Die Ruptur der Achillessehne kann für einen Profi-Sportler das Karriereende bedeuten. Eine zielgerichtete Rehabilitation ist notwendig um einem möglichen Comeback die besten Voraussetzungen zu schaffen. Dieser Artikel stellt eine praktische Einführung dar und ist übertragbar in jeglichen Leistungssport. Zunächst soll einleitend ein Einblick in den Bereich Epidemiologie und Pathophysiologie gegeben werden, bevor die passenden Maßnahmen beschrieben werden.
Epidemiologie und Pathophysiologie
Das durchschnittliche Alter eines Profi-Basketballers in der National Basketball Association (NBA) beträgt 28,3 Jahre zum Zeitpunkt der Ruptur. Die Betroffenen sind erfahrene Spieler, welche schon knapp sieben Saisons professionell gespielt haben.
Verletzungen passieren öfter zu Beginn einer Saison, nach der Pre-Season. 36 % kommen nicht zurück oder spielen weniger als zehn Spiele. Diese Athleten haben ein relativ hohes Durchschnittsalter mit 32,2 Jahren. 21 % der Verletzungen führen zum vollständigen Karriereende. Achillessehnenrupturen haben die geringste Comebackrate im Vergleich zu VKB-, Meniskus- oder Sprunggelenksverletzungen. Ein „Return to play“ ist nach 10,5 Monaten zu erwarten. Bei Freizeitsportlern wird eine wesentlich kürzere Dauer beschrieben. Zellers et al. [17] sprechen von sechs Monaten. Der Belastungsumfang und die eventuelle Problematik, werden bei dieser Angabe jedoch nicht beschrieben. Betroffene Profiathleten haben eine geringere Leistung (Player Efficency Rating –2,9) nach ihrem Comeback. Achillessehnenrupturen passieren meist ohne Kontakt beim Abdrücken oder Loslaufen [1, 2, 9, 12].
Überblick Reha
- Erste Hilfe
- Operation
- Vacoped Orthese für 6 Wochen; Gehstützen für mindestens 2 Wochen
- Joggen nach 12 Wochen (3 Monaten)
- Sprünge nach 6 Monaten
- Vollkontakt/Wettkampf nach 10 – 12 Monate
Erste Hilfe – Hochlagern, Kompression, Eis? und mentale Unterstützung
Die gängigen Richtlinien für die Akuthilfe sind:
- RICE (Rest, Ice, Compress, Elevate)
- PRICE (Protect, Rest, Ice, Compress, Elevate)
- POLICE (Protect, Optimal Loading, Ice, Compression, Elevate)
- PEACE & Love (Protection, Elevation, Avoid Anti-Inflamatories, Compression, Education & Load, Optimism, Vascularisation, Exercise)
Diese Richtlinien umfassen zum Teil auch den weiteren Rehaverlauf einer akuten Verletzung. Gemeinsam haben alle Konzepte jedoch die Hochlagerung und Kompression.
Tipp aus der Praxis
Erfahrungsgemäß haben sich folgende Maßnahmen im Akutgeschehen bewährt:
- Direkte Kühlung für maximal 20 – 30 min
- Kompression!
- Hochlagerung & Entlastung durch Gehstützen
- Eis nicht direkt auf die Haut (Kritische Betrachtung von der exzessiven Kältespray Anwendung). Dies kann zu Kälteverbrennungen führen
- Mentale Unterstützung: Ein bewusstes Führen und Unterstützen des Verletzten ist ein nicht zu verkennendes Kriterium. Es kann der Grundstein für eine optimal organisierte Reha sein.
Operative Therapie
Diemer und Sutor [7] beschreiben drei unterschiedliche Methoden. Bei der „Offene Rekonstruktion“ wird ein 10 cm langer Hautschnitt medial der Sehne gesetzt. Bei der „Mini-Open OP“ wird nur ein kleiner Zugang zur Sehne geschnitten. Die „Perkutane OP“ arbeitet mit mehreren, kleinen Zugängen. Bei allen drei Varianten wird die Sehne mittels unterschiedlicher Technik zusammengenäht.
Reha Phase 1 – Kontrolle der Entzündung
Eine Entzündung ist ein notwendiger Prozess in der Heilung von Gewebe. Jedoch kann die Entzündung überschüssig sein und so den Rehaverlauf unnötig in die Länge ziehen. Ziel ist es also, diese Entzündung zu kontrollieren, um nach sieben bis zehn Tagen in Reha Phase zwei zu gelangen.
