Deutschland steht momentan vor schwierigen Weichenstellungen. Die Bundesregierung trifft in diesen Wochen Entscheidungen, die nicht immer populär sind – oft aber notwendig, um die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf Strom- und Gaspreise erträglich zu gestalten und die Bundesländer in die Lage zu versetzen, das Gesundheitssystem vor den Folgen steigender COVID-Infektionen zu schützen.
Wir als Sport- und Gesundheitspolitiker sind uns einig, dass Sport und Bewegung aufgrund der aktuellen Krisen nicht unter die Räder kommen dürfen, denn ihr Wert für gesellschaftlichen Zusammenhalt und gesundheitliche Prävention ist kaum zu unterschätzen. In den Regierungsfraktionen haben wir daher seit der letzten Bundestagswahl wichtige Unterstützungen auf den Weg gebracht und freuen uns auf die kommenden Initiativen der Bundesregierung. Beispielsweise hat der Deutsche Bundestag für das Programm „ReStart – Sport bewegt Deutschland“ dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) 25 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um ehrenamtlich Engagierte, Sportvereine und Fachverbände nach der Corona-Pandemie zu stärken. Damit werden Trainer, Übungsleiter und Engagierte fortgebildet, Bürger erhalten Sportchecks und Kommunen können Sportboxen aufstellen.
Rendite für Gesellschaft und Gesundheitssystem
Doch warum ist uns das in Zeiten angespannter Haushalte so wichtig und können wir uns das überhaupt leisten? Die gesundheitliche und gesellschaftliche Rendite von Bewegung rechtfertigen die dringend notwendigen Investitionen allemal. Studienergebnisse nach den ersten Corona-Jahren zeigen, dass körperliche Aktivität erstaunlichen Schutz vor einer Erkrankung mit Covid-19 entfalten kann. Eine Untersuchung in Großbritannien kam zu dem Schluss, dass diejenigen, die sich entsprechend der WHO-Empfehlung 150 Minuten oder mehr pro Woche moderat sportlich bewegen, weniger infektiös sind und um ein Drittel seltener an schweren Verläufen leiden. Noch wichtiger sowohl für die Betroffenen als auch für das Gesundheitssystem: Hospitalisierungen und Mortalität fielen erheblich geringer aus. Die Fitten blieben also gesünder. Dazu kommt, dass Bewegung auch bei der Heilung helfen kann. Im Rehabilitationssport können erste Angebote für die Behandlung von post-infektiösen Langzeitsyndromen wie Post- oder Long-Covid gemacht werden – obwohl diese Erkrankung mit ihren heterogenen Ausprägungen noch weiterer Erforschung bedarf.
Vor diesem Hintergrund bin ich sehr gespannt auf den Bewegungsgipfel, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser am 13. Dezember dieses Jahres ausrichten wird. Von der Erkenntnis getragen, dass Sport eine sektorübergreifende, gesellschaftliche Aufgabe ist, werden dort auf höchster Ebene Ministerinnen und Minister mit Verbänden, Vereinen und Kommunalvertretern zusammenkommen. Am Ende sollen konkrete Handlungsverpflichtungen für die Teilnehmenden des Gipfels stehen, um den Menschen, egal ob alt oder jung, und unabhängig von ihren sozialen Hintergründen Bewegungsangebote machen zu können. Hinter diesem Ziel stehe ich voll und ganz.
Das Gesundheitsministerium wird an den Bewegungsgipfel mit einer Reihe von Veranstaltungen unter dem Stichwort „Runder Tisch Bewegung und Gesundheit“ anknüpfen. Bis in das kommende Jahr hinein sollen dabei die Möglichkeiten für Sport und Bewegung in allen Altersgruppen untersucht werden, um die Angebote zu verbessern. Denn Spaß und Gesundheit durch Sport sollten nicht nur denjenigen zur Verfügung stehen, die es sich leisten können oder die im vermeintlich richtigen Alter sind. Aber wie immer gilt das Motto „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, denn in Kindheit und Jugend werden die Grundlagen für den Spaß an der Bewegung gelegt. Kinder gewöhnen sich so nicht nur an die körperliche Anstrengung, sondern lernen auch Teamgeist und sich an Regeln zu halten. Alle Kinder sollten durch gute Schulsportangebote Zugang dazu haben, auch wenn die Eltern den Vereinssport (noch) nicht selbst auf dem Schirm haben.
Länder müssen ihrer Verantwortung nachkommen
An dieser Stelle kommen auch die Bundesländer ins Spiel. Sie stehen in der Verantwortung, für eine ausreichende Menge Stunden Sport in der Schulwoche zu sorgen. Eine Forderung, die leider schon seit den Siebzigerjahren besteht. Außerdem müssen die Länder ihre Städte und Kommunen finanziell in die Lage versetzen, Sporthallen und Schwimmanlagen instand zu halten und energetisch zu sanieren. Dafür stellt der Bund im Rahmen des Förderprogramms zur Sanierung in den Bereichen Sport, Jugend und Kultur (SJK) freiwillig die Rekordsumme von 467 Millionen Euro zur Verfügung. Die Sanierung der Sportstätten ist aber eigentlich Ländersache, deshalb wird zu Recht ein lokaler Eigenanteil verlangt.
Die kommenden Monate bieten viele Chancen: Die Chance, dem Sport eine große öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen und somit für seine positive Wirkung zu werben. Die Chance, Stakeholder zur Schaffung von Bewegungsangeboten auf allen Ebenen zu verpflichten. Und die Chance, mit Rehabilitationssport-Angeboten Patienten aus dem Fatigue-Syndrom und anderen Post-COVID-Beschwerden herauszuführen.
Insgesamt verbinde ich mit meinem Engagement für die Sportpolitik die Hoffnung, dass wir Mediziner langfristig weniger Patienten behandeln, die an vermeidbaren Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht leiden. Und dafür vielmehr mit Menschen zu tun haben, die sich auf Sport und Bewegung freuen und das nächste Training kaum erwarten können.
Autoren
ist seit 2021 Bundestagsabgeordneter für die Altmark. Zudem ist er Facharzt
für Innere Medizin, Kardiologie, Radiologie und Strahlenheilkunde und führt die Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Rettungsmedizin. Nach seiner Tätigkeit als Leitender Oberarzt ließ er sich kassenärztlich nieder. Er war ärztlicher Leiter eines MVZ und ist neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter in Teilzeit im MVZ für Allgemeinmedizin in Stendal tätig. Von 1994 bis 1999 und erneut seit 2014 ist er Stadtrat der Hansestadt Stendal und war dort Fraktionsvorsitzender der Fraktion SPD/FDP/ Ortsteile. Foto: © DBT/ Stella von Saldern