb. 11 a + b): Patientin mit linksseitiger retropatellarer Arthrose und Lateralisation der Patella, in der Scherwellen-Elastographie zeigt sich unter isometrischer Anspannung des Quadriceps ein verminderter Steifigkeitszuwachs des linken M. vastus medialis im Vergleich zur Gegenseite. Intensives Ansteuerungstraining des M. vastus medialis wurde empfohlen.
Fall 4 (Abb. 12 a – c): Patient mit linksseitigen lumbalen Beschwerden im Sinne einer Hypomobilität, in der Scherwellen-Elastographie vermehrte Steifigkeit der Faszia thorakolumbalis. Nach myofaszialen Therapien der LWS und des Beckens zeigt sich keine wesentliche Verringerung der Steifigkeit der Faszia thorakolumbalis. Nach Manipulation der Facette L5 / S1 links zeigt sich die Steifigkeit der Faszia thorakolumbalis deutlich reduziert.
Die dargelegten Fallbeispiele geben einen ersten Einblick, die uns Therapeuten mit der Scherwellen-Elastographie eröffnet werden. Zum einen bietet die Scherwellen-Elastographie die Möglichkeit, myofasziale Dysfunktionen in kürzester Zeit zu objektivieren und zu quantifizieren. Das Verfahren stellt daher eine sinnvolle Ergänzung zur subjektiveren manuellen Palpation dar. Es können sowohl Steifigkeitsunterschiede in passiven Bewegungen als auch aktive Muskelbewegungen bewertet werden. Dieses kann und sollte Einfluss auf die Therapieplanung und -steuerung haben. Für uns ist der Biofeedback-Aspekt ein weiterer wichtiger Vorteil der Methode. Gerade seitendifferente Befunde können durch die farbkodierte Darstellung der unterschiedlichen Steifigkeiten von den Patienten und Sportlern gut nachvollzogen werden und erhöhen die Compliance für die Therapie.
Die Forschung bezüglich der Scherwellen-Elastographie befindet sich erst im Anfangsstadium [4 – 6]. Wir lernen hinsichtlich der Interpretation der Befunde und deren Therapiekonsequenzen täglich dazu. Normwerte für die Faszien und Muskeln (alters-, geschlechts-, gewichts- und positionsabhängig) liegen noch nicht ausreichend vor. Aber der Einsatz der Scherwellen-Elastographie im Alltag lohnt sich schon jetzt.
Literatur
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- Sporea I, Gilja OH, Bota S, Şirli R, Popescu A.: Liver Elastography – an update. Med Ultrason. 2013 Dec;15(4):304-14
- Gkali CA, Chalazonitis AN, Feida E, Sotiropoulou M, Giannos A, Tsigginou A, Dimitrakakis C. Breast Elastography: How We Do It. Ultrasound Q. 2015 Dec;31(4):255-61.
- Snoj Ž, Wu CH, Taljanovic MS, Dumić-Čule I, Drakonaki EE, Klauser AS.: Ultrasound Elastography in Musculoskeletal Radiology: Past, Present and Future. Semin Musculoskelet Radiol. 2020 Apr;24(2):156-166.
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- Stiver ML, Mirjalili SA, Agur AMR.: Measuring Shear Wave Velocity in Adult Skeletal Muscle with Ultrasound 2-D Shear Wave Elastography: A Scping Review. Ultrasound Med Biol. 2023 Jun;49(6):1353-1362.
Autoren
ist Facharzt für Orthopädie, Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie, Osteopathie-Diplom (DAAO). Er ist tätig im MVZ Argon in Hamburg und betreut diverse Sportler und Sportveranstaltungen, u. a. seit 2017 Mannschaftsarzt der Fußball-Bundesligamannschaft des FC St. Pauli und seit 2009 leitender Turnierarzt des Tennisturniers ATP 500 am Hamburger Rothenbaum.
ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie. Er ist Gründer und Leiter des interdisziplinären Ortho Zentrum HafenCity in Hamburg. Seit über 20 Jahren Betreuung von Kader- und Profisportler, u. a. 2001 – 2016 Mannschaftsarzt der Hamburg-Freezers in der DEL und 2004-2014 Feldhockey-Nationalmannschaft
ist Arzt und Physiotherapeut. Er ist seit 2023 Mannschaftsarzt beim FC Red Bull Salzburg und Mitarbeiter der Sportmedizin des BG-Klinikum Hamburg. Außerdem von 2014–2022 physiotherapeutische und mannschaftsärztliche Tätigkeit beim FC St. Pauli, seit 2018 Turnierarzt diverser Tennisturniere der ATP und WTA, seit 2022 Verbandsarzt des Deutschen Leichtathletik-Verbands.