Ziele
- Kontrolle der Entzündung
- Patientenmanagement
- Beendet, wenn keine Ruhe- & Nachtschmerz sowie keine Temperaturdifferenz > 2°C nach ca. 7 – 10 Tagen
Maßnahmen
- Messung der Hauttemperatur
- Bei > 2°C Seitendifferenz medikamentöse Therapie und Eis (Kühlung durch Eisanwendung, z. B. Cold Packs und Eiswürfel)
- Individuelle Maßnahmen zur gesunden Ernährung
- Manuelle Behandlung des restlichen Körpers
- Lymphdrainage
- CAVE: Schuherhöhung auf der gesunden Seite!
Reha Phase 2 – Zurück zum Gehen
Wenn die Entzündung weitgehend abgeklungen ist, sollte der Patient in ein möglichst physiologisches Gangbild begleitet werden. Nach sechs Wochen wird eine Vollbelastung ohne Orthese erwartet.
Ziele
- Gewebsheilung unterstützen
- Starke Muskelatrophie verhindern
- Vollbelastung nach sechs Wochen
Maßnahmen
- Vacoped Orthese mit Fersenerhöhung für: 2 Wochen 30 °; 2 Wochen 20° und 2 Wochen 10°
- Anschließend evtl. Einlagen für die Sportschuhe
- Gehstützen mit 20 Kg Teilbelastung für 2 Wochen, dann Übergang zur Vollbelastung
- Manuelle Mobilisation nur im jeweils freigegebenen Maß
- Training angrenzender Muskulatur
- Coretraining; Kraft- Ausdauertraining Oberkörper (Abb. 1)
Reha Phase 3 – Zurück zum Joggen Abb. 7
In der dritten Rehaphase ist dann das Joggen das Ziel (Abb. 2). Voraussetzung hierfür ist das Bestehen des Y-Balance Tests (Abb. 3). Dies kann ab dem dritten Monat Post-OP möglich sein.
Ziele
- Gelenkbeweglichkeit verbessern
- Gangbild normalisieren
- Kräftigung atrophierter Muskulatur
- Joggen nach ca. 3 Monaten auf 8 – 10 km/h für 5 – 10 min
Test
- Y-Balance Test (5 % maximal Seitendifferenz zum Bestehen des Testes) [13] (Abb. 3).
Maßnahmen/Übungen:
- Training der Beinmuskulatur, welche nicht direkt mit der Achillessehne verbunden ist (z. B. Glutealmuskulatur, Extensoren des Fußes)
- Isometrisches Training der Wadenmuskulatur
- Landemechanismen des Fußes
- Blood Flow Restriction Training
Exkurs: Blood Flow Restriction Training (BFRT) (Abb. 4)
Die Theorie von BFRT ist simpel: Die Blutzufuhr des trainierten Muskels wird durch Abbinden vermindert. Der Muskel gerät in eine Art Unterversorgung. Einströmende Wachstumsfaktoren werden nach Lösen des Gummibandes optimal genutzt, um einen Muskelzuwachs zu erreichen [3, 15]. Kriterien: Druck des Wickels bei 7/10 VAS, mit leichtem Gewicht 5 Sätze der jeweiligen Übung, 30 Wdh. im 1. Satz, dann 4 x 15 Wdh., 60 s Satzpause.
Reha Phase 4 – Zurück zum Springen/Sprinten (Abb. 5)
Das erlernte und forciert trainierte Joggen ist nun Grundlage für den nächsten Meilenstein der Reha. Um den Athleten risikoarm wieder Springen und Sprinten zu lassen, sollte die Kraft sowie das einbeinige Sprungvermögen getestet werden. Dies ist frühestens sechs Monate nach OP zu erwarten.
Ziele
- Normalisierung des Joggingbildes
- Steigerung Muskelkraft
- Belastungstoleranz Muskel Sehnenapparat steigern
Test (Abb. 6)
- Heel Raises 80 % im Seitenvergleich [6] sechs Monate post OP
- Single Leg Hop 90 % im Seitenvergleich [16]
- Durchschnitt von 3 Sprüngen 85 % im Seitenvergleich und 80 – 90 % (Frauen 70 – 80 %) der Körperhöhe (Davies & Zilmer, 2002)
Übungen (Abb. 7)
- Sprünge über Minihürden
- Übungen für den Antritt und das Abbremsen
Reha Phase 5 –Zurück zum Spiel (Abb. 8)
In der letzten Phase der Reha soll der Athlet zurück zum Wettkampf geführt werden. Allgemeines Kraft- und Ausdauertraining sind hier indiziert. Eine sehr umfassende Testbatterie von Sprungtests, Agilitäts- und Lauftests legen den Grundstein für ein sicheres Comeback nach acht bis zwölf Monaten.
Ziele
- Verbessern der Ausdauer, Schnelligkeit, Agilität und Kraft
- Wettkampf nach 8 – 12 Monaten
Test
- Sprungtests 90 % im Seitenvergleich [16] bestehend aus: 3-fach hop, 3-fach hop über Kreuz, seitlicher Bound 95- % im Seitenvergleich
- Agility T- Test; Ziel: 10 – 15 s [14]
- Illinois Agility Test; Ziel: 15 – 22 s [14]
- Funktionelle Krafttests
- IFT 30 – 15 Ausdauertest; Ziel: Stufe 18 – 20 [5]
Maßnahmen (Abb. 9)
- Basketball Skill Training
- Allgemeines Athletiktraining
- Ausdauertraining
Literatur
[1] Allahabadi, S. et all. 2021. Systematic review of orthopaedic and sport medicine injuries and treatment outcomes in woman’s national basketball association and National Basketball Association Players. The orthopaedic journal of sports medicine. 9 (2). S. 1-13.
[2] Amin, H. 2016. The impact and functional outcomes of achilles tendon pathology in national basketball association players. Clinical Research on Foot and Ankle. 4 (3). S. 2-18.
[3] Barber-Westin, S. Noyes, F. 2019. Blood Flow-Restricted Training for Lower Extremity Muscle Weakness due to Knee Pathology: A Systematic Review. Sports Health. 11 (1). S. 69-83.
[4] Bleakley, C. 2004. The Use of Ice in the Treatment of Acute Soft-Tissue Injury-A Systematic Review of Randomized Controlled Trials. The American Journal of Sports Medicine, Vol. 32, No. 1. S. 251-261.
[5] Buchheit, M. 2008. The 30-15 intermittet fitness test: accuracy for individualizing interval training of young sport players. Journal of Strength and Conditioning Research. 22 (2). S. 365-374.
[6] Diemer, F & Sutor, V. 2011. Praxis der medizinischen Trainingstherapie 1 – LWS, SIG und untere Extremität. Georg Thieme Verlag.
[7] Diemer, F. & Sutor, V. 2007. Physiotherapie nach Achillessehnenruptur – Nach dem Peitschenknall. Physiopraxis. Ausgabe 2/07. S. 24-28.
[8] Dubois, B. & Esculier, J. 2020. Soft-tissue injuries simply need PEACE & LOVE. British journal of sports medicine. 54 (2). S. 3-5.
[9] Johns et all. 2021. Career outlook and performance of professional athletes after acchilles tendon rupture: a systematic review. Foot Ankle international. 42 (4). S. 495-509.
[10] Julio et all. 2021. Effectiveness of cryotherapy on pain intensity, swelling, range of motion, function and recurrence in acute ankle sprain: A systematic review of randomized controlled trials. Physical Therapy in Sport. Vol. 49. S. 243-249.
[11] Kautz, A. 2002. Eis! Kontraindiziert bei Sportverletzungen? Unveröffentlichtes pdf.
[12] Lemme, N. et all. 2019.Epidemiology and video analysis of achilles tendon ruptures in National Basketball association. America journal of sports medicine. 47 (10). S. 2360-2366.
[13] Plisky et. all. 2009. The Reliability of an Instrumented Device for Measuring Components of the Star Excursion Balance Test. National American Journal of Sports Physical Therapy. 4 (2). S. 92-99.
[14] Raya, M. et all. 2013. Comparisson of three agility tests with male servicemembers: Edgren Side Step Test, T-Test, and Illinois Agility Test. Journal of rehabilitation research and development. 50 (7). S. 951-960.
[15] Stechmann, K. 2017. Okklusionstraining mit dem Flossband: Maximaler Muskelaufbau bei minimaler Gewichtsbelastung. KVM – Der Medizinverlag.
[16] Unfallversicherung, VBG (2015) Präventionsdiagnostik für den bezahlten Sport – Testmanual für Präventionsdiagnostik im Rahmen des VBG-Prämienverfahrens.
[17] Zellers, A. 2016. Return to play post achilles tendon rupture: a systematic review and meta-analysis of rate and measures of return to play. British Journal of Sports Medicine. Vol. 50(21). S. 1325-1332.
Autoren
ist Physiotherapeut B.Sc. sowie Sportphysiotherapeut des DOSB. Seit 2015 arbeitet er in eigener Praxis in Gießen. Seit der Saison 2009/2010 arbeitet er als Physiotherapeut & Athletiktrainer mit den Gießen 46ers in der BasketballBundesliga, außerdem seit mehr als 10 Jahren mit verschiedenen Jugendnationalmannschaften des Deutschen Basketballbundes. Daneben ist er als Autor für verschiedene Fachzeitschriften tätig und hält praxisbezogene Vorträge auch außerhalb Deutschlands, z.B. im polnischen Wroclaw oder an der SportUniversität Peking.